Munitions-Abfall im Thunersee muss weg
Die Munitions-Altlasten auf dem Grund des Thunersees müssen geborgen und entsorgt werden. So will es der Fischerei-Verband des Kantons Bern.
Zur Diskussion steht eine Bergungsmethode, bei der die Munition vereist wird.
Drei Unternehmen aus Deutschland präsentierten an der Hauptversammlung des Bernisch Kantonalen Fischerei-Verbandes (BKFV) ein gemeinsames Projekt, bei dem die auf dem Seegrund abgelagerte Munition eingefroren und als Eisblock geborgen wird.
Nach der Bergung würden die Eisblöcke bis zur endgültigen Entsorgung in gekühlten Sicherheits-Behältern gelagert.
Eis habe eine ähnliche Druckfestigkeit wie Beton, erklärte Claus Mayer von der Nordseetaucher GmbH. Das Eis hafte an der Oberfläche der Objekte und sei flüssigkeitsdicht. Im dicken Eismantel verpackt könne die Munition relativ gefahrlos geborgen werden.
3000 Tonnen deponiert
Zwischen 1945 und 1964 entsorgte die Schweizer Armee rund 3000 Tonnen Munition im Thunersee. Der Munitionsabfall liegt in rund 250 Metern Tiefe auf vier Quadratkilometern verteilt. Inzwischen hat sich eine mindestens 25 Zentimeter dicke Sedimentschicht über dem Abfall abgesetzt.
Deponiert wurden seinerzeit verschiedene Munitionskörper, so etwa Patronen, Handgranaten, Zünder und Fliegerbomben.
Zu möglichen Kosten konnte Mayer keine genauen Angaben machen. Allein die Sondierung und Vermessung des Gebiets mit einem Mini-U-Boot würde sich nach grober Schätzung auf rund 23’500 Franken pro Tag belaufen. Die Sondierung würde rund 160 Tage beanspruchen.
Missbildungen bei Fischen im See
Vor vier Jahren waren erstmals Missbildungen an den Geschlechts-Organen von Felchen und Forellen im Thunersee aufgefallen. Über mögliche Ursachen kann bisher zwar nur spekuliert werden, dennoch hält sich die These der Munitionsabfälle auf dem Seegrund hartnäckig.
Der Kanton hat umfangreiche Untersuchungen angeordnet, in die auch die Abwässer der Neat-Baustelle am Lötschberg einbezogen werden.
Forscher vermuten, dass der Sprengstoff TNT in Verbindung mit Wasser möglicherweise Substanzen freisetzt, die den Stoffwechsel von Lebewesen beeinflussen könnten.
Thema auch im Parlament
Ein Gutachten des Militärdepartements aus dem Jahr 1995 kam zum Schluss, dass die metallischen Munitionsteile nur sehr langsam, das heisst, in Jahrzehnten oder Jahrhunderten, korrodierten und der Inhalt deshalb nur in geringen Mengen freigesetzt werde.
Im Berner Kantonsparlament ist ein Vorstoss hängig, der verlangt, die Munition sei in jedem Fall aus dem See zu bergen, auch wenn ein Zusammenhang zu den Missbildungen bei Fischen nicht erhärtet werden könne.
Der Kanton empfiehlt dem Parlament, vorerst die Untersuchungsergebnisse abzuwarten, bevor man beim Bund die Bergung verlange.
swissinfo und Agenturen
Seit dem Jahr 2000 werden im Thunsersee Fische mit Missbildungen gefunden. Heute weisen rund 70% der Thunsersee-Felchen solche Abnormitäten auf.
Zwischen 1947 und 1964 versenkte die Schweizer Armee auf einer Fläche von 4 km2 3000 Tonnen Munition im Thunersee.
Eine auf fünf Jahre angelegt Studie soll die Ursachen für diese Veränderungen ermitteln.
Der Thunersee versorgt mehrere hunderttausend Bewohner im Kanton Bern mit Trinkwasser.
Wasser- und Fischexperten betonen, dass die Missbildungen bei den Fischen und die möglicherweise damit verbundene Gewässerverschmutzung für die Menschen gegenwärtig kein Risiko darstellen.
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