Migranten und Gesundheit: Spitäler suchen Lösung
Die Schweizer Spitäler wollen die Betreuung von Migrantinnen und Migranten verbessern, Verständigungsprobleme überwinden und damit mittelfristig auch die Kosten senken.
Am Montag wurden in Bern ein Handbuch und ein Film vorgestellt, die Spitälern helfen sollen, auf besondere Bedürfnisse von Patienten aus anderen Kultur- und Sprachräumen einzugehen.
Bei der Gesundheit hätten in die Schweiz Eingewanderte nicht die gleichen Chancen wie Einheimische, sagte Thomas Spang, Leiter der Sektion Chancengleichheit und Gesundheit im Bundesamt für Gesundheit (BAG) in Bern. In niederen Schichten und schlechter gestellten Berufsgruppen seien sie überproportional vertreten.
Oft lebten Menschen aus anderen Kulturen mit höherem Gesundheitsrisiko. Und es falle ihnen nicht leicht, sich für ihre Interessen einzusetzen.
Nicht nur sprachliche, sondern auch soziokulturelle Barrieren versperrten ihnen den Weg zum Gesundheitssystem. Präventionskampagnen und Gesundheits-Informationen erfassten Migrantinnen und Migranten nur ungenügend.
Buch und Film wollen helfen
Das Handbuch «Diversität und Chancengleichheit» und der dazu gehörende Film des Schweizer Spitalverbandes H+ und des BAG sollen Abhilfe schaffen. Angesprochen werden die Leitungsorgane von Spitälern, Kliniken und Pflegeheimen.
Für das Buch wurden Erfahrungen aus dem Projekt «Migrant Friendly Hospitals» ausgewertet. Zum Beispiel das Übersetzen: Je nach Situation können Angehörige der Patienten, mehrsprachige Mitarbeitende oder Dolmetscher beigezogen werden. Weitere Hilfsmittel sind Piktogramme und Wörterbücher.
Schulungen sollen den Mitarbeitenden die nötige Sicherheit geben für den Umgang mit Angehörigen von unterschiedlicher Herkunft, Sprache, Religion und sozialer Schicht.
Stress und falsche Reaktionen können damit vermieden werden. Dies führt zu mehr Effizienz und dadurch zu tieferen Behandlungskosten.
Inselspital: Jeder fünfte Patient ein Migrant
Ins Handbuch integriert wurde der im Berner Inselspital gedrehte Dokumentarfilm «Verstehen kann heilen». Er zeigt mit Beispielen aus drei Kliniken, wie Fremdsprachige das Spital erleben.
In der Berner «Insel» war 2005 rund jeder fünfte von über 27’036 Patienten ein Migrant oder eine Migrantin, wie die Spitalleitung angab. Für professionelle Dolmetscher werden pro Jahr durchschnittlich 300’000 Franken aufgewendet.
Dieser Betrag werde nicht durch Versicherungs-Einnahmen gedeckt und reiche bei weitem nicht. Äusserst komplexe Diagnosen verlangten nicht nur kompetentes Fachwissen, sondern auch viel Zeit. Weiter stellt das Spital ein zwölfsprachiges Wörterbuch zur Verfügung.
Strategie des Bundes
Das Projekt «Migrant Friendly Hospitals» ist Teil der Strategie «Migration und Gesundheit» des Bundes. Das 2002 verabschiedete Programm umfasst Bildung, Prävention, Gesundheitsförderung, Gesundheits-Versorgung, Therapie für traumatisierte Asylsuchende sowie Forschung.
Der Bund stellte 2002 für vorerst fünf Jahre insgesamt 25,8 Mio. Franken zur Verfügung. Später wurde das Programm bis 2007 verlängert. Eine Nachfolgestrategie werde dem Bundesrat im kommenden Frühjahr vorgelegt, kündigte Spang an.
swissinfo und Agenturen
Die Strategie «Migration und Gesundheit 2002 – 2007» des Bundes ist Teil einer grossen Untersuchung im Bereich der Migration. Die Strategie entspricht den Zielen des Projekts «Gesundheit für alle im 21. Jahrhundert» der Weltgesundheits-Organisation (WHO).
Das langfristige Ziel ist die Schaffung eines Gesundheitssystems, das auf die speziellen Bedürfnisse einer sich durch die Migration verändernden Gesellschaft reagieren kann.
Um die Gesundheits-Dienstleistungen besser zugänglich zu machen und spezifische Leistungen anzubieten, müssen in fünf Bereichen Änderungen vorgenommen werden: Ausbildung, Information und Prävention, Lieferung von Gesundheits-Leistungen, therapeutische Offerten an Flüchtlinge sowie Forschung.
Das Projekt sieht die Schaffung eines Netzes von Spitälern, Psychiatrie- und Rehabilitationskliniken sowie Langzeit-Institutionen vor, die über eine spezielle Kompetenz im Umgang mit ausländischen Patienten verfügen.
Geplant ist unter anderem der Austausch von Erfahrungen zwischen Ärzten, Pflegepersonal und der Administration.
Die Ausarbeitung von Empfehlungen und Standards, Förderung und finanzielle Unterstützung von konkreten Massnahmen gehören zu weiteren Zielen des Projekts.
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