Personenfreizügigkeit schadet dem Arbeitsmarkt nicht
Der freie Personenverkehr zwischen der Europäischen Union und der Schweiz hat bisher nur begrenzte Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Die Einwanderung bleibt unter Kontrolle.
Somit hätten die flankierenden Massnahmen ihre Wirkung getan, heisst es im Observationsbericht des Bundes, der am Donnertag präsentiert wurde.
In dreieinhalb Jahren Personenfreizügigkeit mit der EU sind in der Schweiz weder die Löhne eingebrochen noch ist die Arbeitslosigkeit explodiert. Eine Einwanderungswelle blieb aus. Wesentlich bedeutender als das Abkommen ist die Konjunktur.
In die Grenzregionen Genfersee, Tessin und Ostschweiz wanderten bis Ende 2004 etwas mehr Menschen zu als in die anderen Landesteile, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) sowie die Bundesämter für Migration (BFM) und Statistik BFS) am Donnerstag in einem gemeinsamen Bericht für die Zeit vom 1. Juni 2002 bis zum 31. Dezember 2005 mitteilten.
Mehr Zuwandernde aus EU/EFTA-Staaten
2005 ging die Zuwanderungsdynamik zurück, ein Indiz für einen vorübergehenden Effekt nach Inkrafttreten des Abkommens. Allgemein verstärkte sich die Zuwanderung von Menschen aus dem Raum der «alten» EU (EU 15) und dem EFTA-Raum leicht. Demgegenüber flachte die Zuwanderung aus Drittstaaten ab.
Die 15’300 Daueraufenthalts-Kontingente für Erwerbstätige aus EU und EFTA wurden in der ganzen Zeit ausgeschöpft. Die Kurzaufenthalte wurden trotz Umsteigens von den Daueraufenthalts-Kontingenten nie ganz ausgeschöpft. Auch 2005 betrug die Quote nur 68%. Alles in allem ist diese Entwicklung ein Spiegel der Konjunktur.
Einheimische weniger erwerbstätig
Die Öffnung des Arbeitsmarktes zeitigte keine Zunahme von Schweizer Arbeitslosen. Angehörige nördlicher und westlicher EU/EFTA-Länder bauten ihre Erwerbsbeteiligung zwischen 2003 und 2005 leicht aus.
Dafür ging die Erwerbsquote bei Einheimischen und Ausländern aus dem Süden zurück. Der Grund: Mehr Jugendliche steckten in Ausbildung und weniger über 65-Jährige arbeiteten noch. Auch nach Branchen blieb der Einfluss der Freizügigkeit auf die Arbeitslosenquote vernachlässigbar.
Am grössten war der Zuwachs an EU 15/EFTA-Ausländern in akademischen und technischen Berufen, wo auch Schweizer den grössten Beschäftigungszuwachs hatten. Geringer oder sogar rückläufig war die Beschäftigung von EU/EFTA-Angehörigen dagegen im Büro, bei Handwerkern und Hilfskräften.
Keine Wirkung auf die Löhne
Die Löhne gerieten nicht unter Druck. Ihre Entwicklung entsprach dem typischen konjunkturellen Verlauf. 2002 bis 2005 gab es in Branchen mit grosser Zuwanderung sowohl über- als auch unterdurchschnittliche Lohnerhöhungen.
Im Tieflohnsegment lassen sich keine Schlüsse über lohndämpfende Folgen ziehen, hiess es weiter. Im Baugewerbe und anderen Bereichen stiegen die tiefen Löhne unter-, im Gastgewerbe und weiteren Dienstleistungen dagegen überdurchschnittlich.
swissinfo und Agenturen
Nach dem Nein der Schweizer Bevölkerung zum Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) 1992, hat der Bundesrat bilaterale Verhandlungen mit der EU aufgenommen.
Im Mai 2000 wurde ein erstes Vertragspaket von zwei Dritteln der Bevölkerung angenommen. Darunter war das Abkommen, das eine schrittweise Einführung des freien Personenverkehrs ab dem 1. Juni 2002 vorsah.
Mit der EU-Erweiterung 2004 wurden diese Verträge automatisch auf die 10 neuen EU-Staaten ausgedehnt.
Um einen massiven Zustrom ausländischer Arbeitskräfte aus dem Osten zu verhindern, hat die Schweiz Anpassungen beim Abkommen über den freien Personenverkehr im Form eines Zusatzprotokolls beantragt.
Dieses Protokoll, das von der Schweizer Bevölkerung im September 2005 angenommen wurde, ist am 1. April 2006 in Kraft getreten.
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