Patienten mit Ärzten unzufrieden
In der Schweiz sind Patientinnen und Patienten unzufrieden: Sie bemängeln bei ihren Ärztinnen und Ärzten die Information, die Mitsprache und die Prävention.
Dabei bezahlen sie im internationalen Vergleich am meisten für die Gesundheit.
Drei Viertel der Schweizer Patientinnen und Patienten wollen mehr Mitsprache bei der Arzt- und Spitalwahl sowie bei der Wahl der Behandlung.
Nur ein Drittel empfindet die Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten als ausreichend. Zwei Fünftel fühlen sich ungenügend über neue Behandlungs-Möglichkeiten informiert. Und mehr als die Hälfte zeigt sich enttäuscht über ihre Auswahlmöglichkeiten.
Diese Ergebnisse sind Teil einer internationalen Studie, die am Mittwoch vorgestellt wurde. Sie vergleicht Gesundheitssysteme und die Zufriedenheit der Patienten in Deutschland, Italien, Spanien, Schweden, Grossbritannien, Polen, Slowenien und der Schweiz.
Alle wollen dasselbe
«Die Menschen geben sich immer weniger mit der Rolle als passive Empfänger einer Behandlung zufrieden und fordern eine aktivere Rolle als Teilnehmer des Gesundheitssystems», folgerte Studien-Leiterin Angela Coulter vor den Medien.
Die Gesundheitssysteme in Europa seien zwar unterschiedlich, die Vorstellungen seien aber ähnlich, sagte sie. Bei der Behandlung von Krankheiten forderten die Patienten überall mehr Verantwortung.
Im Vordergrund stehen laut der Studie drei grundlegende Patientenbedürfnisse: Information, Mitbestimmung und die freie Wahl des Leistungs-Erbringers.
In keinem der acht erfassten Länder fand auch nur die Hälfte der Befragten, dass die Ärzte ihnen immer genügend Zeit und Aufmerksamkeit entgegen brächten.
«In der Schweiz wollen 91% der 1000 befragten Personen bei medizinischen Behandlungs-Entscheiden einbezogen werden», führte Jen Wang vom Schweizer Forschungsteam aus. «Aber nur 63% werden schon heute so mit einbezogen, wie sie sich das wünschen.»
Arztbild im Wandel
Tendenziell legen laut der Studie jüngere Menschen grösseren Wert auf Mitbestimmung. Es sei jedoch so, dass vor allem alte Leute krank würden, sagte Margrit Kessler, Präsidentin der Schweizerischen Patienten- und Versichertenorganisation. Diese hätten ein anderes Ärztebild als ein Grossteil der Befragten und wollten keine Verantwortung übernehmen.
Die Mehrheit der Befragten spricht sich jedoch dafür aus, dass jeder Einzelne mehr Verantwortung für die eigene Gesundheit übernehmen sollte.
Die Ärzte und Apotheker wüssten zwar von der Forderung nach mehr Mitverantwortung, sagte Wang. Sie würden den Patienten aber nicht zutrauen, dass sie damit vernünftig umgehen könnten.
Nicht nur das Beste herauspicken
Unterschiede in der Beurteilung gibt es auch bei der Prävention: Die Befragten bezeichnen diese als eher wichtig und wollen ein besseres Angebot. Die Experten glauben hingegen laut der Studie, dass Prävention die Bürgerinnen und Bürger nicht interessiere.
Zudem falle auf, dass die Leute sich bei der Prävention nur das herauspickten, was ihnen gefalle, sagte der Präsident der Ärztegesellschaft des Kantons Zürich, Urs Stoffel: «Wenn es um die Bezahlung eines Abos fürs Fitness-Studio geht, wird Prävention gross geschrieben.» Deutlich weniger gross sei das Interesse aber, wenn es um Massnahmen gehe, die den Lebenswandel verändern sollen.
Mit der Qualität zufrieden
Was die Qualität angeht, gibt die Öffentlichkeit dem Schweizer Gesundheits-System gute Noten. Ärzte und Spitäler sind frei wählbar und alternative Behandlungsmethoden werden teilweise von der Grundversicherung übernommen.
Über die Hälfte der Bevölkerung glaubt, dass die Gesundheitsversorgung in der Schweiz besser ist als überall sonst auf der Welt.
Dafür bezahlen die Schweizerinnen und Schweizer jedes Jahr durchschnittlich 5250 Franken –am meisten aller untersuchten Länder.
swissinfo und Agenturen
«The European Patient of the Future», Angela Coulter and Helen Magee, Picker Institute Europe.
Für die Studie wurden im Juli 2002 je rund 1000 repräsentativ ausgewählte Personen in der Schweiz, Deutschland, Italien, Spanien, Schweden, Grossbritannien, Polen und Slowenien befragt.
Die Untersuchungen in der Schweiz wurden von den Instituten für Sozial-und Präventivmedizin in Lausanne und Zürich durchgeführt.
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