Schneekanonen – ein löchriger Wasserkreislauf
Im Kampf gegen die Klimaerwärmung setzen immer mehr Wintersportorte Schneekanonen ein. Kunstschnee gegen Schneemangel ünd für eine Verlängerung der lukrativen Wintersaison.
Die Auswirkungen der Anlagen auf die Umwelt sind noch wenig erforscht. Wasser- und Energieverbrauch sind allerdings nicht unproblematisch.
Der Winter war klein, Schnee vor allem in tiefern Lagen Mangelware. Dennoch war die Wintersaison für die Schweizer Seilbahnen «zwar unbefriedigend, aber nicht so dramatisch wie befürchtet».
Gemäss Hochrechnungen ging der Umsatz um 5% zurück. Die kleinen Wintersportgebiete in den Voralpen schnitten sehr schlecht ab. Anderswo wurden «gute bis sehr gute» Ergebnisse erzielt, im mildesten Winter seit Beginn der Messungen notabene.
Das hat damit zu tun, dass die Skifahrer dem Schneemangel in die höher gelegenen Destinationen ausgewichen sind, ist aber auch auf den immer mehr verbreiteten Einsatz von Schneekanonen zurückzuführen.
Vor allem renommierte Skigebiete setzen auf Kunstschnee. Laut der Internationalen Alpenschutzkommission sind in der Schweiz mehr als 330 Millionen Euro in Beschneiungsanlagen investiert worden. Ein Ende des Booms ist nicht abzusehen.
Die Klimaerwärmung gefährdet laut einem Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD immer mehr Wintersportgebiete. Gleichzeitig hat die OECD die Alpenländer ermahnt, Schneekanonen zurückhaltender einzusetzen.
Trocknen die Alpen aus?
Schneekanonen verbrauchen Wasser und elektrische Energie. Die langfristigen Auswirkungen auf die Umwelt sind umstritten und noch wenig erforscht.
Eine von 1999 bis 2001 vom Eidgenössischen Institut für Schnee- und Lawinenforschung Davos durchgeführte Studie kommt zum Schluss, dass die Planierung der Skipisten die Vegetation stärker verändert als der Kunstschnee.
Kürzlich warnten Wissenschafter an der Generalversammlung der Europäischen Geowissenschaftlichen Vereinigung.in Wien vor einem Austrocknen der Alpen.
Im gesamten Alpenraum würden rund 24 000 Hektar Skipisten mit rund 95 Mio. Kubikmetern Wasser im Jahr beschneit. Das entspreche dem Wasserverbrauch einer Grossstadt mit 1,5 Millionen Einwohnern, führte Carmen de Jong vom Hochgebirgsinstitut der Universität von Savoyen (Frankreich) aus.
Stromverbrauch einer Grosstadt
Die schon jetzt sichtbaren Folgen für die Umwelt: In den französischen Alpen etwa führten manche Flüsse in den Wintermonaten bereits bis zu 70% weniger Wasser als vor Einführung der Schneekanonen. Das hat negative Auswirkungen auf Flora und Fauna.
Bereits bei der Beschneiung selbst verdunsteten bis zu 30% des Wassers. Nur ein Teil falle als Schnee auf die Pisten. Um im Winter das Wasser aus den Reservoirs pumpen zu können, würden diese künstlich eisfrei gehalten, was grosse Mengen zusätzlich verdunsten lasse.
Auch der Stromverbrauch der Schneekanonen ist beträchtlich. Die Internationale Alpenschutzkommission beziffert ihn mit 600 GWh, was dem Jahresverbrauch von 130’000 Vier-Personen Haushalten enstpricht.
Kunstdünger am Lauberhorn
Für die Schweiz liegen weder zum Wasser- noch zum Stromverbrauch offizielle Zahlen vor. Laut dem Bundesamt für Umwelt hat das damit zu tun, dass die Gemeinden und Kantone für die Bewilligungen von Bescheiungsanlagen zuständig sind.
Schneekanonen produzieren nur bei Temperaturen von mindestens minus 4 Grad Kunstschnee. Seit einigen Jahren wird der Gefriergrad des Wassers mit Hilfe von künstlichen Zusätzen verändert.
Für Schlagzeilen sorgte im Januar der Einsatz von Kunstdünger für das Lauberhornrennen. Schnee war Mangelware, die Temperaturen zu hoch. Die Pistenbauer des Weltcup-Anlasses verteilten damals das Zwanzigfache der maximal empfohlenen Jahresmenge Ammoniumnitrat auf die Magerwiesen des Rennhanges.
Ergebnisse vor dem nächsten Winter
Nun will der Bund den Einsatz von Hilfsstoffen auf den Renn- und Skipisten unter die Lupe nehmen. Die Erhebung soll Klarheit schaffen, ob zum Schutz der Umwelt (alpine Pflanzen, Biotope, Grundwasser, Fliessgewässer) eine zusätzliche Reglementierung des Einsatzes dieser Stoffe notwendig ist.
Dabei sollen die Bedürfnisse «sowohl der Umwelt wie auch der Wintersportaktivitäten» berücksichtigt werden. Noch vor der nächsten Wintersaison ist eine Veröffentlichung der Ergebnisse geplant.
swissinfo, Andreas Keiser
In der Schweiz werden rund 20% der Pisten künstlich beschneit.
Das entspricht einer Verdoppelung innerhalb von 5 Jahren.
Vor 10 Jahren betrug der Anteil noch weniger als 5%.
Experten und die Seilbahnbranche rechnen damit, dass sich die Zahl der künstlich beschneibaren Pistenkilometer in den kommenden 5 Jahren verdoppelt.
Der Verband Seilbahnen Schweiz beziffert den Investitionsbedarf auf 800 Mio. Franken.
Im Skigebiet zwischen Adelboden und Lenk im Berner Oberland werden schon heute 60% aller Pistenkilometer beschneit.
Im Vergleich zu anderen Alpenländern ist die Schweiz trotz dem hohen Aufrüstungstempo in Sachen Schneekanonen ein Entwicklungsland.
Österreich beschneit weit mehr als 50% seiner Pisten künstlich, Italien schon fast 80% und Frankreich rund 66%.
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