Pro Helvetia-Direktor: «Prägnante Präsenz markieren»
Der neue Direktor von Pro Helvetia, Pius Knüsel, will einzelne Projekte gezielter fördern, mit Geld und auch mit Wissen. Dies bedingt eine strengere Selektion. Ein Interview.
swissinfo: Pius Knüsel, Sie kennen Kultursponsoring durch Ihre Arbeit bei der Credit Suisse als ein Instrument, mit dem eine Firma auf sich aufmerksam macht. Wie wichtig ist solche Aufmerksamkeit für Pro Helvetia?
Pius Knüsel: Pro Helvetia muss auf sich aufmerksam machen. Sie soll sich aber dafür nicht der Mittel der Wirtschaft bedienen. Etwas polemisch formuliert: Sponsoring macht mit relativ wenig Geld viel Lärm. Die Pro Helvetia muss das auch machen, aber nicht unbedingt im einzelnen Projekt. Es geht nicht darum, dass die Pro Helvetia-Logos überall grösser werden. Aber sie muss eine permanente und prägnante Präsenz markieren und vor allem muss sie das im öffentlichen Bereich tun, im Bereich der Medien, der Kommunikation generell. Die Pro Helvetia muss deutlicher und offensiver erklären, was sie tut, warum sie’s tut und mit welchem Auftrag.
Mehr Aufmerksamkeit für pro Helvetia, was ist der Nutzen?
Pro Helvetia ist in den letzten Jahren in ein Spannungsfeld geraten, das sich weiterhin verschärfen wird, weil ständig neue Akteure im Bereich der Kulturfinanzierung auftauchen. Da gibt es zum Beispiel «Präsenz Schweiz», letztlich eine Werbeeinrichtung für die Schweiz, die mit Vorliebe auch kulturelle Inhalte benutzt um ihren Auftrag zu erfüllen. Es gibt das Bundesamt für Kultur, das auch eine eigene und immer stärkere Politik entwickelt in der Kulturförderung und da in gewissen Massen in Konkurrenz tritt zu Pro Helvetia. Neben diesen Akteuren muss die Pro Helvetia sich fragen: Welche Rolle kommt uns zu? Diese Rolle muss sie definieren und auch vertreten, um ihre eigene Existenz laufend zu legitimieren.
Empfinden Sie es als widersprüchlich, dass es so viele verschiedene Akteure mit ähnlichen Zielen gibt?
Ich finde es eine unglückliche Situation. Es ist ein Problem, das unser Land insgesamt heimsucht: Es gibt zuwenig zentrale gestaltende Kräfte. Es wäre einfacher, Pro Helvetia wäre der einzige und wichtige Kanal für Schweizer Kultur ins Ausland, soweit sie überhaupt staatlicher Förderung benötigt. Weil dies nicht so ist, muss die Pro Helvetia dafür sorgen, dass sie die leitende Institution wird in diesem Zusammenhang. Wenn alle ihre Aufgabe ernst nehmen ohne ständig über den Zaun zu fressen, kommen wir zu einem System, das letztlich der Kultur insgesamt dient.
Schliesslich geht es um mehr kulturpolitisches Gewicht, das Sie anstreben?
Auf jeden Fall. Ich glaube, die Pro Helvetia muss sich entfernen von der Position, dass sie ein grosser Geldtopf ist, aus dem verteilt wird. Diese grundlegende Aufgabe wird bestehen bleiben, aber Pro Helvetia muss auch das akkumulierte Wissen nutzen, die Kenntnisse, all die Beziehungen, die sie hat – um zu helfen, eine künftige Kulturpolitik zu formulieren.
Wie verstehen sie persönlich die Aufgabe von Pro Helvetia im und gegenüber dem Ausland?
Ich denke, Pro Helvetia kann sich nicht damit begnügen, Künstlern, die ins Ausland wollen, etwas an deren Reise oder Auftrittsbudget beizutragen und dann zu wünschen: Gute Reise und hoffentlich ist auch jemand da, der zuschaut oder zuhört. Ich denke, Pro Helvetia muss dafür sorgen, dass dort, wo der Künstler oder die Künstlerin ankommt auch der Umsetzungsprozess passiert. Sie muss dafür eine relativ grosse Verantwortung auf sich nehmen. Was wiederum mit Arbeit verbunden ist. Deshalb auch mein Ansatz: Die Pro Helvetia muss vielleicht in der Zahl von Projekten, die sie unterstützt zurückgehen. Und die, welche sie unterstützt, sollte sie mit Geld, Wissen und Rat unterstützen.
Werden Sie dabei inhaltliche Schwerpunkte setzen?
Nicht im Sinne, dass ich die Vielfalt der Inhalte beschneide. Aber innerhalb der einzelnen Sparten stell ich mir vor, dass die Pro Helvetia in der Zahl weniger Projekte unterstützt, diese jedoch stärker, essentieller und wirkungsvoller.
Hängt das auch mit dem Budget zusammen? Ihr Vorgänger Bernard Cathomas hat einmal gesagt, die rund 30 Millionen Franken pro Jahr würden nicht reichen, um den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen.
Es ist auch eine Frage des engen Budgetraums. Deshalb werden wir in der nächsten Vorlage ans Parlament dafür kämpfen, dass es mehr Geld gibt für die Pro Helvetia. Aber sie können das Budget sehr weit erhöhen, es wird immer an Geld fehlen. Pro Helvetia wird sich als Kulturförderer nie von der Aufgabe befreien können, relativ streng auswählen zu müssen. Nicht alles, was sich Kultur nennt, ist Kultur und ist es wert, gefördert zu werden. Hier gilt es für Pro Helvetia, Instrumente zu entwickeln für eine konsequente, nachvollziehbare, vor allem aber auch überzeugende Auswahl.
Pro Helvetia fördert den kulturellen Austausch im Ausland und auch im Inland. Welchen Aspekt gewichten Sie stärker?
Da im Inland sehr viel Kultur gefördert wird und die Gemeinden und vor allem die Städte über wachsende Kulturbudgets verfügen, mein ich, dass der Auslandaspekt der gewichtigere ist.
Kathrin Boss Brawand
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