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Lediglich 90’000 Papierlose in der Schweiz

Viele papierlose Frauen arbeiten in Privathaushalten. Keystone

Laut einer Studie leben in der Schweiz zwischen 80 und 100'000 Sans-Papiers. Diese Zahl liegt weit unter den bisherigen Schätzungen, die bis 300'000 gingen.

Hintergrund des Phänomens Sans-Papiers sei nicht die Asylpolitik, sondern der Arbeitsmarkt.

In der Schweiz leben rund 90’000 Personen ohne Papiere (Sans-Papiers). Es sind Menschen, die sich länger als einen Monat ohne geregelte Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz aufhalten und keine feste Absicht haben, das Land zu verlassen.

Dies belegt eine Studie, die das Forschungsinstitut gfs.bern im Auftrag des Bundesamtes für Migration (BFM) erstellt hat. Ziel des Projekts war es, die Zahl der Sans-Papiers «möglichst zuverlässig» zu ermitteln und Daten über Zusammensetzung, Lebensweise und Probleme dieser Bevölkerungsgruppe zu gewinnen.

Blocher schätzte bis 300’000

Aufgrund von Teilstudien in den sechs Kantonen Zürich, Basel-Stadt, Thurgau, Genf, Waadt und Tessin kamen die Forscher zum Schluss, dass 2004 in der Schweiz zwischen 80’000 und 100’000 Sans-Papiers lebten.

Im März hatte der für das Dossier zuständige Justizminister Christoph Blocher im Bundesparlament noch von «50’000 bis 300’000» gesprochen.

Mehrheitlich wohnen Sans-Papiers in urbanen Gebieten. Im Kanton Zürich schätzen die Experten ihre Zahl auf gegen 20’000, im Kanton Basel-Stadt auf rund 5000.

Im Thurgau wird mit 2000 bis 4000 gerechnet, in der Waadt mit 12’000 bis 15’000, in Genf mit 8000 bis 12’000, im Tessin mit rund 2000.

Keine Frucht der Asylpolitik

Nicht gleichzusetzen sind die Sans-Papiers mit (ebenfalls papierlosen) abgewiesenen oder untergetauchten Asylsuchenden.

Der in der öffentlichen Diskussion immer wieder hergestellte Zusammenhang mit einer restriktiven Asylpolitik lässt sich laut der Studie nicht belegen.

Weder seien die Sans-Papiers zahlreicher, wo es viele Flüchtlinge gibt, noch häuften sie sich auffällig, wenn viele Asylsuchende abgewiesen wurden.

Phänomen des Arbeitsmarkts

Eng verbunden ist das Phänomen der Papierlosen hingegen mit dem Arbeitsmarkt: Sans-Papiers sind überwiegend erwerbstätig – meist in prekären Arbeitsverhältnissen mit tiefem Lohn und vielen Wochenstunden.

Die Mehrzahl ist zwischen 20 und 40 Jahre alt und alleinstehend. Im urbanen Gebiet wohnen viele Sans-Papiers mit Verwandten, Freunden oder Landsleuten zusammen.

In den Städten überwiegen die oft in Privathaushalten beschäftigten Frauen, auf dem Lande die Männer (Stichwort Landwirtschaft). In urbanen Gebieten gehen deren Kinder mehrheitlich zur Schule, was bei den wenigen Kindern auf dem Lande häufig nicht so ist.

In den eher städtischen Kantonen bilden Sans-Papiers aus Lateinamerika die grösste Gruppe, in den ländlichen solche aus dem Balkan.

Folgeerscheinung der regulären Migration

Papierlose halten sich vor allem dort auf, wo das Volkseinkommen hoch ist. In wirtschaftlich guten Zeiten dürfte ihre Zahl eher zunehmen, in schlechteren eher zurückgehen.

Wo ohnehin viele Ausländer und Ausländerinnen leben, gibt es auch mehr Sans-Papiers. Diese sind laut der Studie «eine Folgerscheinung der regulären Migration».

Unerkannt bleiben

Sehr unterschiedlich ist die Dauer des Aufenthalts. Sie reicht von wenigen Wochen bis zu mehreren Jahren.

Nach Auskunft der Experten sind Sans-Papiers trotz grossem Druck «überwiegend nicht kriminell». Sie wollten nämlich nicht riskieren, erkannt zu werden. Schon eher entstünden volkswirtschaftliche Schäden durch Schwarzarbeit und Steuerausfälle.

swissinfo und Agenturen

In der Schweiz leben zwischen 80 und 100’000 Ausländerinnen und Ausländer ohne Aufenthaltsbewilligung (Papierlose, Sans-Papiers).
Davon leben rund 20’000 im Kanton Zürich, 5000 in Basel-Stadt, 12-15’000 in der Waadt, 8-12’000 im Kanton Genf und rund 2000 im Tessin.
60 bis 80% der Papierlosen sind zwischen 20 und 40 Jahre alt.
50 bis 80% haben keine Berufsausbildung genossen.
Sie verdienen im Schnitt zwischen 1000 und 2000 Franken pro Monat.

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