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Saurierland Schweiz

Ein vollständig erhaltener Stegosaurus von der Howe-Ranch in Wyoming. swissinfo.ch

Das Sauriermuseum im zürcherischen Aathal ist in der neusten Sonderausstellung den Urechsen der Schweiz auf der Spur.

Direktor Hans Jakob Siber hingegen hat sein Paradies in den USA gefunden, wo er sensationelle Funde gemacht hat – und immer weiter gräbt.

Die Vielfalt ist überwältigend: Riesenechsen in allen erdenklichen Formen, mit Hörnern und beängstigenden Zähnen, schwimmende Fabelwesen und Schildkröten gross wie ein Auto. «Es ist ein Maskenball der Tierwelt», sagt Direktor Hans Jakob Siber.

«Diese bizarren, verrückten Tiere, die haben es mir angetan», betont der Gründer des Sauriermuseums Aathal, und die Begeisterung steht ihm ins Gesicht geschrieben. «Sie haben die extremsten Lebensformen ausgebildet, die je auf unserem Planeten existierten.»

Die Saurier sind seit 30 Jahren sein Leben. «Sie sind so etwas wie die Pharaonen in der Archäologie: die Verkörperung des vergangenen Lebens schlechthin», erklärt er.

Wegen Geldmangel eröffnet

Siber ist die prägende Person im Sauriermuseum Aathal. Seit einer Neuorientierung vor 30 Jahren hat sich der 63-Jährige ganz und gar den Fossilien verschrieben. Zuerst spezialisierte er sich auf den Verkauf an Museen.

Doch Ende der 80er-Jahre habe in vielen Ländern die öffentliche Hand den Geldhahn für die Museen zugedreht. «Sie konnten die tollen Stücke, die wir schon ausgegraben hatten, gar nicht mehr erwerben.» Die Idee eines eigenen Museums war geboren.

Die erste Ausstellung 1992 war ein voller Erfolg. Ein Jahr darauf konnte Siber in der ehemaligen Spinnerei Aathal die Pforten öffnen. Seither ist das Museum immer weiter gewachsen, bis zum eigenen Präparatorium, wo Arbeiten beobachtet werden können.

Saurierland Schweiz

Dazu gehören auch die Sonderausstellungen, von denen einige permanent im Museum geblieben sind.

Die neuste heisst «Saurier der Schweiz» und zeigt die Vielfalt der Funde in einem Land, von dem man bis vor wenigen Jahren angenommen hatte, es sei zur Saurierzeit unter Wasser gewesen.

Die Funde von Saurierspuren in den letzten Jahren bewiesen jedoch eindeutig, dass die in der Schweiz gefundenen Knochen nicht nur angeschwemmt worden waren.

«Fast die Hälfte der heute bekannten Funde sind in den letzten zehn Jahren gemacht worden. Dadurch ist das Saurierland Schweiz nicht mehr ein weisser Fleck auf der Landkarte», sagt Siber. Diese neu zu entdeckende Fauna soll mit der Ausstellung nun dem Publikum näher gebracht werden.

Als eigentliches Dorado für Saurierfunde sieht Siber die Schweiz jedoch nicht. Es fehle an Wüstenlandschaften, in denen die Geologie offen liege. Zudem sei sie derart überbaut oder bewaldet, dass die Suche enorm schwierig sei.

Doch Fundorte wie die Fährtenplatte bei Courtedoux im Jura zeigten, dass bei Bauvorhaben wie einer Autobahn auch in der Schweiz immer wieder Funde möglich sind.

Ausgrabungsmekka Wyoming

Schliesslich hat Siber sein Paradies auch nicht in der Schweiz gefunden, sondern in den USA, im Bundesstaat Wyoming, wo eben diese Wüstenlandschaft anzutreffen ist. Seit 1990 gräbt er mit seinem Team an einer historisch bekannten Stelle.

In einem Tagebuch über die Ausgrabungen von Barnum Brown, Entdecker des ersten Tyrannosaurus Rex, stiess er auf ein Kapitel über die Howe-Ranch. Die dortige Grabung war mittendrin abgebrochen worden, die Forscher kehrten nie zurück.

«Das hat mich dann so in den Fingern gejuckt, dass ich schon drei Wochen später auf der Fundstelle gestanden bin», erzählt Quereinsteiger Siber. Die Verhandlungen mit dem privaten Besitzer des Landes hätten schliesslich «ziemlich abenteuerlich geklappt», so dass bald schon mit ersten Grabungen begonnen werden konnte.

Weltweit einmalig

Und die Funde konnten sich sehen lassen. Praktisch vollständig erhaltene Exemplare der klassischen Arten der Oberjura-Zeit.

Die Langhals-Saurier Camasaurus, Diplodocus, Barosaurus sowie sein Lieblingsstück, ein Fleisch fressender Allosaurus. «Ein wunderbares, komplettes Exemplar.»

Die Fundstelle entpuppte sich als einzigartiges Dino-Massengrab, in einer acht Meter tiefen Schicht übereinander gestapelt.

«Wie Sardinen in der Büchse, aber übereinander», beschreibt Siber. «Es gibt weltweit keine ähnliche Fundstelle.»

Der Museumsdirektor vermutet, dass sich die toten Saurier nach Überschwemmungen in den Vertiefungen eines abgeschnittenen Flussarms angesammelt haben. «Das können wir heute Schicht um Schicht rekonstruieren.»

Doch noch gebe es einige Fragen zu klären, meint er. «Und deshalb wollen wir in den nächsten Jahren dort weiter graben.»

swissinfo, Christian Raaflaub, Aathal

Die Schweiz, vermutete man lange, war zur Zeit der Dinosaurier vom Meer bedeckt.

Die spektakulären Funde der letzten Jahre zeigten nun aber, dass dies nicht während der ganzen Zeit der Fall war.

So belegen Fährtenfunde eindeutig, dass sich Saurier auf dem Gebiet der heutigen Schweiz aufgehalten haben.

Verschiedene naturhistorische Museen sowie die beiden Sauriermuseen Aathal und Frick widmen sich in der Schweiz den Urechsen.

Pro Jahr besuchen 70’000 bis 80’000 Personen das Sauriermuseum Aathal.
Rund 350 Exponate werden gezeigt.
Im Museum sind 25 Personen angestellt.
Die Sonderausstellung «Saurier der Schweiz» dauert bis Ende April 2007.

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