Pro Helvetia krempelt Kulturarbeit in Italien um
Die Kulturstiftung Pro Helvetia überträgt dem Schweizer Institut in Rom (ISR) per Leistungsauftrag im Jahr 2005 die gesamte kulturvermittelnde Tätigkeit in Italien.
Die bisherigen Pro-Helvetia-Kulturzentren von Mailand und Venedig werden Antennen des Instituts, das auch eine wissenschaftliche Neuausrichtung erfährt.
Diese Lösung rettet zwar das finanziell angeschlagene Istituto Svizerro di Roma, sorgt aber nicht nur für Zustimmung.
Seit geraumer Zeit bedrohten massive finanzielle Schwierigkeiten die Zukunft des Schweizer Instituts in der italienischen Hauptstadt. Dieses befindet sich mitten im Zentrum Roms in der repräsentativen Villa Maraini.
1946 war das herrschaftliche Gebäude von der Familie Sommaruga der Eidgenossenschaft vermacht worden. Seit 1949 ist es Heimstätte für Künstler- und Wissenschafter-Stipendiaten. Dazu kam ein limitiertes, öffentliches Kulturangebot.
Die Lösung der Finanzprobleme hat der ISR-Stiftungsrat vor einigen Wochen gefunden, indem das Institut umgewandelt wird in ein Schweizer Wissenschafts- und Kulturzentrum, das auf ganz Italien ausstrahlen soll.
ISR erhält Leistungsauftrag von Pro Helvetia
Der eigentliche Clou der Neuausrichtung ist die Leistungsvereinbarung mit der Pro Helvetia. Die Schweizer Kulturstiftung, die bisher 80’000 Franken pro Jahr ins ISR einspeiste, wird neu 825’000 Franken an das Institut überweisen.
Damit stehen dem ISR für die Kulturarbeit dieselben Mittel für Personal und Programm zur Verfügung, wie für das Centro Culturale Svizzero (CCS) der Pro Helvetia in Mailand und das ISR Rom bisher gemeinsam budgetiert waren. Neben dem Altphilologen Christoph Riedweg, ab Frühjahr 2005 neuer wissenschaftlicher Direktor, wird Domenico Lucchini, der bisherige Leiter des CCS in Mailand, als kultureller Direktor walten.
Das Institut wird dank dem Leistungsauftrag der Pro Helvetia zum Mittelpunkt der Schweizer Kulturtätigkeit in Italien. Das bisherige CCS in Mailand und der Kulturraum in Venedig werden zu Ablegern des Instituts in Rom. «Gerade um Konfusion und interne Konkurrenz zu vermeiden, begrüssen wir an der aktuellen Lösung, dass sie die ganze Italienarbeit in die Hände eines Partners legt», sagt Pro-Helvetia-Direktor Pius Knüsel.
Was will Pro Helvetia wirklich?
Doch diese Lösung ist nicht unumstritten. Carlo Piccardi, ehemaliger Stiftungsrat von Pro Helvetia und langjähriger Leiter des Tessiner Kultur-Radiosenders «Rete 2», nannte das Konstrukt eine Scheinlösung, die verschleiere, dass Pro Helvetia ihr Engagement in Italien in Wahrheit langsam zurückziehen und keine direkte Verantwortung mehr für Italien übernehmen wolle.
Diese Kritik weist Pius Knüsel entschieden zurück. «Die Vereinbarung mit dem ISR festigt das Italienengagement von Pro Helvetia sogar auf mehrere Jahre hinaus; das ist ein Novum», erklärt er gegenüber swissinfo. Zudem sei mit Domenico Lucchini als künftigem kulturellem Leiter des ISR die konzeptionelle wie die qualitative Kontinuität gewährleistet.
Auch Domenico Lucchini sieht mehr Vor- als Nachteile: «Dank dieser Operation werden wir die Kulturpräsenz in Italien mittelfristig sichern können». Es werde in Anbetracht der Partner und eingegangenen Verpflichtungen für Pro Helvetia eher schwieriger werden, sich aus der Italienarbeit zurückzuziehen.
Abwertung des CCS in Mailand
Unausweichlich wird die neue Lösung allerdings zu einer Abwertung des Standorts Mailand führen. Immerhin konnte die erwogene Schliessung des CCS vermieden werden, auch weil sich Bundesrat Pascal Couchepin persönlich für die Weiterführung dieses Kulturraumes in der lombardischen Metropole eingesetzt hatte.
Für Dieter Bachmann, der bis vor wenigen Monaten das Schweizer Institut in Rom geleitet hatte und jetzt wieder als freier Schriftsteller wirkt, geht Pro Helvetia sogar als grosse Gewinnerin aus dem jüngsten Deal hervor. «Pro Helvetia ist in Italien nicht mehr länger eine Königin ohne Ländereien», sagt Bachmann zur Verschiebung der Zentrale vom Hochhaus in Mailand in die Villa von Rom. Die Villa Maraini sei hervorragend geeignet für die Kulturarbeit der Kulturstiftung.
Skeptisch ist Bachmann hingegen in Bezug auf die Zukunft des Instituts als wissenschaftlich unabhängige Einrichtung. Er hält es für bedenklich, dass das ISR nun am «Tropf von instituts-unabhängigen Institutionen» hängt.
Und auch hinter die Berufung des Altphilologen Riedweg setzt er ein Fragezeichen: «Ich habe absolut nichts gegen Gräzisten, doch in der heutigen weltpolitischen Situation und am Schnittpunkt der Kulturen im Mittelmeerraum dachte ich, dass eher ein Politologe oder Soziologe berufen wird, das heisst eine Person, die näher am aktuellen Zeitgeist ist als ein Altphilologe.»
swissinfo, Gerhard Lob
Das 1949 gegründete Schweizer Institut in Rom (ISR) hat seinen Sitz in der repräsentativen Villa Maraini im Herzen der italienischen Hauptstadt.
Getragen wird das Institut von einer Stiftung, die finanziellen Mittel stammen praktisch alle von der Eidgenossenschaft. Der Bund trägt auch die Kulturstiftung Pro Helvetia.
Pro Helvetia hat ab 2005 dem ISR per Leistungsauftrag die gesamte Kulturarbeit für Italien anvertraut. Der Leistungsauftrag ist jedoch umstritten. Er ist Teil einer wissenschaftlichen und kulturellen Neuausrichtung des Instituts.
Die Neuausrichtung spiegelt sich auch in der Instituts-Leitung: Wissenschaftlicher Direktor wird der Altphilologe Christoph Riedweg, kultureller Direktor Domenico Lucchini, bisher im Schweizer Kultur-Zentrum in Mailand tätig.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch