Schauen und hören, was die Schweiz macht
Die Schweizer Kulturszene ist immer häufiger Gast im Ausland. Neustes Beispiel: das deutsche Kulturfestival "scene: schweiz in nrw".
Die Deutschen sind vor allem vom jungen, zeitgenössischen Schweizer Kulturschaffen begeistert.
«Die kleine Schweiz hat Grosses zu bieten», sagt Burkhard Rinsche, Koordinator der Internationalen Kulturtage Dortmund, unter deren Leitung das Schweizer Kulturfestival im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) steht.
«Wir waren positiv überrascht, wie viel Innovatives und Junges es in der Schweiz gibt, die ja landläufig ein bisschen unter dem Verdacht steht, eher behäbig zu sein», so Rinsche gegenüber swissinfo.
Über London in den Ruhrpott
Von Mai bis Juni präsentiert das deutsche Bundesland in ausgewählten Städten das Schweizer Kulturfestival «scene: schweiz in nrw». Es ist dieses Jahr schon das zweite Mal, dass sich die junge Schweizer Kultur in einem grösseren Rahmen im Ausland präsentiert und mit lokalen Künstlerinnen und Künstlern zusammenarbeitet.
Im Februar hatte die erste Liga der Schweizer Elektromusik-Szene am Londoner Festival «La Suisse East London» schweizerische Kreativität direkt ins Herz des Nachtlebens und der Coolness gebracht. Wichtige britische Medien waren des Lobes voll.
Doch nicht nur London konnte von der Plattform für die Schweizer Kultur profitieren. Einige der Schweizer Künstler seien seither auf Radio-Playlists der BBC und anderer Stationen präsent, sagt Sabina Schwarzenbach, Leiterin Kommunikation der Kulturstiftung Pro Helvetia.
Die Stiftung ist neben der Förderung des zeitgenössischen Kunstschaffens auch für den Kulturaustausch und den Dialog der Kulturen in der Schweiz und im Ausland verantwortlich.
«Wir wollen nicht nur das Schaufenster öffnen und zeigen, sondern wir möchten, dass diese Künstlerinnen und Künstler miteinander in Kontakt treten, voneinander lernen und sich auch gegenseitig befruchten», erklärt Schwarzenbach.
Offene Schweizer
Und für diese Art von völkerübergreifenden Co-Produktionen, wie sie bald auch im Ruhrpott zu sehen und hören sind, seien die Schweizer prädestiniert, meint Burkhard Rinsche. Bei der Recherche für das Festival sei er auf eine «sehr grosse Offenheit» gestossen.
«Ich glaube, das hat etwas mit dem Land zu tun, oder mit der Tradition einer direkten Demokratie, einer sehr dialogischen Struktur, die sich dann auch in der künstlerischen Produktion wiederfindet.»
Schwarzenbach pflichtet ihm bei: «Aus unserer Tradition und Kultur heraus sind wir uns gewöhnt, auf Fremdes zuzugehen. Das ist ja nur schon innerhalb der Schweiz mit ihren verschiedenen Sprachregionen ein Anspruch.»
Kreuz und quer
Grenzüberschreitungen gibt es am Festival nicht nur zwischen deutschen und schweizerischen Kunstschaffenden zu beobachten, sie werden auch mannigfaltig zwischen den einzelnen Kunst-Sparten gewagt.
Auf dem Programm stehen insgesamt 150 Veranstaltungen zeitgenössischer Kunst. Das Spektrum reicht von Tanz, Theater, Musik und Film über Literatur, Bildende Kunst bis zu Architektur und Wissenschaft.
«Für uns Deutsche kann die Schweiz hier ein aussergewöhnlich junges Programm vorstellen. Mit vielen, auch neuen, innovativen Produktionen», sagt ein begeisterter Rinsche.
Weit gefasster Kunstbegriff
Der Bogen der Veranstaltungen spannt sich über Slam Poetry zur filmischen Auseinandersetzung mit dem Tunnelbau, von der Elektropop-Performance zur Zen-Meditation in der Kunst oder vom Alphorn bis zur Multimedia-Ausstellung «So wie die Dinge liegen» auf dem ehemaligen Dortmunder Stahlstandort Phönix.
Ein weiterer Publikumsmagnet könnte «Wind der Hoffnung» im Gasometer Oberhausen werden, wo der Breitling Orbiter 3 in voller Grösse und samt Kapsel gezeigt wird. Jener hoch technisierte Heissluftballon, mit dem der Schweizer Bertrand Piccard zusammen mit seinem britischen Co-Pilot Brian Jones erstmals Nonstop um die Erde geflogen war.
Weitere Veranstaltungsorte neben Oberhausen und Dortmund sind Aachen, Bonn, Düsseldorf, Köln, Münster und Witten, wobei die Internationalen Kulturtage der Stadt Dortmund mit über 90 Veranstaltungen aller Sparten im Zentrum des landesweiten Festivals stehen.
Nah und doch fern
Doch noch kennen die Deutschen wenig aus der Schweiz. «Ich glaube, es ist eine etwas verquere Dialektik von Distanz und Nähe,» sagt Rinsche. Deutschland orientiere sich kulturell eher in anderen Sprachräumen. Die Schweiz sei «fast zu nahe an der Nase».
Dies will Pro Helvetia nun etwas aufbrechen. Die Kulturstiftung erhofft sich durch das Festival eine längerfristige Kooperation von Künstlern und Kultur-Einrichtungen in NRW und der Schweiz. Schon heute bestünden viele Kontakte, so Schwarzenbach. «Und das wird die Präsenz der Schweiz noch verstärken können.»
Nächstes Ziel: Japan
Schon im Herbst zieht es die Schweizer Kunstgarde erneut ins Ausland. Im Oktober startet das kulturelle Rahmenprogramm der Weltausstellung 2005 in Japan. 20 Schweizer Kulturprojekte sind geplant.
Und auch dort steht die Zusammenarbeit mit der lokalen Kulturszene und der Aufbau nachhaltig wirkender kultureller Netzwerke im Vordergrund. Doch natürlich gehe es auch darum, «abzurücken von diesem traditionellen Bild der rückwärts gewandten Schweiz mit Heidi und Bergen», so Schwarzenbach.
Ein innovatives, dynamisches Bild der Schweiz solle vermittelt werden. «Und hier können wir von der Kultur her einen wichtigen Beitrag leisten.»
swissinfo, Christian Raaflaub
Die 37. Internationalen Kulturtage finden hauptsächlich im Mai und Juni statt.
Einzelne Veranstaltungen und Ausstellungen dauern oder finden bis Ende Oktober statt.
Das Programm wurde in enger Zusammenarbeit mit der Kulturstiftung Pro Helvetia erarbeitet.
Unterstützt wird das Festival auch von Präsenz Schweiz und dem Schweizer Generalkonsulat in Düsseldorf.
Die Internationalen Kulturtage Dortmund gibt’s seit 1957. Sie sind das älteste regelmässig stattfindende Kulturfestival Deutschlands.
Rund 20 europäische Länder waren bisher zu Gast. Das Festival will das jeweilige Gastland in seiner kulturellen Vielfalt vorstellen und den kulturellen Austausch fördern.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch