Nati-Coach wird zum Axpo-Köbi
Ein Werbespot eines Schweizer Stromkonzerns sorgt für hitzige Diskussionen. Hauptdarsteller im Spot ist der Coach der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft Köbi Kuhn.
Der Spot mache die Alternativenergien lächerlich, sagen die Gegner. Er trage zur aktuellen Energiediskussion bei, meinen Befürworter und Auftraggeber.
Überall in Europa hat die oberste Fussballliga einen andern Namen, aber einen in der jeweiligen Landessprache. In Spanien ist es die Primera Division, in England die Premier League, in Italien die Serie A und in Deutschland die Bundesliga.
Die viersprachige Schweiz allerdings verzichtet auf eine Landessprache und nennt ihre oberste Fussballliga Englisch Axpo Super League.
Dabei bezeichnet das Wort Axpo den Sponsor, und der ist, wie er auf seiner Homepage schreibt, «ein führendes Schweizer Energieunternehmen». Mit den Elektrizitätswerken der Nordost- und Zentralschweiz sowie ihren Partnern versorge Axpo drei Millionen Menschen mit Strom, schreibt das Unternehmen weiter.
Und weil das Unternehmen den Schweizer Fussball sponsort, rückt zwangsläufig auch die Fussball-Nationalmannschaft in sein Blickfeld, insbesondere der kürzlich als «Schweizer des Jahres» ausgezeichnete Coach Jakob «Köbi» Kuhn.
Jassrunde mit Folgen
Was liegt denn näher, als den beliebten Kuhn in die Axpo-Werbung zu integrieren. Gesagt getan. Und so sieht der Werbespot aus:
In einer Jassrunde mit Nationalcoach Köbi Kuhn prahlt einer mit seiner Solaruhr. Diese zeigt jedoch die falsche Zeit an. Um die Uhr aufzuladen, unterbricht ihr Besitzer die Jassrunde und begibt sich nach draussen, wo es in Strömen regnet. Die Botschaft: Idealisten und Spielverderber setzen auf erneuerbare Energien, Realisten und Idole auf Atomkraft.
Ob Absicht oder Zufall: Der Spot des Stromriesen Axpo fällt genau in die Zeit, in der in der Schweiz die Diskussion um neue Atomkraftwerke (AKW) wieder aufflammt. Denn die Allgemeinheit beschäftigt sich nach dem UNO-Klimabericht mit dem drohenden weltweiten Temperaturanstieg und sucht nach Auswegen.
Das Gefährliche daran, so ein Leserbrief in der Berner Zeitung: «Einfache Lösungen gibt es nur vordergründig. Auch die hochgelobte Atomenergie ist nicht CO2-neutral. Die einfachste Energiesparmassnahme, Sparen, ist nicht sonderlich en vogue.»
Doch für die Strombranche ist klar: «Jetzt bauen wir ein neues AKW, um der drohenden Stromlücke in rund 20 Jahren zu begegnen.» Diese Aussage machte Giovanni Leonardi, der Chef der Atel, eines weiteren Schweizer Stromkonzerns, in der SonntagsZeitung.
Kopfschütteln beim Energieminister
Doch das Anliegen ist äusserst umstritten. Gemäss einer kürzlich veröffentlichten Umfrage der Sonntagspresse waren 70% dagegen. Die gleiche Presse meldete jedoch eine Woche zuvor, eine Mehrheit sei, gemäss einer andern Umfrage, dafür.
In dieser aufgeladenen Stimmung rund um die Zukunft der Schweizer Energieversorgung stehen «Axpo-Köbi» (Boulevard-Zeitung Blick) und sein Spot hart in der Kritik.
Energieminister Moritz Leuenberger ist nicht begeistert: «Da greife ich mir an den Kopf», sagte er jüngst im «Tagesgespräch» von Radio DRS.
Dass sich die Axpo über erneuerbare Energien lustig mache, sei kontraproduktiv. Das Volk werde dem Bau eines AKW nur zustimmen, wenn alles getan werde für Energie-Effizienz und erneuerbare Energien.
Axpo-Sprecher Thomas Hegglin widerspricht: Es gehe in keiner Art und Weise darum, die Solarenergie lächerlich zu machen. Man wolle lediglich «die Diskussion anregen».
Langfristige Strategie
Die atomkritischen Organisationen sehen in den Spots nur einen weiteren Schritt im Rahmen einer langfristig angelegten Kommunikations-Strategie der Atombranche. Diese habe schon vor 30 Jahren suggeriert, ohne AKW gehe es zurück in die Steinzeit, sagt Bernhard Piller, Geschäftsführer der Schweizerischen Energie- Stiftung (SES).
Glaubt man Politologen und Soziologen, ist die Haltung zur Atomenergie auch in der Bevölkerung nicht mehr primär ideologisch geprägt.
In einem Abstimmungskampf dürften demnach neben Risiko-und Nachhaltigkeits-Einschätzungen auch volkswirtschaftliche Argumente eine Rolle spielen. Zudem ist Skepsis gegenüber AKW-Betreibern als Vertreter von Partikulärinteressen zu erwarten.
Die Meinungen seien differenziert, sagt der Politologe Andreas Ladner. Ob der Kino und TV-Spot der Axpo ankomme, sei daher fraglich.
Die Antwort auf diese Frage werden wir nie wissen. Den umstrittenen Energie-Werbesport mit Fussballnationalcoach Köbi Kuhn hat die Axpo zurückgezogen. Allerdings nur halbherzig. Auf ihrer Homepage ist er weiterhin zu sehen.
Und was sagt der Betroffene selber? In seiner bekannt kargen Sprechart meint Kuhn, er verstehe den Spot auch als Diskussionsgrundlage in der jetzigen Stromdebatte.
swissinfo, Urs Maurer
Die Schweiz hat 5 Atomkraftwerke in Betrieb: Beznau I und II (Kanton Aargau, in Betrieb seit 1969 bzw. 1972). Mühleberg bei Bern (1972), Gösgen (Solothurn, 1978) und Leibstadt (Aargau, 1984).
Der Anteil der Kernkraft an der gesamten Stromproduktion in der Schweiz beträgt im Mittel 38% (Winter bis 45%). Das Mittel in Europa beträgt 33%.
Nach dem neuen Energiegesetz, seit 1. Februar 2005 in Kraft, unterliegt der Bau neuer Atomkraftwerke dem fakultativen Referendum.
Jakob «Köbi» Kuhn (geboren 1943) ist seit 2001 Trainer der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft.
2004 führte er die Schweiz zur Europameisterschaft in Portugal und zwei Jahre später zur WM 2006 in Deutschland, wo er das Achtelfinale erreichte.
Während seiner gesamten Karriere als aktiver Fussballer spielte er beim FC Zürich im Mittelfeld (abgesehen von 2 Monaten beim Lokalrivalen Grasshoppers).
Er gewann von 1962 bis 1977 sechsmal die Schweizer Meisterschaft und fünfmal den Schweizer Cup. Für die Nationalmannschaft absolvierte er 63 Länderspiele.
Am 17. Dezember 2006 wurde er zum Schweizer Trainer des Jahres gewählt, am 13. Januar 2007 zum Schweizer des Jahres.
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