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Neues Patentrecht kommt Pharmaindustrie entgegen

Eine Gensequenz der DNA mit Erbgut, das patentiert werden kann. imagepoint

Nach der grossen hat auch die kleine Parlamentskammer ein neues Patentrecht verabschiedet, das den Schutz biotechnischer Erfindungen in der Schweiz neu regelt.

Das Parlament gab grünes Licht für die umstrittene Patentierung von Gensequenzen. Es kommt damit den Wünschen der Pharmaindustrie entgegen.

Biotechnische Erfindungen sollen mit dem neuen Patentrecht auf angemessene Weise geschützt werden. Die Zulassung von Generika wird beschleunigt.

Schranken werden der so genannten Bio-Piraterie gesetzt: Wird etwa ein Wirkstoff patentiert, der aus einer Pflanze im Amazonasgebiet stammt, muss seine Herkunft angegeben werden.

Im letzten strittigen Punkt folgte nach dem Bundesrat und dem Nationalrat auch der Ständerat den Forderungen der Pharmaindustrie: Patente für von natürlich vorkommenden Gen-Abfolgen abgeleiteteten Gensequenzen schützen nicht nur dieses Erzeugnis, sondern auch weitere mögliche Verwendungen der Gensequenz.

Enger gefasster Schutz abgelehnt

Eine Minderheit der ständerätlichen Rechtskommission (RK) hätte eine engere Formulierung gewünscht – vor allem zu Gunsten der Grundlagenforschung. Ihr Antrag, nur die Gensequenz und die im Patent konkret beschriebenen Funktionen zu schützen (und die abgeleiteten nicht), wurde mit 24 zu 14 Stimmen abgelehnt.

Die Berner Sozialdemokratin Simonetta Sommaruga hatte namens der Minderheit argumentiert, dass mit einem zu breit gefassten Patentschutz die Forschung behindert und die Kosten in die Höhe getrieben würden.

Sommaruga führte als Illustration den Fall der US-Firma Myriad ins Feld. Diese sicherte sich auf Grund der Entdeckung des Brustkrebs-Gens das weltweite Monopol auf Brustkrebs-Tests.

Daraufhin seien die Kosten für solche Tests um bis das Zehnfache gestiegen. Nun habe ein Forscher herausgefunden, dass dasselbe Gen auch für Darmkrebs ein Indiz sein könnte.

Weil das Patentrecht aber bei Myriad liege, habe er keine Gewähr, dass er seine Erfindung dereinst patentieren lassen könne.

Furcht vor kostentreibenden Monopolen

Auch der Antrag des Urner Christlichdemokraten Hansruedi Stadler, diese strittige Frage zur erneuten Abklärung an die RK zurückzuweisen, wurde verworfen. Sukkurs erhielt er vom Bündner Christoffel Brändli, Schweizerische Volkspartei.

Der Präsident des Krankenkassenverbandes santésuisse mahnte, ein zu restriktiver Patentschutz würde kostentreibende Monopole schaffen.

Blocher: Kompromiss nicht aufbrechen

Justizminister Christoph Blocher warnte davor, den mit Vertretern der forschenden Pharmaindustrie und der Forschung ausgehandelten Kompromiss aufzubrechen.

Mit dem Vorschlag des Bundesrates seien spekulative Patentierungen nicht möglich. Umgekehrt werde nicht nur ein «kleiner einzelner Teil der Gensequenz geschützt», wie dies KMU-Betriebe und Forschende an Hochschulen gewollt hätten.

Parallelimporte ausgeklammert

Parallelimporte patentgeschützter Güter klammerten die Räte aus dem neuen Gesetz aus. Abstimmungstaktische Argumente des Nationalrates überzeugten den Bundesrat von diesem Vorgehen.

Im April hatte der Bundesrat entgegen seinem Willen eine separate Vorlage zur Zulassung von Parallelimporten in die Vernehmlassung gegeben.

Das revidierte Patentgesetz wurde vom Ständerat mit 27 zu 0 Stimmen bei 7 Enthaltungen gutgeheissen. Dem Bundesbeschluss über die Genehmigung des Patentrechtsvertrages hiess der Rat mit 33 zu 0 Stimmen und ohne Enthaltung gut.

swissinfo und Agenturen

Ein Patent ist ein Schutztitel für Erfindungen.

Es verschafft seinem Inhaber für eine bestimmte Anzahl Jahre das ausschliessliche Recht, die Erfindung gewerbsmässig zu nutzen.

Er kann allen anderen (Firmen, Personen) die Herstellung, Vermarktung, Verwendung, Verkauf oder Einfuhr des Produktes untersagen.

Der Inhaber kann dieses Recht anderen übertragen, verkaufen oder lizenzieren.

Der Patentschutz gilt nur für jene Länder, in denen das Patent angemeldet und erteilt wurde.

Ein Gen ist ein bestimmter Abschnitt der DNS. DNS (Desoxyribonukleinsäure) ist die chemische Substanz, aus der die Gene bestehen. Fachleute schätzen, dass der Mensch zwischen 25’000 und 40’000 Gene besitzt.

Nicht jedes Gen hat die gleiche Anzahl Bausteine. Ein kleines Gen ist etwa 500 Bausteine lang und ein grosses mehrere hunderttausend. Die Abfolge der Bausteine in einem Gen kann verglichen werden mit einem Satz, in dem geschrieben steht, wie ein Eiweiss hergestellt wird.

Das heisst, ein Gen ist ein Eiweiss-Bauplan.

Natürlich vorkommende Gen-Abfolgen (Sequenzen) können mehrfach verwendet werden. Das Patent kann sich auf ein Erzeugnis daraus oder auf mehrere Verwendungen erstrecken.

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