Nachhaltig handelnde Firmen organisieren sich neu
Nachhaltig handelnde Firmen in der Schweiz wollen sich besser organisieren. Startbeihilfen sollten vermehrt so ausgerichtet werden, dass die Unternehmen mit der weltweiten Konkurrenz Schritt halten können, darin sind sich Experten einig.
Die neue, am Montag gegründete Dachorganisation Swisscleantech versucht, eine Vielzahl von Firmen zusammenzubringen, um Schweizer Know-how besser zu nutzen. Die Firmen haben ein grosses Wissen im Bereich umweltfreundliche und nachhaltige Produktion.
Eine vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement (EVD) in Auftrag gegebene Studie schätzt, dass nachhaltig handelnde Firmen 155’000 Personen beschäftigen und 18 bis 20 Milliarden Franken erwirtschaften.
Von grossen Firmen, wie ABB und Oerlikon Solar bis zu kleinen, neu gegründeten Unternehmen findet sich praktisch alles im neuen Verband.
Die grosse Bandbreite dieses Sektors und das daraus resultierende Fehlen einer koordinierten gemeinsamen Strategie ist oft kritisiert worden. Viele sind der Meinung, dass schweizerische nachhaltige und umweltfreundliche Unternehmen nicht ihr ganzes Potential in Bezug auf Profit und Zukunftsmöglichkeiten ausnutzen.
Wirtschaftministerin Doris Leuthard hatte im November die Idee lanciert, die Exporte von nachhaltig handelnden Unternehmen zu koordinieren und Gelder bereitzustellen, um so genannten «Start-ups», neuen, innovativen Unternehmen, zu helfen, Businesspläne zu erstellen. Der neue Verband Swisscleantech sieht sich auch als Lobbyist für die Branche.
Regierung soll mehr tun
Im Gegensatz zu anderen Lobby-Gruppen fordert die Organisation ein stärkeres Eingreifen der Regierung, um umweltfreundliche und energieeffiziente Technologie in der Schweiz zu fördern.
Nachhaltige Entwicklung definert Swisscleantech als branchenübergreifende Qualitätsbezeichnung, die sowohl Produkte und Dienstleistungen als auch Prozesse betrifft. Cleantech-Unternehmen orientieren sich an den Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung und sind Ressourcen-effizient und sozial nachhaltig.
Unterstützen oder nicht?
«Ziele allein bringen nichts. Sie müssen mit durchsetzbaren Regulierungen begleitet werden, die saubere Firmen gegenüber verschmutzenden Firmen belohnen», sagt der Präsident von Swisscleantech, Nick Beglinger, zu swissinfo.ch.
«Wenn die Firmen sich an lokale Regulierungen halten, verschafft ihnen das auch einen Vorteil, wenn sie exportieren.»
Swisscleantech strebt Steuererleichterungen für umweltfreundliche Firmen an, anstatt die Unterstützung der gesamten Industrie.
Der Think-Tank Avenir Suisse hat sich gegen Subventionen für die nachhaltig handelnde Wirtschaft ausgesprochen. Denn in Deutschland und in Japan ist dieser Industriezweig sehr erfolgreich.
«Der Schweizerische Binnenmarkt ist zu klein für Subventionen. Die lokale Nachfrage ist zu klein», sagt der Energie-und Infrastruktur-Projektmanager Urs Meister.
Er argumentiert, dass solche Subventionen in andere Länder fliessen würden, wenn die Firmen Fabriken in anderen Ländern eröffneten. Dazu komme, dass, wenn die Unternehmen auf Unterstützungen angewiesen seien, die Industrie zusammenbreche, wenn die Steuererleichterungen ausliefen.
Besser als Subventionen sei, die Produkte und Dienstleistungen auf grösseren Märkten anzubieten. «Fördergelder in Europa sind wichtiger für die Schweizer als Subventionen in der Schweiz», sagt er.
Mangel an privatem Kapital
Aber während die Schweiz beachtenswerten Erfolg auf dem Gebiet der internationalen Umwelttechnik mit multinationalen Riesen erzielt hat, zeigt sich ein Mangel an neuen, innovativen Firmen.
Risikokapitalfirmen aus der Schweiz stellen jungen Firmen im Ausland Geld zur Verfügung, aber in der Schweiz herrscht ein Mangel an Projekten.
Gina Domanig von der in Zürich beheimateten Emerald Technology Ventures AG, die Firmen Risikokapital zu Verfügung stellt, sagt gegenüber swissinfo.ch, dass viele Schweizer Geschäftsideen abgelehnt würden, weil der Businessplan schlecht sei.
«In der Schweiz werden neue Unternehmen oft von Studenten und ihren Freunden ins Leben gerufen. Sie unterschätzen den Markt, die Herausforderungen und die Fähigkeiten, die sie brauchen, um Erfolg zu haben», betont sie.
«In anderen Ländern arbeiten Unternehmer-Teams mit erfahrenen Marketingspezialisten zusammen und bilden so eine starke Einheit im Firmenmanagement.»
Domanig würde mehr nationale oder lokale Anreize begrüssen, um den lokalen Markt anzukurbeln und ausländische Firmen anzuziehen.
Nick Beglinger hingegen glaubt, dass die nachhaltige Industrie in der Schweiz eine Chance hat, wenn starke Strukturen helfen würden, die tiefsitzenden Ängste der Schweizer Unternehmer zu dämpfen.
«Viele Unternehmer, die sich in der Umwelttechnologie engagieren, glauben daran, dass sie die Welt verbessern können. Das ist eine Motivation, die anderen Industriezweigen fehlt.»
Matthew Allen, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Englischen: Eveline Kobler)
Die Schweizer Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2010 den Ausstoss von CO2 um 10% der Menge von 1990 zu senken.
Sie will auch bis 2030 den Anteil von erneuerbaren Energien um 10% anheben.
Derzeit stammen 58% der Energie aus solchen Quellen, wovon die Wasserkraft den Löwenanteil einnimmt.
Die Taskforce Energie Schweiz, welche die Energiezukunft der Schweiz definiert, hat empfohlen, den Energieverbrauch zwischen 2000 und 2010 nicht um mehr als 5% zu erhöhen. Trotzdem wurde bereits 2004 7,4% mehr Energie konsumiert als im Jahr 2000.
Einige Kantone unterstützen Projekte, die umweltfreundliche Baumassnahmen wie etwa Solarzellen vorsehen. Doch diese finanzielle Unterstützung ist limitiert und zu verstreut.
Die Schweizer Regierung spielt derzeit Möglichkeiten durch mit einer nationalen Klimasteuer, die etwa eine Abgabe auf die Profite jener Kernkraftwerke vorsieht, die über ihre Lebensdauer von 40 Jahren hinaus Energie produzieren.
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