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Kultur – Motor des Wandels in Südosteuropa

Aufwertung des öffentlichen Raumes in Shkodra, der historischen Kultur-Hauptstadt in Albanien. Pro Helvetia

Den Dialog, die kulturelle Vielfalt, den Übergang zur Demokratie, zur Marktwirtschaft fördern: Das will das Kulturprogramm der Schweiz in Südosteuropa.

Die Kulturstiftung Pro Helvetia ist seit 1999 in der Region tätig. Eine Studie hat die Projekte vor Ort unter die Lupe genommen.

«Die haben zwar nicht gerade über Heidegger diskutiert, aber über komplizierte Fragen der Prozesse, die zu einer Demokratie führen», kritisiert Charles Landry im Gespräch mit swissinfo. «Dabei muss man die Leute ganz einfach fragen, was Ihnen an ihrer Stadt gefällt und was nicht.»

Der Engländer Landry, Spezialist für Stadtentwicklung, ist Autor der Studie «Culture at the Heart of Transformation» über das gemeinsame Kulturprogramm der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA und der Pro Helvetia in Südosteuropa und der Ukraine (SCP).

«Die Projekte müssen einfach und verständlich sein und eine klar erkennbare Absicht haben», stellt Landry fest. Ein wichtiger Punkt ist die Flexibilität, nicht nur in der Zielvorstellung, sondern auch beim Budget. «

Neue Ideen etablieren

Die Administration sei bei einigen Projekten zu aufwendig, dafür komme die Ausbildung und die Praxis in Marketing und Kommunikation mit der Aussenwelt zu kurz.

«Die Projekte könnten mehr Humor haben. Vielleicht sind einige zu seriös. Es macht keinen Sinn jemandem zu sagen, er müsse jetzt mal Management lernen. Gefragt ist die Haltung eines kritischen Freundes.»

Grundsätzlich attestiert der Experte dem Schweizer Kulturprogramm jedoch eine tragende Funktion für die Umwandlungsprozesse in den ehemals sozialistischen und teilweise kriegsversehrten Ländern. «Ich hatte das Gefühl, hier wird altes Denken umgewandelt. Neue Ideen sind daran sich zu etablieren.»

Zentraler Vektor einer nachhaltigen Einwicklung

Seit 1999 unterstützt die Schweiz in sieben Ländern Südosteuropas kleinere und grössere Kunst- und Kulturprojekte. Dazu stehen jährlich 100’000 Franken pro Land zur Verfügung.

Vor drei Jahren sind die Kooperationsprojekte dazu gekommen. Die DEZA stellt jährlich 3,5 Mio. Franken zur Verfügung. «Hier geht es darum, Wissen zu transferieren, Organisationen, Strukturen und Netzwerke aufzubauen», führt Pro-Helvetia-Direktor Pius Knüsel aus. «Ziel ist nicht, Kunst als solche zu fördern, sondern langfristig Kultur möglich zu machen.»

Kultur spiele in den Transitionsländern eine zunehmend wichtigere Rolle, begründet Denis Knobel von der DEZA deren Engagement. «Kultur und Kunst sind zentrale Vektoren einer nachhaltigen Entwicklung. Sie können Versöhnung herbeiführen und interethnische Kontakte fördern.» Einen grossen Stellenwert haben Projekte für Kinder und Jugendliche.

Aus der Asche der Politpropaganda

Die Kooperationsprojekte sind auf eine Dauer von drei Jahren ausgelegt. Das erste, die Wiederbelebung der Kulturhäuser in Rumänien, ist abgeschlossen. Im Sozialismus hatten die Häuser vor allem politische Funktionen, danach keine mehr.

Das Projekt Phoenix 05 unterstützte 5 von einer Jury ausgewähle Kulturhäuser bei der Ausarbeitung von neuen, zeitgemässen Modellen, mit Kursen in Kulturmanagement und mit einem Betrag von 25’000 Franken. 30 Häuser hatten sich beworben.

«Der Prozess, der dadurch ausgelöst wurde, hat dazu geführt, dass auch die meisten der nicht ausgewählten Häuser inzwischen private Gelder für ihre Neupositionierung gefunden haben» erzählt Charles Landry swissinfo.

Creative Cities bringt in Albanien Kunstschaffende, Politiker und Geschäftsleute zusammen. In Shkodra werten Fassadenmalereien den herunter gekommenen öffentlichen Raum auf. Die Tradition des Karnevals wurde wieder belebt.

Fit für den Markt

In einem ehemaligen türkischen Bad im bulgarischen Plovdiv ist ein Multimedia-Labor, in der ukrainischen Hafenstadt Odessa ein Zentrum für angewandtes Kulturmanagement entstanden. Beim Aufbau der Lehrgänge arbeitet es mit der Universität Basel zusammen.

2003 produzierten die Organisatoren des Jazzfestivals Sarajevo eine erste CD. Daraus ist Gramofon entstanden, das erste CD-Label in Bosnien-Herzegowina. Es bietet jungen, innovativen Musikern eine Chance, realisiert aber auch Aufnahmen mit traditionellen Gruppen und dokumentiert damit das bedrohte musikalische Erbe des Landes.

Das Schweizer Label Intakt berät das marktorientierte Projekt in den Gebieten Labelmanagement, Produktionsplanung und Vetriebsstrukturen. «Ein sehr gutes Beispiel für die Haltung des kritischen Freundes», so Landry.

swissinfo, Andreas Keiser

Die Geschichte der Schweizer Kulturarbeit in Osteuropa begann nach der Wende.

In den osteuropäischen Ländern – sie sind inzwischen in der EU – ist die Arbeit abgeschlossen.

Seit 1999 sind DEZA und Pro Helvetia in sechs Ländern Südosteuropas (Albanien, Rumänien, Bulgarien, Mazedonien, Serbien-Montenegro, Bosnien-Herzegowina), in der Provinz Kosovo und in der Ukraine aktiv.

Im März 2002 sind die auf drei Jahre angelegten Kooperationsprojekte dazu gekommen, die den Aufbau einer nachhaltigen kulturellen Infrastruktur zum Ziel haben.

Das Spektrum dieser Projekte umfasst das Bemalen von Häusern, das Aufwerten von Aussenquartieren, innerstädtische Zusammenarbeit, Jugend- und Kulturzentrenzentren und Ausbildung in Kulturmanagement.

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