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Land unter in der Berner Matte

Die Aare nimmt auch Besitz von den Gassen des Berner Matte-Quartiers. swissinfo.ch

Grosse Teile der Schweiz werden gegenwärtig von Überschwemmungen heimgesucht. Besonders betroffen ist das Matte-Quartier in Bern.

Die Aare hat sich ihren Weg durch die Gassen gebahnt und viele Häuser bis zum ersten Stockwerk unter Wasser gesetzt.

Japanische Touristen stehen gebannt Seite an Seite mit Berner Schulkindern und anderen Neugierigen auf der Berner Kirchenfeldbrücke und blicken hinunter auf das überschwemmte Matte-Quartier, wo normalerweise Kleingewerbler ihrer Arbeit nachgehen und ein geschäftiges Treiben herrscht.

Heute dominiert die brauntrübe Aare das Bild. Sie fliesst mitten durch das Matte-Quartier und überflutet Strassen und Gässchen fast zwei Meter hoch.

Da und dort ragen ein paar Autodächer aus den Fluten. Ein Polizeiboot, das mühevoll gegen das Wasser ankämpft, evakuiert Menschen, die es bis jetzt in ihren Wohnungen ausgehalten haben.

«Wir wissen nicht genau, wie viele Menschen noch im Matte-Quartier ausharren», sagt Franz Märki, Informationsbeauftragter der Stadtpolizei Bern, gegenüber swissinfo.

Märki will oder kann keine aktuellen Zahlen nennen. Bis am Montagabend seien jedenfalls 240 Menschen aus dem wasserumspülten Mattequartier weggebracht worden.

Ungemütlich, aber nicht lebensgefährlich

Franca Gianella, die am überfluteten Mühlenplatz wohnt, ist die einzige in ihrem Haus, die sich bis jetzt hat evakuieren lassen. Ihr Haus stehe bis zum ersten Stock im Wasser.

Sie bewohne zwar die Dachwohnung, für sie sei die Situation nicht lebensgefährlich gewesen. «Ungemütlich ist aber, dass der Strom abgeschaltet und in der Nacht alles stockdunkel ist», sagt sie, nachdem sie mit ihren drei Rauhaardackeln und zwei Taschen dem Boot der Rettungskräfte entstiegen ist.

Wann sie wieder in ihre Wohnung zurückkehren könne, «wissen die Götter», sagt sie lächelnd. «Meine Angst ist, dass das Wasser der Aare irgendeinmal das Haus unterspülen könnte.»

Die Überschwemmung von 1999 sei gar nichts gewesen im Vergleich zu jetzt, so Gianella weiter. «1999 hatten wir nur Grundwasser, da trat die Aare nicht aus ihrem Bett.» Auch sei das Wasser damals im Vergleich zur aktuellen Situation sehr langsam gekommen.

Aus der Vergangenheit nichts gelernt

Bewohner der Berner Matte beklagen denn auch, dass die Behörden seit den «Jahrhundert-Überschwemmungen» von 1999 wenig bis gar keine Massnahmen ergriffen hätten.

Die Stadt hätte dafür sorgen müssen, dass das vorgelagerte Stauwehr nicht dermassen mit Schwemmholz verstopft werden konnte. Weiter sei das Flussbett nicht, wie 1999 versprochen, ausgebaggert worden.

Franca Gianella macht ihrem Ärger weiter Luft: «Was uns aber diesmal echt geärgert hat, waren die falschen Informationen, die man auch via Radio verbreitete. Als das Wasser bei ihrem Haus schon bis zum ersten Stock reichte, hätten die Medien immer noch von «kniehohem» Wasser geredet.

Man habe die Situation den ganzen Tag über verharmlost, bis sich ein Mitbewohner direkt beim Radio meldete. «Die Evakuation aber ist sehr gut verlaufen, die Feuerwehrleute waren äusserst freundlich und hilfsbereit.»

Keine Voraussagen

Über den Zeitraum, wie lange das Hochwasser die Matte noch im Griff hat und wann die Millionen-Schäden beseitigt sein werden, wagen weder der Informationsbeauftragte der Stadtpolizei, Franz Märki, noch die evakuierte Franca Gianella eine Prognose.

Auch Babette, Maxine und die anderen Kinder aus dem Mattequartier, die am Montag nicht zur Schule gehen konnten, wissen nicht, wie lange ihr Schulhaus geschlossen bleibt. Die Kinder werden wahrscheinlich für längere Zeit in einem anderen Schulhaus unterrichtet.

Und so wird, bis in der Berner Matte wieder der Alltag einkehrt, wohl noch ziemlich viel Wasser die Aare hinunterfliessen.

swissinfo, Etienne Strebel, Matte-Quartier, Bern

Die Hochwassersituation in der Stadt Bern ist momentan unter Kontrolle, wie die Behörden melden. Jedoch kann noch keine Entwarnung gegeben werden.

Seit Dienstagmorgen werden die Rettungskräfte von einem 15O Mann starken Militär-Detachement unterstützt.

Zur Evakuierung stehen nun drei – statt bisher bloss einem – Boot zur Verfügung.

Um 6 Uhr früh am Dienstag erreichte die Aare mit einer Fliessgeschwindigkeit von 603 Kubikmetern Wasser/Sekunde einen Höchststand.

Das Ausmass der Schäden kann zum heutigen Zeitpunkt nicht abgeschätzt werden.

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