Rapper, Brennstoffszellen und Papierflieger
Bildung und Erziehung haben einen hohen Stellenwert – und sind ein Milliardengeschäft. Die internationale Bildungsfachmesse Worlddidac in Basel präsentiert neuste Bildungstrends und innovatives Unterrichtsmaterial.
Auf der Bühne stehen die drei Jugendlichen und singen im Hip-Hop-Stil an gegen Intoleranz, Gewalt und Gleichgültigkeit.
Auf den Zuschauerrängen in der Ecke der riesigen Halle der Messe Basel sitzen nicht Gleichaltrige, sondern Bildungsfachleute, Lehrerinnen und Lehrer, die zehn bis fünfzig Jahre älter sind als die Rapper.
Unter dem Motto: «Rap für Toleranz und RESPECT!» setzen sich die Jugendlichen aktiv mit diesen Themen auseinander.
Der Rap, ein Musik- und Lebensstil, mit dem sich heute die wenigsten Lehrerinnen und Lehrer identifizieren, hat auch die internationale Bildungsmesse Worlddidac erobert.
Die Lehrkräfte im Publikum sind beeindruckt. «So etwas möchte ich mit meiner Klasse auch machen», murmelt ein bärtiger Mitvierziger mit schütterem Haar. Andere Berufskollegen empfinden offenbar ähnlich.
Ihnen kann geholfen werden: Das Projekt «Schweizer Mundartrap» der Stiftung für Erziehung zur Toleranz (SET), hat ein ausgeklügeltes Unterrichts-Programm geschaffen, um mit Rap, diesem wichtigen Phänomen der aktullen Jugendkultur, einen Beitrag zur Verminderung der Jugendgewalt zu leisten.
Was ist Bildung, was ist Erziehung?
Das Bild der Schule hat sich verändert. Hier, an der Worlddidac, setzt man sich mit der Frage auseinander, was ist Bildung, was ist Erziehung und wofür ist die Schule zuständig.
Mit anderen Worten: Geht es in der Schule um Wissensvermittlung oder um Erziehung oder gar um beides?
Gesellschaftliches Ereignis
Junge und jung gebliebene Lehrerinnen und Lehrer streifen mit wachem Blick und grossem Interesse durch die Standschluchten der Ausstellungshalle.
Anderen sieht man dagegen an, dass ihnen der Beruf Mühe bereitet. Es sind müde, abgekämpfte Pädagogen, die an die Messe gekommen sind in der Hoffnung, hier neue Motivation, neue Kraft tanken zu können. Für sie werden auch Workshops zur Stressbewältigung angeboten.
Nicht zuletzt aber ist die Worlddiac ein gesellschaftliches Ereignis. Man trifft sich, plaudert und tauscht sich aus.
Buntes Angebot
Das Gespräch mit Kollegeninnen und Kollegen ist zwar wichtig, die beinahe unüberschaubare Vielfalt an Unterrichtshilfsmitteln verlockt aber auch zum Umherstreifen.
Hier eine kleine, nicht repräsentative Auswahl: Da sind die Hightech-Papierflieger, die mit ihren beeindruckenden Flugeigenschaften den ausprobierenden Lehrerinnen und Lehrern grossen Spass machen.
Nicht weit davon entfernt steht der Stand mit Solar-Wasserstoff-Systemen und Brennstoffzellen-Modell-Autos für Schulen und Hochschulen.
Dann die Neuauflage der guten alten Wandtafel. Heute lässt sie sich elektronisch beschreiben, bietet Lupen- und Zoom-Funktionen. Gleich daneben der Stand des Schweizerischen Instituts für Gewaltprävention.
Teleskope, um in andere Galaxien sehen zu können, und Mikroskope, um auch die kleinsten Details nicht zu verpassen, führen an einem anderen Stand eine friedliche Koexsistenz.
Multifunktionale Schulmöbel
Die Unterrichtsorganisation verändert sich ständig. Die Zeiten, als die Lehrkraft vor der Klasse stand und dozierte, sind vorbei.
Heute wird in wechselnden Gruppen gearbeitet, man sitzt, lehnt oder steht am Pult, das einfach, ohne Kraft- oder Werkzeugaufwand vom Schulkind in der Höhe verstellt wird.
Da viele Klassenzimmer noch nicht diesen neuen Gegebenheiten angepasst sind, bietet sich für Schulmöbelhersteller ein lukratives Geschäftsfeld.
Schulbücher nach wie vor in
Schulbücher dürfen an einer Bildungsmesse natürlich nicht fehlen. Für fast jedes erdenkliche Thema wird ein Buch oder Themenheft angeboten.
Den stärksten Zulauf erleben jene Anbieter, die Kopiervorlagen im Programm haben. Das hat sich – trotz neuer Unterrichtsformen – nicht geändert.
Lehrmittel zur aktuellen Finanzkrise sucht man allerdings vergebens, denn die Schulbuchverlage könnten nicht so schnell reagieren, sagt ein Autor eines schweizerischen Lehrmittelverlags gegenüber swissinfo.
Immerhin will man nun Internetangebote schaffen, dank denen man künftig schneller auf aktuelle Ereignisse reagieren kann.
swissinfo, Etienne Strebel in Basel
Bis am 31. Oktober präsentieren auf einer Fläche von rund 20’000 Quadratmetern 423 Aussteller aus 31 Ländern Neuheiten und Entwicklungen auf dem Gebiet der Pädagogik.
39% der Aussteller kommen aus der Schweiz, 42% aus Europa und 19% aus Übersee.
Die Ausstellung will politischen Entscheidungsträgern, Bildungsexperten und Lehrpersonen aller Schulstufen einen umfassenden Überblick über das nationale und internationale Bildungsangebot vermitteln.
Mit Podiumsgesprächen und Referaten soll das gesamte Spektrum des Berufsalltages abgedeckt werden. Diskutiert werden Themen aus den Bereichen Heilpädagogik, Aufgaben von Schulleitungen, aber auch Lehrabbruch, der Übergang vom Kindergarten in die Schule, Gewaltprävention oder die Problematik von Mobiltelefonen im Schulalltag.
Zudem stellt das Bundesamt für Sport seine Programme zur Bewegungsförderung vor. Attraktives Aushängeschild: der ehemalige Snowboard-Olympiasieger Gian Simmen.
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