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NGO greifen Novartis wegen Patentklage an

Glivec/Gleevec brachte Novartis 2005 Verdienste von mehr als 2,67 Mrd. Franken. Keystone

Im Gesundheitsbereich engagierte Organisationen fordern den Pharmakonzern auf, seine Klage gegen das indische Patentrecht zurückzuziehen.

Sie befürchten, dass ein Erfolg von Novartis schwerwiegende Folgen für den Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten weltweit haben könnte.

Der Novartis-Konzern entgegnet, dass er nur auf seinen geistigen Eigentumsrechten bestehe und nicht die Absicht habe, nachzugeben.

Novartis hat in den letzten zwei Monaten in Indien mehrere Klagen eingereicht. Eine davon betrifft die Einhaltung der Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) über das geistige Eigentum durch Indien.

Eine andere ist eine Patent-Klage für das Krebsmedikament Glivec. Novartis will mit der Klage erreichen, dass Glivec in Indien patentrechtlich geschützt wird und keine Generika von dem Medikament hergestellt werden können.

Schweizer NGO besorgt

Schweizer Organisationen, darunter die Entwicklungsorganisation Erklärung von Bern (EvB), sind besorgt, die Firma wolle versuchen, einen Bereich des indischen Gesetzes umzukippen.

Das Gesetz kann Patente auf Medikamente verweigern, wenn die darin enthaltenen Wirkstoffe bekannt sind und nur minim abgeändert werden.

Die Organisationen befürchten, dass damit die Produktion von erschwinglichen Medikamenten behindert würde. Dies sei gegen die Idee der WTO-Erklärung über öffentliche Gesundheit, welche den Regierungen eine gewissen Flexibilität bezüglich geistiges Eigentum einräume.

«Novartis will mit seinem Vorgehen die Möglichkeiten der indischen Regierung einschränken, Massnahmen zum Schutz des Gesundheitswesens ihrer Bevölkerung zu ergreifen und das Patentsystem besser dem sozialen und wirtschaftlichen Umfeld anzupassen», heisst es in einem offenen Brief an Novartis-CEO Daniel Vasella.

«Auch beunruhigen uns die Folgen der von Novartis angestrebten Änderungen des indischen Rechts. Damit würde der Zugang zu wesentlichen und lebenswichtigen Generika (vor allem Medikamente gegen HIV/Aids) nicht nur in Indien, sondern auch in den anderen Entwicklungsländern, welche die Medikamente aus Indien importieren, gefährdet», heisst es weiter.

Generika aus Indien

Laut der Organisation Médecins sans Frontières (MSF) ist Indien die Hauptversorgungsquelle für erschwingliche Generika. Vier von fünf Aids-Medikamenten, welche MSF in über 30 Ländern zur Behandlung der Patienten verwendet, sind Generika aus Indien.

Was Glivec betrifft, wären die jährlichen Kosten zur Behandlung mit dem lebensrettenden Medikament (32’000 Franken) zu teuer für Patienten in Entwicklungsländern.

Der von der Erklärung von Bern unterzeichnete Brief wird von zahlreichen Gruppen wie der Schweizer Aids-Hilfe, der Krebsliga Schweiz und Médecins sans Frontières Schweiz unterstützt.

Auch alt-Bundesrätin Ruth Dreifuss, Präsidentin der WHO-Kommission für die Rechte an geistigem Eigentum im Gesundheitswesen, unterstützt die Kampagne.

Kostenfaktor

In seiner Antwort auf den offenen Brief hält Novartis fest, dass Generika für den Grossteil der indischen Patienten nicht das richtige seien, da sie auch diese nicht bezahlen könnten.

«Generika werden die Probleme nicht lösen, da auch deren Preise vier bis fünf Mal über dem Niveau liegen, das durchschnittlich in Indien verdient wird», sagt Novartis-Sprecher John Gilardi gegenüber swissinfo.

«Einerseits ist es wichtig, dass man Indien lobt für seine Anstrengungen im Bereich des Schutzes von geistigem Eigentum», so Gilardi. «Andererseits geht es darum, in Indien ein Patentrecht für Glivec durchzusetzen, so wie es in 40 anderen Ländern auch der Fall ist.»

Laut Gilardi erhielten ohnehin 99% der indischen Patienten, die Glivec benötigen, das Medikament gratis. Und jene, die es nicht erhielten, sollen beim Glivec-Programm von Novartis vorstellig werden.

Unterschätzter Aufwand bei Innovationen

Was das indische Patentrecht betrifft, so würde dieses laut Gilardi klar über die Parameter hinausgehen, die von den WTO-Regeln bezüglich geistigem Eigentum gesetzt seien.

«Generell unterschätzt die Öffentlichkeit die sich bei der Entwicklung und der Vermarktung neuer Medikamente ergebenden Aufwendungen», sagt Gilardi. «Ohne eine Entschädigung für Innovation würde es eben keine Innovation mehr geben.»

Es gäbe keinen schnelleren Weg, den Zugang zu lebensrettenden Medikamenten in Indien zu versperren, als die Verweigerung von Patent-Rechten.

swissinfo, Adam Beaumont in Genf
(Übertragung aus dem Englischen: Susanne Schanda, Alexander Künzle)

Laut den NGO sind Generika-Versionen des Medikaments Glivec zehn Mal günstiger.
Man geht in Indien von jährlich rund 25’000 neuen Fällen von chronisch-myeloischer Leukämie aus.
Ein indisches Gericht wies im Januar 2006 den Patent-Antrag von Novartis für Glivec zurück.

Vor rund 5 Jahren hat der Schweizer Pharma-Riese Novartis ein grundsätzlich neues Medikament im Kampf gegen eine seltene Art von Krebs auf den Markt gebracht.

Das Heilmittel brachte dem Konzern 2005 einen Gewinn von über 2,67 Mrd. Franken, bei um einen Drittel erhöhten Umsätzen.

Der Konzern geht davon aus, dass mit seinem internationalen Programm zur Unterstützung von Glivec-Patienten (Glivec International Patient Assistance Program, GIPAP) seit Anfang 2002 in 79 Ländern mehr als 13’600 Patienten die kostenfreie Behandlung ermöglicht wurde, die sonst keinen Zugang zu dem Medikament gehabt hätten.

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