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Molekularbiologe holt «Schweizer Nobelpreis»

Timothy Richmond ist höchst erfreut über den Marcel-Benoist-Preis. ETHZ

Der Molekularbiologe und Professor Timothy Richmond ist am Freitag für seine Arbeit zur Aufdeckung genetischer Geheimnisse mit dem Marcel-Benoist-Preis ausgezeichnet worden, dem "Schweizer Nobelpreis".

Richmond, mit Hilfe dessen Forschung ein Mittel gegen Erbkrankheiten gefunden werden könnte, erklärt im Gespräch mit swissinfo, warum er stolz auf den höchsten wissenschaftlichen Preis der Schweiz ist.

Der in den USA geborene Richmond konnte beweisen, wie so genannte Nukleosomen, ein Komplex aus DNA und mehreren Eiweissen, die Grundeinheit für den Aufbau der Chromosomen lebender Zellen bilden.

Richmond hofft, dass seine Arbeit an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) dabei helfen kann, Krankheiten, die durch eine defekte Genregulation verursacht werden, besser verstehen und heilen zu können.

swissinfo: Was bedeutet Ihnen der Gewinn des Marcel-Benoist-Preises?

Timothy Richmond: Ich hatte schon erwartet, mit dieser Forschung einen Preis zu gewinnen und habe das auch 2002 mit dem Louis-Jeantet-Preis für Medizin erreicht. Doch danach habe ich nicht mehr an Preise gedacht. Daher war es ein kleiner Schock, noch einen zu gewinnen.

Es ist ein schönes Gefühl, unter den besten Leuten zu sein, die in der Schweiz gearbeitet haben. Es ist schön, auf diesem Niveau Anerkennung zu erhalten, das gibt mir ein Gefühl von Befriedigung.

swissinfo: Können Sie die Art ihrer preisgekrönten Forschung erklären?

T.R.: Die DNA kodiert die Informationen für alles Leben in Organismen. Ich dachte, es wäre wirklich gut zu wissen, wie dies in höheren Zellformen aussieht, von Pilzen bis zum Menschen.

Wir konnten auch die atomare Struktur der ersten Organisationsstufe dieser Zellen feststellen, die Nukleosom genannt wird. Von diesem können wir lernen, wie genetische Informationen von Generation zu Generation weitergegeben werden.

Dies ist Grundlagenforschung, ein Schritt über der Entdeckung der DNA-Struktur selber. Darum ist sie so beliebt und gewinnt Preise.

swissinfo: Welche praktischen Anwendungen könnte Ihre Forschung in Zukunft haben?

T.R.: Die Struktur der DNA ist sehr wichtig wenn es darum geht, Krankheiten mit Medizin zu heilen. Dies ist derzeit ein kontroverses Thema.

Die Menschen meinten, wenn einmal das Geheimnis des menschlichen Genoms entschlüsselt sei, könnten viele Probleme gelöst werden. Das ist so, klar, aber noch ist es nicht so weit – es ist ein Prozess.

Ich kann nicht sagen, dass meine Forschung die Krankheiten X, Y und Z heilen kann. Ich kann aber sagen, dass meine Grundlagenforschung sicher die Art und Weise beeinflussen wird, wie die Leute über die Lösung solcher Probleme denken.

Wir sprechen hier grösstenteils über vererbbare genetische Krankheiten. Ich weiss, dass meine Erkenntnisse wertvoll sein werden, weiss aber noch nicht genau, wie.

swissinfo: Was sagen Sie gegenüber Menschen, die moralische Bedenken gegenüber der Gentechnik haben?

T.R.: Die Erkenntnisse, die wir aus dieser Art von Forschung gewinnen, werden uns überlebenstauglicher und leistungsfähiger im Leben machen und bösartige Angriffe auf unsere Gesundheit verhindern.

Ich spreche hier nicht über einen Neuentwurf des Lebens, ich will einfach wissen, wie es funktioniert. Auch wenn es nicht funktioniert, kann vielleicht jemand aus meinen Erkenntnissen Schlüsse ziehen, um die Situation zu verbessern.

swissinfo: Warum sind Sie vor 20 Jahren in die Schweiz gekommen?

T.R.: Ich persönlich liebe Abenteuer. Die Schweiz mit ihrer multikulturellen Gesellschaft im Herzen Europas schien das anzubieten.

Auf der wissenschaftlichen Seite wusste ich, dass die Probleme, an denen ich arbeitete, viel Zeit in Anspruch nehmen würden und dass ich auf diesem Weg viele Rückschläge würde hinnehmen müssen. Die ETH bot ein Umfeld, das einen Forscher auch dann noch unterstützt, wenn es nicht rund läuft.

Die Idee, noch ein wenig weiter gehen zu können, wenn anderswo bereits der Geldhahn zugedreht wird, machte diesen Ort für mich sehr attraktiv.

swissinfo-Interview: Matthew Allen, Zürich
(Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

Timothy Richmond wurde 1987 als Professor für die Röntgenkristallographie von biologischen Makromolekülen an die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH) berufen.

Während der letzten 20 Jahre hat sich Richmond der exakten Beschreibung der atomaren Struktur des Nukleosoms verschrieben.

Der Marcel-Benoist-Preis wird seit 1920 vergeben und gilt als «Schweizer Nobelpreis». Das Preisgeld beträgt 100’000 Franken. Der Preis wird durch den Innenminister überreicht, derzeit Bundesrat Pascal Couchepin.

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