Neue Runde im Kampf um die Spitzenmedizin
Die Spitzenmedizin in der Schweiz soll auf maximal zwei Zentren konzentriert werden. Dies ist das Fazit eines vom Kanton Zürich in Auftrag gegebenen Gutachtens.
Von Basler Seite wird bemängelt, dass die Frage nach einer Netzwerklösung nicht beantwortet werde.
Die Konzentration sei aus wirtschaftlichen und qualitativen Gründen notwendig. Als Faustregel gelte, dass sinnvollerweise mindestens ein Eingriff pro Woche durchgeführt werden müsse und ein Einzugsgebiet für zwei bis vier Millionen Einwohner bestehe, sagte Hans-Dieter Daniel, Koordinator des Gutachtens in Zürich.
Die Konzentration der Spitzenmedizin sei aber auch nötig, um international wettbewerbsfähig zu sein. Die Studie empfiehlt, «möglichst viele Leistungsbereiche» der Spitzenmedizin auf ein oder maximal zwei Zentren zu beschränken. Für die Behandlung sehr seltener Krankheitsbilder sollte sogar ein Referenzzentrum im Ausland bestimmt werden.
Während der Zürcher Regierungsrat sich durch die Ergebnisse der Studie bestätigt sieht, plädiert die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK) dagegen für eine «Netzwerklösung», bei der die verschiedenen Spitzenmedizin-Bereiche auf die verschiedenen Universitätsspitäler verteilt werden, wie eine von Basel-Stadt und Bern am 21. November vorgestellte Studie zeigt.
Fahrplan für Konzentration festlegen
Die Zürcher Gesundheitsdirektorin Verena Diener will nun zunächst Diskussionen darüber führen, welche medizinischen Leistungen zur hochspezialisierten Medizin gehören. Zudem müsse mit der Offenlegung der Fallzahlen Transparenz geschaffen werden.
Gegenüber swissinfo sagte Verena Diener weiter: «Der Kanton Zürich wünscht sich selbstverständlich, dass sein Universitätsspital, das grösste der Schweiz, Sitz eines der künftigen Spitzenmedizin-Zentren wird.»
Ausserdem sollen die bisherigen Zentren der hochspezialisierten Medizin «ihre Resultate in so genannten Ergebnisqualitäts-Registern dokumentieren», so Diener.
Aufgrund dieser Ergebnisse sollte sich ihrer Ansicht nach die GDK dann auf einen Fahrplan für den Konzentrationsprozess einigen. Das Ergebnis der internationalen Expertengruppe bilde eine gute Grundlage, um die Diskussion der Spitzenmedizin auf sachlicher Ebene weiterzuführen.
Keine Nachteile für Medizinstudium
Keine Nachteile sieht die Studie für Medizinstudenten an Universitäten ohne hochspezialisierte Medizin. Auch die Qualität der Weiterbildung zum Facharzt würde «nur wenig beeinflusst».
Für die Qualität der Weiterbildung in der hochspezialisierten Medizin sei es allerdings entscheidend, dass das Zentrum über ausreichende Patientenzahlen und einen angemessenen Krankheitsmix verfüge.
Gesundheitsdirektoren: Viele Gemeinsamkeiten
Für Markus Dürr, Präsident der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK), hat das Zürcher Spitzenmedizin-Gutachten viele Gemeinsamkeiten mit jenem der Kantone Bern und Basel. Es habe nur einen anderen Fokus.
Dürr bezeichnete das Gutachten des Kantons Zürich als wertvollen Beitrag zur Diskussion über die Ausgestaltung der hochspezialisierten Medizin in der Schweiz. Die GDK wird nun beide Expertisen analysieren und an ihrer nächsten Plenarsitzung im Mai 2007 behandeln.
Konzentration der Spitzenmedizin unbestritten
Der Basler Gesundheitsdirektor Carlo Conti zeigt sich nicht überrascht. Nicht beantwortet ist für ihn aber die Frage nach einer Netzwerklösung. Denn dass eine Konzentration der Spitzenmedizin in der Schweiz nötig sei, ist für Conti unbestritten
Auch das von Basel und Bern im November präsentierte Gutachten habe deutlich erklärt, dass künftig die gesamte Spitzenmedizin an nicht mehr als fünf Standorten angeboten werden solle.
Möglich sind für Conti auch ein oder zwei Zentren, die sich auf ein Netzwerk von fünf Orten erstrecken.
«Sorgfältig auseinanderhalten» müsse man jedoch die Konzentration der Fachbereiche und die Frage, ob die Spitzenmedizin auch physisch an einem oder zwei Orten zusammengelegt werden müsste.
swissinfo und Agenturen
Das Gutachten wurde vom Kanton Zürich in Auftrag gegeben.
24 Experten aus 9 Ländern nahmen Stellung zu Fragen des Zürcher Regierungsrates und einer Zusatzfrage der GDK.
An der Universität Zürich wurden die Meinungen der Fachleute zusammengestellt.
2004: Die Kantone vereinbaren die Reduktion der hochspezialisierten Medizin auf wenige Zentren (Interkantonalen Vereinbarung über die Koordination und Konzentration der hoch spezialisierten Medizin, IVKKM).
Damit würden Kosten gespart. Die IVKKM sollte ab 2008 Organ-Transplantationen, Herzchirurgie, pädiatrische Kardiologie sowie grossflächige Verbrennungen regulieren.
2005: Der Kanton Zürich beschliesst, dieser Vereinbarung nicht beizutreten, weil er eine Konzentration auf zwei Zentren bevorzugt.
Mai 2006: Bern und Basel beschliessen, die Herzchirurgie ab 2007 gemeinsam zu betreiben.
November 2006: Basel und Bern präsentieren ein Gutachten, das eine Netzwerklösung vorschlägt.
Dezember 2006: Der Kanton Zürich präsentiert eine Expertise, wonach die Spitzenmedizin in möglichst vielen Bereichen auf maximal zwei Zentren konzentriert werden soll.
Mai 2007: Die Gesundheitsdirektoren-Konferenz (GDK) wird erneut über das Thema beraten.
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