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Schutzdämme für Tadschikistan

Michael Steiner vor den "Zähnen" eines Rückhaltebeckens, die grössere Steine aufhalten und den Kanal vor Verstopfung schützen. swissinfo.ch

Der Schweizer Umwelt-Ingenieur Michael Steiner hilft den Menschen in der Kleinstadt Muminabad, sich wieder vor den jährlichen Hochwassern zu schützen.

Seine Arbeit in der früheren russischen Teilrepublik Tadschikistan ist allerdings mit Hindernissen gespickt.

Die Landschaft um Muminabad ist atemberaubend. Grüne, begraste Hügel, so weit das Auge reicht. Doch die Schönheit trügt. Die Hügel sind abgeholzt.

Wenn im Frühling die Regenzeit einsetzt, schiesst das Wasser ungebremst auf die Stadt zu, die auf Schuttkegeln zweier Flüsse erbaut wurde. «Nichts ist mehr geschützt», sagt Michael Steiner, und zeigt auf die Reste eines Dammes, vom Wasser unterspült.

Arbeit mit Stolpersteinen

Der dreissigjährige Umwelt-Ingenieur aus St. Gallen arbeitet für die Caritas im Süden Tadschikistans. Seine Aufgabe: Zusammen mit lokalen Spezialisten baut er neue Dämme, um die über 10’000 Menschen in Muminabad vor den Hochwassern zu schützen.

Seit dem Zerfall der Sowjetunion wurden die zwei Kanäle durch die Stadt nicht mehr unterhalten, weil das Geld fehlt. Der Distrikt Muminabad zählt zu den ärmsten des zentralasiatischen Landes.

Fast alle Fachkräfte sind seither wegen besseren Löhnen nach Russland abgewandert. «Es ist schwierig, heute noch kompetente Leute zu finden», sagt Steiner.

Bagger hauptsächlich in Reparatur

Ein weiteres Problem ist die Organisation von intakten Maschinen für die Aushubarbeiten. Eigentlich eine einfache Aufgabe. «Aber mit den lokal vorhandenen Baumaterialien und Maschinen ist das eine sehr anspruchsvolle Arbeit», betont Steiner.

Die alten, sowjetischen Bagger laufen nur etwa zur Hälfte der Zeit. Immer wieder müssen sie repariert werden. Ersatzteile zu finden ist nicht leicht.

Handarbeit

Tadschikistan ist von Krisenherden umgeben. Im Süden Afghanistan, im Norden Kirgisien und im Westen Usbekistan. Die sechs Jahre Bürgerkrieg während der 1990er-Jahre zogen das Land stark in Mitleidenschaft.

Seither funktioniert vieles nur noch behelfsmässig. Die Arbeitslosigkeit im Land ist sehr hoch, kaum jemand hat ein regelmässiges Einkommen.

Daher setzt die Caritas im Hochwasserschutz-Projekt auf Handarbeit: Statt mit Beton werden die Dämme mit grossen Steinen in Drahtkästen (Gabionen) verstärkt. Dies hat den gleichen Schutzeffekt, verschafft aber bis zu 80 Männern Arbeit.

Projekt aus der Bevölkerung

Die Caritas ist seit 2000 in Muminabad tätig. Sie setzt ein Regieprojekt der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) im Bereich «gute Regierungsführung» um.

Schon sehr bald sei die Bevölkerung mit der Idee zum Wiederaufbau der Dämme gekommen, erzählt Steiner. Doch dafür fehlte das Geld. «Daher wurde ein neues Hochwasserschutz-Projekt aufgebaut.»

Bauten und Arbeiten kosten rund eine halbe Million US-Dollar, der Grossteil wird lokal investiert. Das Projekt steht im grösseren Rahmen des Deza-Programms in Zentralasien zur Verminderung von Naturkatastrophen.

Bald schon sei aber klar geworden, dass ein derart umfangreiches und technisch anspruchsvolles Projekt nicht nur durch lokale Hände ausgeführt werden sollte.

Steiner, der schon in Afrika erste Erfahrungen in der Praxis machte, interessierte sich und konnte im Sommer 2004 mit der Arbeit beginnen.

Böse Geister besänftigen

«Das grösste Problem war am Anfang, Vertrauen zu schaffen», erinnert er sich. Die acht Männer des Kernteams (Ingenieur, Vorarbeiter, Buchhalter, Fahrer und Materialverwalter) sind alle wesentlich älter als Steiner.

Dann kamen lokale Bräuche hinzu, welche die Arbeit behinderten: «Bevor man mit der Bauarbeit beginnt, muss man ein Schaf schlachten, die bösen Geister besänftigen.»

Abgewöhnen musste er den Mitarbeitern auch den Brauch, dass schon beim Mittagessen übermässig Wodka getrunken wird.

Überwältigende Gastfreundschaft

Nun kommt Steiner Ende August zurück in die Schweiz. Für ihn war der Einsatz «die beste Erfahrung in meinem Leben».

Am meisten beeindruckt hat ihn die Gastfreundschaft der Menschen, die oft nicht einmal genug haben, um die eigene Familie durchzubringen. «Das hat mich echt tief bewegt und beeindruckt.»

Neben der Erfahrung im Job kann er aber noch etwas anderes mitnehmen: Er hat in diesem Jahr Farsi (Persisch) gelernt, das auch in Tadschikistan gesprochen wird.

Tadschikistan liegt in Zentralasien zwischen Kirgisien (Norden), Afghanistan (Süden), Usbekistan (Westen) und China (Osten).

Es zählt nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und einem jahrelangen Bürgerkrieg zu den ärmsten Ländern der Welt.

Vor allem der so genannte «Brain Drain», die Auswanderung von Spezialisten, macht dem Land heute zu schaffen.

Verschiedene Schweizer Hilfswerke sind im Land in diversen Projekten engagiert.

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