Neues Instrument der Entwicklungs-Zusammenarbeit
Die gemeinsame Forschung mit Ländern des Südens hat sich als eigenständiges Element der Schweizer Entwicklungs-Zusammenarbeit etabliert.
Das ist die Zwischenbilanz einer Tagung, an der vor kurzem in Thun fast 200 Wissenschafter aus aller Welt teilnahmen.
«Auch der Süden hat ein Recht auf Bildungskapital», erklärte Hans Hurni, Direktor des Swiss National Centre of Competence in Research North-South (NCCR), an der Konferenz.
«In Schwarzafrika beispielsweise stehen heute pro Einwohner 500 mal weniger Mittel für Forschung zur Verfügung als in der Schweiz. Und das Bildungsbudget von Äthiopien mit seinen 65 Millionen Einwohnern entspricht ungefähr dem Budget der Universität Bern», so Hurni.
Partner im Süden
Die Internationale Forschungs-Zusammenarbeit der Schweiz richtet sich in der Regel auf die hochentwickelten Länder aus. Dagegen konzentriert sich das NCCR North-South auf die Kooperation mit Ländern des Südens und sieht sich als Instrument der gleichberechtigten Forschungs-Partnerschaft.
Drei Jahre nach dem Start des Programms arbeiten fast 400 Personen aus der Schweiz, Lateinamerika, Afrika und Asien an den wissenschaftlichen Grundlagen zur Linderung der sozialen, ökonomischen und ökologischen Probleme der Entwicklungsländer.
In einer langfristigen Optik führen sie gemeinsam Forschungsarbeiten durch, von denen die betroffene Bevölkerung direkt profitieren soll. Mit der Schaffung von Bildungskapital im Süden will die Schweiz einen nachhaltigen Beitrag zur Linderung der negativen Folgen des globalen Wandels leisten.
Neue Forschungs-Betrachtungsweise
«Die Förderung von jungen Forschern und Institutionen in den südlichen Partnerländern ist eines der Hauptanliegen des NCCR-Programms», sagte Heidi Diggelmann, Präsidentin des Forschungsrats des Schweizerischen Nationalfonds (SNF), gegenüber swissinfo.
Das NCCR-Programm ist für Diggelmann ein Beispiel für die neue Betrachtungsweise der Forschung als transdisziplinäres Anliegen. «Es soll nicht von oben ein Problem festgelegt werden, das erforscht und dann nach unten abgeliefert wird.» Vielmehr solle der Forschungsansatz von unten her mitformuliert werden.
Diggelmann zieht eine positive Bilanz der ersten drei Jahre des NCCR-Programms. «Die Rückmeldungen sind erfreulich. Der partnerschaftliche Ansatz kommt voll zum Tragen, die Kontakte zwischen unseren Forschern und jenen im Süden sind ausgezeichnet.» Zudem beginne sich auch ein Netzwerk zwischen den Forschern im Süden aufzubauen.
«Infonauten» statt Astronauten
«Der mangelnde Zugang zu Wissen führt die Länder des Südens und Ostens in eine zunehmende Abhängigkeit der Industrieländer», mahnte Walter Fust, Chef der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA).
Durch ausgewogene wissenschaftliche Zusammenarbeit werde ein gerechterer Zugang zu Informationen geschaffen. Die gemeinsam erarbeiteten Forschungsresultate könnten vor Ort verbreitet und angewendet werden.
Information sei der Schlüssel zu einem besseren gegenseitigen Verständnis zwischen Nord und Süd, sagte Fust. «Die interkulturelle Kompetenz ist enorm wichtig, dazu braucht es ‹Infonauten›, nicht Astronauten.»
Nutzen entwicklungspolitisch umsetzen
Forschung im Bereich Entwicklung und Zusammenarbeit ziele auf die Stärkung der lokalen Partner im Süden ab, sagte Dora Rapold, DEZA-Leiterin des Bereichs Themen und Fachwissen, gegenüber swissinfo.
«Und das ist die Voraussetzung dafür, dass der Nutzen des NCCR-Programms auch umgesetzt werden kann. Das heisst: Es kommen nicht einfach die weissen Männer nach Afrika, sondern es sind die Afrikaner selber mit dabei, die dort leben und die Resultate dann auch einbringen können.»
Positive Bilanz
Die DEZA versuche, aus den NCCR-Programmen für die eigenen Entwicklungs-Projekte Synergien zu nutzen. Gerade auch deshalb zieht Rapold eine positive Bilanz der ersten drei NCCR-Jahre.
Ähnlich sieht es Noah Adamty aus Ghana, einer der gegen 200 Teilnehmer an der Tagung in Thun. Der doktorierende Student an der University of Ghana arbeitet in einem Austauschprogramm des Schweizerischen Tropeninstituts.
«Ich habe von dem Programm profitiert», sagte Adamty gegenüber swissinfo. «Die vielen wichtigen Erfahrungen werde ich nun in meinem Land anwenden können.»
swissinfo, Jean-Michel Berthoud
NCCR Nord-Süd: 2001 gestartet
Geplante Laufzeit: 12 Jahre
375 Personen aus der Schweiz, Lateinamerika, Afrika und Asien
Darunter 86 Doktorierende
Das NCCR Nord-Süd wurde vor drei Jahren lanciert. Für die ersten vier Jahre wurden 32,6 Mio. Franken bewilligt.
Die Forschenden in der Schweiz werden neben einem Beitrag der beteiligten Institution vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanziert. Die Südpartner werden von der DEZA mit einem gleich hohen Beitrag unterstützt.
Das NCCR Nord-Süd ist einer der 14 nationalen Forschungsschwerpunkte des SNF.
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