Neue Wege beim Kampf gegen Armut und Hunger
Die UNO will neue Finanz-Quellen erschliessen, um ihre Milleniums-Ziele beim Kampf gegen Armut und Hunger zu erreichen. Rund 60 Regierungschefs trafen sich deshalb in New York.
Bundespräsident Deiss machte sich für eine Umweltsteuer stark, während er eine Finanz-Steuer skeptisch kommentierte.
«Es liegt an uns, der Globalisierung ein Gewissen zu geben», sagte der französische Staatspräsident Jacques Chirac am Treffen vom Montag. Rund 60 Regierungschefs nahmen an dem Gipfeltreffen teil, das der brasilianische Präsident Luis Inacio Lula da Silva initiert hatte. Er selber bezeichnete die Armut als «schlimmste Massenvernichtungswaffe».
Die Staatschefs diskutierten über die Auswirkungen der Globalisierung. Neben Bundespräsident Joseph Deiss nahm auch die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey am Treffen teil.
Die Schweiz und alle UNO-Staaten hatten sich am Millenniumsgipfel 2000 verpflichtet, acht Entwicklungsziele, die Millennium Development Goals (MDG), zu erreichen.
Deiss will keine Finanz-Steuer
Auf dem Tapet stand auch die Schaffung neuer Einnahmequellen zur Entwicklungs-Finanzierung. Vorschläge umfassen Steuern auf Waffengeschäfte, Devisentransaktionen, Energie (Transporte) und andere mögliche Geldquellen wie eine Weltlotterie.
«Die Umweltsteuern scheinen am meisten zu versprechen», sagte Deiss in seiner Rede. «Diese könnten zudem helfen, Energie-Konsum und Abgase zu vermindern.»
Kritisch äusserte er sich zur Steuer auf Finanztransaktionen, der so genannten Tobin-Steuer, und verwies auf mögliche Marktverzerrungen. Und: «Wir sind skeptisch gegenüber dem Potential solcher Steuern, Einkünfte zu generieren.»
Kehrtwende der Schweiz
Neue Einnahmequellen sind bei der UNO und einigen Ländern seit längerem in Diskussion, obwohl sich die USA dagegen sperren.
Bisher wollte auch die Schweiz – vor allem das Finanzdepartement – nichts von neuen Steuern wissen. Entsprechende Treffen wurden noch im Frühjahr abgelehnt.
Entwicklungsfachleute zeigen sich nun «sehr erfreut» über die Teilnahme der Schweiz am New Yorker Anlass: Bruno Gurtner, Finanzexperte der Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke, sieht darin gar eine «Kehrtwende».
seco will Tauglichkeit prüfen
«Die Schweiz wollte mit ihrer Teilnahme Offenheit in der Debatte um Entwicklungsfinanzierung demonstrieren», erläutert Martin Rohner vom Staatssekretariat für Wirtschaft (seco).
Man werde prüfen, «ob die vorgestellten Instrumente tauglich und überhaupt umsetzbar sind». Dies umfasse alle Mechanismen, nicht nur die globalen Steuern. Es sei nicht zu erwarten, dass morgen neue Steuern eingeführt würden.
Schweiz kein Vorbild
Die Hilfe von 50 bis 60 Mrd. Dollar müsste jedoch verdoppelt werden, um die UNO-Millenniumsziele zur Halbierung von Armut und Hunger bis 2015 zu erreichen, wie UNO-Generalsekretär Kofi Annan mehrfach betonte.
So sehr viele Länder des Südens ihre Anstrengungen erfolgreich verstärkt haben, drücken sich einige reiche Länder beim Zahlen.
Auch die Schweiz ist kein Vorbild: Während in Europa mehrere Länder ihre Entwicklungshilfe aufgestockt haben, fror die Schweiz diese ein.
Magische Grenze von 0,7% BNP
Dabei hatte Deiss als damaliger Aussenminister an der UNO-Konferenz zur Entwicklungs-Finanzierung 2002 in Mexiko zugesagt, dass die Schweiz ihre Entwicklungshilfe bis 2010 auf 0,4 Prozent des Brutto-National-Produktes (BNP) erhöhen werde. Am UNO-Erdgipfel von Rio de Janeiro 1992 war gar noch von 0,7 Prozent des BNP die Rede gewesen.
Die Schweizer Entwicklungshilfe wird in Zukunft bei 0,32 Prozent des BNP liegen.
swissinfo und Viera Malach, Infosüd
Millenniumsziele (MDG) der UNO bis 2015:
Beseitigung extremer Armut und Hunger
Grundschulbildung für alle Kinder
Gleichberechtigung und Frauenrechte
Reduktion der Kindersterblichkeit
Reduktion der Müttersterblichkeit
Bekämpfung von Aids und Malaria
Ökologische Nachhaltigkeit
Aufbau einer globalen Partnerschaft für Entwicklung
Die Schweiz und alle UNO-Staaten haben sich am Millenniumsgipfel 2000 verpflichtet, acht Entwicklungsziele zu erreichen.
Eine mögliche Finanzierung wäre die Tobin Steuer. Diese will transnationale Devisengeschäfte besteuern.
Der Steuersatz läge bei 0,05 bis 1 Prozent. Er soll kurzfristige, spekulative Geschäfte verhindern.
Die Steuer ist nach James Tobin benannt, der 1981 den Nobelpreis für Wirtschaft erhalten hatte.
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