Novartis sucht Medikamente gegen Tropenkrankheiten
Der Basler Chemie-Riese Novartis forscht an einem neuen Institut in Singapur nach neuen Medikamenten gegen das Dengue-Fieber und die Tuberkulose – für einmal ohne primäre Gewinnabsichten.
An der Eröffnung des Labors am Montag nahm auch Bundesrat Pascal Couchepin teil, der gegenwärtig im asiatischen Stadtstaat weilt.
Das neu eröffnete Novartis Institute for Tropical Diseases (NITD) ist ein Partnerschaftschafts-Unternehmen, an dem auch die Wirtschaftsförderung von Singapur beteiligt ist. Das NITD verfügt über ein Budget von rund 200 Mio. Franken für die kommenden acht Jahre.
Rund 70 Wissenschafter und Techniker sowie 30 Studenten widmen sich in den NITD-Laboren der Erforschung von Krankheiten, die vor allem in armen Ländern auftreten. Das Institur ist in Biopolis angesiedelt, einem Forschungs-Zentrum für Bio-Chemie und -Medizin.
Erklärtes Ziel des NITD ist es, bis 2008 mindestens zwei neuartige Wirkstoffe bis in die klinische Testphase zu bringen und bis 2013 den Patenten zur Verfügung zu stellen. Das Besondere dabei: Die Therapien sollen auf nicht gewinnorientierter Basis verfügbar gemacht werden, wie das Chemieunternehmen herausstreicht.
Vasella gesteht Versäumnis ein
Mit dem Institut wolle Novartis der armen Weltbevölkerung helfen, sagte Novartis-Chef Daniel Vasella bei der Eröffnung. Nicht zu Unrecht stehe die Pharmaindustrie zudem seit längerem in der Kritik, zu wenig für Krankheiten in Entwicklungsländern zu tun: Dies treffe auch auf Novartis zu.
Couchepin lobte das Engagement von Novartis: Die Eröffnung eines solchen Instituts sei keine selbstverständliche Geste für ein Privatunternehmen. Die industrialisierte Welt habe eine Verpflichtung im Kampf gegen tropische Krankheiten, so der Schweizer Wissenschafts-Minister.
Mit gutem Beispiel vorangehen
Bisher waren Medikamente gegen Tropenkrankheiten auf dem sonst überaus lukrativen Chemie-Markt nicht interessant. Die Entwicklung solcher Mittel mache als Beitrag eines Pharmaunternehmens viel mehr Sinn als etwa Geldspenden, betonte Novartis-Forschungs-Chef Paul Herrling in Singapur. Überhaupt sei es «keine gute Idee», Tropenkrankheiten zu ignorieren, sagte er mit Verweis auf die Sars-Epidemie.
Die vom NITD entwickelten Medikamente sollen in armen Ländern zwar ohne Profit abgegeben werden. Novartis will dennoch die Eigentumsrechte nicht aus der Hand geben. Das sei eine «defensive Massnahme», für den Fall, dass ein Patent auch lukrativ eingesetzt werden könne, so Herrling.
Auch handfeste Interessen
Könnte Novartis Forschungsergebnisse für Medikamente in entwickelten Ländern verwerten, werde aber ein Teil des Erlöses an das NITD zurückfliessen, versicherte der Forschungs-Experte.
Herrling strich heraus, dass sich am Standort Singapur mit dem NITD Forschungs-Synergien erzielen liessen. Zudem gewähre der Stadtstaat steuerliche Vorteile, die es der Pharmaindustrie erlaubten, einzelne Forschungszweige auszulagern.
Dengue-Fieber und TB auf dem Vormarsch
Sowohl das Dengue-Fieber wie auch die arzneimittelresistente Tuberkulose sind heute auf dem Vormarsch. Mit dem von Moskitos übertragenen viralen Dengue-Fieber stecken sich jährlich rund 50 Mio. Menschen an. Die Krankheit kann vor allem bei Kindern tödlich verlaufen. Ein Medikament existiert bis heute nicht.
An Tuberkulose sterben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gemäss jährlich etwa zwei Mio. Menschen. «Jede Sekunde infiziert sich jemand mit TB. Die Krankheit ist weltweit mittlerweile die dritthäufigste Todesursache bei Menschen im Alter zwischen 15 und 59 Jahren», so Daniel Vasella.
WHO reagiert
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Bekämpfung der arzneimittelresistenten TB zur vordringlichen Aufgabe erklärt, da jedes Jahr primär in Osteuropa und Zentralasien über 300’000 neue Fälle auftreten.
Auch in Entwicklungsländern ist TB verbreitet, sehr oft bei Patienten, deren Immunsystem infolge einer HIV-Infektion geschwächt ist. Und in Zentralasien und Osteuropa treten immer mehr Erreger auf, die gegen Antibiotika resistent sind.
swissinfo und Agenturen
Jedes Jahr infizieren sich in Osteuropa und Zentralasien über 300’000 Menschen mit Tuberkulose.
Ein Drittel der Menschheit ist mit dem Bakterium infiziert.
50 Mio. Menschen stecken sich pro Jahr mit dem Dengue-Fieber an, das von Moskitos übertragenen wird.
Das NITD-Budget beträgt bis 2013 200 Mio. Franken.
Im Novartis Institute for Tropical Diseases (NITD) entwickeln Forscher Medikamente gegen Tropenkrankheiten.
Dieser Forschungszweig wurde bisher von den Chemie-Unternehmen vernachlässigt.
Novartis will die Medikamente dereinst ohne Profit abgeben.
Die Eigentumsrechte bleiben aber beim Unternehmen.
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