Mehr Ökologie für die Berglandwirtschaft
Die Agrarpolitik 2011 kann den Rückgang der landschaftlichen und biologischen Vielfalt in den Schweizer Alpen nicht stoppen, stellt das Nationale Forschungsprogramm 48 fest.
Ein Forscherteam fordert ökologische Direktzahlungen statt produktorientierter Subventionen.
Die heutige Agrarpolitik schützt die landschaftliche und biologische Vielfalt im Alpenraum zu wenig. Zu diesem Schluss kommt das Nationale Forschungsprogramm «Landschaften und Lebensräume der Alpen».
Ein Forscherteam rund um die Botaniker Jürg Stöcklin und Markus Fischer fordert deshalb eine Änderung der staatlichen Subventionspolitik.
«Wir sprechen nicht davon, die Alpen in ein Museum umzuwandeln», erklärte Fischer gegenüber swissinfo. «Wir beziehen uns auf ein dynamisches Ökosystem, in dem eine Entwicklung stattfindet, in dem biologische interaktionen geschehen.»
Umwandlung der Direktzahlungen
Die Forscher möchten den Grossteil der Direktzahlungen und produktorientierten Subventionen in Direktzahlungen für präzis definierte ökologische Leistungen umgewandelt haben.
Das Forschungsprogramm «Landschaften und Lebensräume der Alpen» untersuchte in den letzten vier Jahren in einem Dutzend Forschungsprojekten, welche agrarpolitischen Massnahmen die alpine Biodiversität am besten unterstützen und fördern.
Agrarpolitik verfehlt Ziel
Die Agrarpolitik 2011 des Bundes könne den weiteren Rückgang der landschaftlichen und biologischen Vielfalt nicht aufhalten, so das Fazit.
«Damit wird das Ziel verfehlt, die Biodiversität zu erhalten, und es entfällt einer der wichtigsten Beweggründe für das System der heute geltenden Direktzahlungen», halten die Autoren in ihrer Synthese fest.
Noch negativere Wirkungen auf die natürlichen Ressourcen hätten der Rückzug der Landwirtschaft aus dem Berggebiet oder die Minimierung der Leistungsanforderungen für den Bezug von Direktzahlungen.
Dagegen stelle die Umwandlung der Direktzahlungen einen geeigneten Weg dar, die Schönheit und Eigenart der alpinen Landschaft zu erhalten.
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SNF
Ökologische Leistungsanforderungen
Das Autorenteam schlägt vor, dass nicht marktfähige Leistungen entschädigt werden, wie beispielsweise die Pflege besonders artenreicher Lebensräume oder der Unterhalt der traditionellen Kulturlandschaft.
Weil die Zahlungen klarer als heute an präzis definierte ökologische Leistungsanforderungen gebunden wären, würde dies auch die unternehmerische Selbständigkeit der Landwirte fördern, sind die Wissenschafter überzeugt.
Je nach Förderbereich könnten fixe Anreize gesetzt oder öffentliche Leistungen – etwa die Pflege einer bestimmten Fläche von Magerwiesen – öffentlich ausgeschrieben werden.
Das Autorenteam schlägt weiter vor, dass mindestens ein Drittel der Direktzahlungen über regionale Programme eingesetzt werden sollen. Damit könnten die Effizienz gesteigert und die regionalen Aspekte der Landschaft besser berücksichtigt werden.
Verlust der Vielfalt
Hinsichtlich der Biodiversität nähmen die Alpen in Europa eine aussergewöhnliche Stellung ein. Mehrere hundert Pflanzen- sowie viele seltene Tierarten lebten ausschliesslich hier. Die Intensivierung der Landwirtschaft habe in den letzten 50 Jahren aber zu einem Verlust an Tier- und Pflanzenarten geführt.
Daneben seien artenreiche Trockenwiesen und Trockenweiden durch die Ausbreitung der Gebirgswälder verloren gegangen. Steile und schlecht erschlossene Flächen, die nicht oder nur erschwert maschinell bewirtschaftbar sind, seien zunehmend aus der Nutzung entlassen worden.
Die Forscher betonen, dass die alpinen Ökosysteme dem Menschen nicht nur als Lebens- und Wirtschaftsraum dienen, sondern weitere Leistungen erbringen, wie die langfristige Erhaltung der Fruchtbarkeit der Böden, die Reinhaltung von Wasser und Luft oder den Schutz vor Lawinen, Steinschlag und Erosion.
swissinfo und Agenturen
Direktzahlungen sind ein wichtiges Element der Schweizer Landwirtschafts-Politik.
Dank diesen Subventionen entschädigt der Bund die Leistungen, welche die Landwirtschaft zugunsten der Allgemeinheit erbringt. So hat zum Beispiel jeder Bauer Anrecht auf 1000 Franken pro Jahr für jede landwirtschaftlich genutzte Hektare Land.
Ferner gibt es ökologische Beiträge. Diese finanziellen Anreize sind für Landwirte lukrativ, die auf ihrem Land weniger schädliche Produktionstechniken anwenden oder Massnahmen zur Förderung der Biodiversität ergreifen.
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