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Kultur – ein wichtiger Wirtschaftsfaktor

Kultur kosten nicht nur, sie ist auch ein Wirtschaftsfaktor. Keystone

Der Kultur wird nachgesagt, sie koste nur. Doch die Märkte der Kulturwirtschaft in der Schweiz weisen ein hohes Wachstum auf.

Eine Studie der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich dokumentiert, dass sich der Kulturbegriff und die Kulturwirtschaft in der Schweiz nicht mehr decken.

In Zeiten von wirtschaftlichen Krisen sind die Ressourcen für die Kulturfinanzierung knapp. Von diesem weltweit feststellbaren Trend bleibt auch das kulturelle Schaffen in der Schweiz nicht verschont.

Die finanziellen Engpässe erfordern eine neue Betrachtungsweise des Kulturbetriebes: «Kunst und kulturelle Leistungen sind sowohl öffentliche Güter als auch Wirtschaftsgüter», erklärt Christoph Weckerle, Koordinator für Forschung und Entwicklung an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich (HGKZ).

Öffentliche Hand nur «Juniorpartner»

Die Kultur erwirtschaftet in der Schweiz insgesamt einen Umsatz von 17 Mrd. Franken, fast 3% der helvetischen Gesamtwirtschaft. Den Kunst- und Kultursektor der Schweiz speisen drei Quellen: Der Markt, die Privaten sowie die öffentliche Hand. Wenig bekannt ist, dass die öffentliche Hand im Schweizer Kulturgeschäft nur Juniorpartner ist.

Von den über 1,8 Mrd. Franken für Kulturaufwendungen der öffentlichen Hand entfallen 50%(913,7 Mio. Franken) auf die Gemeinden und 38% 682,2 Mio. Franken) auf die Kantone. Der Bund steuert 12% (230 Mio. Franken) pro Jahr bei.

Kunst und Kultur werden in Zukunft noch viel mehr Menschen beschäftigen als heute. Zur Zeit bietet der Kultursektor in der Schweiz rund 80’000 Personen eine Arbeit. Mehr als 8700 steuerpflichtige Firmen sind im Kultur- und Kunstsektor tätig.

Die Ansicht setzt sich immer mehr durch, dass öffentlich oder privat investierte Mittel in die Kultur mittelfristig rentabel sind. Und dass die Erträge in Form von Steuereinnahmen wieder der öffentlichen Hand zufliessen.

Mehr Aufmerksamkeit für neue Kulturanbieter

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich in der Schweiz neue kulturelle Märkte herausgebildet, deren wirtschaftliches Potenzial bisher unterschätzt wurde und im Gesamtbild nicht den adäquaten Platz gefunden hat.

«Trotz der beeindruckenden Wirtschafts- und Beschäftigungszahlen erreicht der Kultursektor in der Öffentlichkeit nicht die Aufmerksamkeit, die ihm eigentlich zusteht», meint Christoph Weckerle, Mitautor der Studie der HGKZ zum Wirtschaftspotenzial der helvetischen Kulturwirtschaft.

Der Kulturmarkt entwickelt seine eigene Dynamik. Immer mehr Firmen, Sponsoren und Organisationen drängen aufs Karussell des lukrativen Kulturgeschäfts. Auf der einen Seite gibt es den staatlichen und gemeinnützigen Kulturbetrieb mit Orchestern, Museen, Bibliotheken und Theatern.

Auf der anderen Seite sind die wirtschaftlich bedeutungsvolleren privaten Märkte für Bücher, Musik, Film- und darstellende Künste, Comedy, Phono- und Presse-Erzeugnisse, die privaten TV- und Rundfunkanstalten und kunsthandwerkliche Betriebe. Würde der Kulturbegriff auf den ausufernden Software- und IT-Markt ausgedehnt, wäre das wirtschaftliche Gewicht der Kulturwirtschaft noch bedeutungsvoller.

Bereits jetzt wächst das Kulturgeschäft mit einem jährlichen Wachstum zwischen 5-6% mehr als die Gesamtwirtschaft, die mit einem Wachstum von 1% daher kriecht.

Wichtig ist der kulturelle Austausch und Konkurrenz

Christoph Weckerle kommt zum Schluss, dass es in der Schweiz neue Förderkonzepte braucht, um das Wirtschafts- und Wachstumspotenzial auszuschöpfen. Es mache keinen Sinn, die öffentliche und die private Kulturleistung gegeneinander auszuspielen. Viel mehr gehe es um die Austauschbeziehung zwischen der öffentlichen und der privaten Kulturförderung, so Weckerle.

Viele Akteure im Kunstbereich haben diesen Schritt bereits vollzogen und sind in beiden Sektoren tätig. Dabei können die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Teilsektoren komplementär und manchmal auch konkurrierend sein.

Das Entstehen von guter Kunst hängt nicht davon ab, ob die Förderung von Privaten oder von der öffentlichen Hand kommt. Teure Kunst und Kultur sind zudem nicht zwingend hoch stehend. Die Herausforderung für den Staat wird sein, den künstlerischen Unternehmensinitiativen günstige Rahmenbedingungen zu bieten, die auch neue Partnerschaften mit anderen Gesellschaftsbereichen ermöglichen.

swissinfo, Erwin Dettling

Staatliche Kulturförderung:
Die kantonale und kommunale Förderung ist längst gesetzlich verankert.
In der Bundesverfassung ist sie erst seit 1999 verankert.
Der Bund fördert Kultur nur bei gesamtschweizerischem Interesse.
Zum Verfassungsartikel wird zur Zeit ein Bundesgesetz erarbeitet, das die Bundesaktivitäten regelt. Dabei sind neue Kompetenzen unter anderem in den Bereichen Kunstpflege, Filmförderung und Cinémathèque suisse vorgesehen.

Die Aufgaben der Kulturförderung teilen sich auf Bundesebene das Bundesamt für Kultur (BAK) und die öffentlich-rechtliche Stiftung «Pro Helvetia».

Das BAK als Kulturvermittler engagiert sich bei der Kunst- und Denkmalpflege und bei der Filmförderung.

Das BAK ist zuständig für Leseförderung und Biennalen. Ihm angeschlossen sind die Landesbibliothek, das Landesmuseum, das Literaturarchiv und das «Centre Dürrenmatt».

Die Kulturstiftung «Pro Helvetia» soll im Inland das Überlieferte schützen, das Entstehende fördern, das Geschaffene vermitteln und für den kulturellen Austausch sorgen.

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