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Pharmafirmen wollen keine Parallelimporte

Medikamente sind in der Schweiz fast doppelt so teuer wie anderswo.. Keystone

In der Schweiz laufen Bestrebungen das Verbot von Parallelimporten für patentgeschützte Medikamente aufzuheben. Die Pharmaindustrie läuft Sturm dagegen.

Politiker und Konsumenten-Organisationen finden: Fällt das Verbot weg, dann sinken die hohen Medikamentenpreise in der Schweiz.

Gemäss der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) sind in der Schweiz die Preise für Medikamente rund 40% höher als in den meisten andern Ländern.

Doch ist es verboten, das selbe Medikament preiswerter aus dem Ausland zu beziehen. So genannte Parallelimporte sind in der Schweiz verboten. Allerdings muss präzisiert werden. Nur patentgeschützte Medikamente, laut OECD 60% des Schweizer Marktes, dürfen nicht importiert werden.

Der Parallelimport von patentabgelaufenen Medikamenten ist in der Schweiz zugelassen. Rund 40% des Medikamentenmarktes, d.h. rund 2 Mrd. Franken als potentieller Markt, sind demnach für Parallelimporte zugänglich.

An einem Seminar zu Beginn dieser Woche warnte Interpharma, die Dachorganisation der Pharmaindustrie, dass Parallelimporte keineswegs zu Preissenkungen führen würden.

Standort Schweiz in Gefahr

Eine neue Studie der Londoner «School of Economics» zeige, so Interpharma, dass bei Parallelimporten in der EU die Importfirmen profitieren würden, nicht aber die Patienten oder die Krankenkassen.

«Im Endeffekt bleibt für den Endverbraucher praktisch nichts übrig», sagt Silvio Gabriel, Regionalleiter Europa, Mittlerer Osten und Afrika beim Schweizer Pharmamulti Novartis.

«In Deutschland sind es drei Prozent und in England nur ein Prozent. Das Argument, wir würden übermässig Gewinn machen oder die Preise nicht senken, sticht demnach nicht», sagt Gabriel gegenüber swissinfo.

Gabriel gibt weiter zu bedenken, dass die Pharmafirmen die Erträge bräuchten, um in die heute immer teurer werdende Forschung zu investieren. Parallelimporte würde sich demnach negativ auf den Forschungsstandort Schweiz auswirken.

«Wenn wir unsere Gewinne nicht halten können, gefährden wir unseren exzellenten Forschungs- und Produktionsstandort», sagt Gabriel.

Bernd Schips, Professor für Nationalökonomie an der ETH Zürich, fügt bei, dass auch die Gefahr bestehe, dass die Pharmafirmen die Schweiz verlassen würden, wenn das Verbot der Parallelimporte aufgehoben würde.

Kontrovers

Die Frage, ob Parallelimporte ja oder nein, bleibt strittig. Nachdem die Regierung zwei Studien in Auftrag gegeben hatte, entschied sie sich, den Status Quo beizubehalten.

Konsumentenorganisationen allerdings fordern von der Regierung ein Abkommen mit der EU, um Parallelimporte zu erleichtern. In der EU kann nämlich ein Medikament frei gehandelt werden, wenn es in der Union angemeldet ist.

Bisher weigerte sich die EU, über dieses Thema zu diskutieren. Dies hält Konsumentenschützer nicht davon ab, sich weiter aktiv für die Parallelimporte einzusetzen.

«Es ist eine Tatsache, dass die Gesundheitskosten Jahr für Jahr steigen, weil immer mehr und immer teurere Medikamente verschrieben werden», sagt Jacqueline Bachmann, Geschäftsführerin der Stiftung für Konsumentenschutz.

Sie ist überzeugt, dass Parallelimporte aus EU-Ländern wesentlich dazu beitragen würden, die Gesundheitskosten in der Schweiz zu senken.

Versuch wagen

Bachmann findet, der Gesetzgeber solle doch das Verbot der Parallelimporte auf patentgeschützten Medikamenten einfach aufheben. Dann würden sich die Auswirkungen zeigen.

«Es kann ja nun wirklich nicht so sein, dass alle Einsparungen in die Taschen der Importeure fliessen.» Der Markt würde es richten und dafür sorgen, dass parallel eingeführte Medikamente billiger würden, sagt Bachmann.

Für sie ist die starke Pharmalobby das Haupthindernis, um das Verbot der Parallelimporte in der Schweiz zu beseitigen.

«Ist es wirklich notwendig, Parallelimporte zu verbieten, weil Forschung und Entwicklung neuer Arzneimittel sehr teuer sind. Ist der Patentschutz dafür da», fragt sich die Konsumentenschützerin. «Das ist doch kein Grund, Parallelimporte zu verbieten.»

Swissinfo, Isobel Leybold-Johnson
(Übertragung aus dem Englischen: Urs Maurer)

Parallelimporte für patentgeschützte Medikamente sind in der Schweiz untersagt. Darunter fallen 60% aller Arzneimittel.

Der Parallelimport für Medikamente, bei denen der Patentschutz abgelaufen ist, wird erlaubt.

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