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Schweiz droht Energie-Engpass

Bis 2020 braucht die Schweiz zwei neue Kernkraftwerke. Keystone

Ohne Gegenmassnahmen wird die Schweiz ab 2020 grosse Probleme mit der Elektrizitäts-Versorgung kriegen.

Das Bundesamt für Energie (BFE) schlägt Alarm, weil es einen starken Anstieg des Energiekonsums in den kommenden 30 Jahren erwartet.

Das BFE hat am Dienstag erste Erkenntnisse aus seinen Energieperspektiven präsentiert, mit welchen die Energieversorgung der Schweiz in den nächsten 30 Jahren sichergestellt werden soll.

Die vor rund zwei Jahren aufgenommenen Arbeiten des Bundesamts zu den Energieperspektiven 2035 neigen sich dem Ende zu. Der Schlussbericht wird Ende Jahr vorliegen,

Stromlücke

«Längerfristig stehen wir vor einer gewaltigen Stromlücke, wenn wir nicht jetzt Kurskorrekturen vornehmen», sagte Amtsdirektor Walter Steinmann.

Der Engpass zeichnet sich ab, weil um 2020 die ersten Atomkraftwerke aus Altersgründen vom Netz gehen und zugleich langfristige Strombezugsverträge mit Frankreich auslaufen.

Andererseits geht das BFE davon aus, dass sich der Stromverbrauch in der Schweiz weiterhin erhöhen wird. Je nach Szenario wird die Stromnachfrage bis 2035 zwischen 18 und 24% ansteigen

Schliessen sich Staat und Wirtschaft zusammen und führen neue Vorschriften wie etwa eine CO2-Abgabe oder einen Stromrappen ein, könnte die Zunahme auf 16% gesenkt werden.

Nur im idealisierten Szenario der 2000-Watt-Gesellschaft ist ein Rückgang von 8% zu erwarten.

Darunter versteht das Bundesamt für Energie eine «energieeffiziente Gesellschaft». Die 2000-Watt-Gesellschaft ist das Nachfolgeprojekt zum gegenwärtigen Energiesparprogramm «EnergieSchweiz». Heute verbraucht jede Person in der Schweiz etwa 6000 Watt Energie.

Bessere Energieffizienz

Reduzieren will das BFE die prognostizierte Energielücke primär über eine Verbesserung der Energieeffizienz. Ohne griffige staatliche Massnahmen auf diesem Gebiet werde die Schweiz zwei neue Atomkraftwerke brauchen, sagte Steinmann.

Zweite Handlungsachse ist die Förderung von erneuerbaren Energien. Die Kapazitäten der Stromproduktion aus Energiequellen wie Wasser, Biomasse, Wind und Geothermie sollen möglichst breit erhöht werden.

In der Variante «Verstärkte Zusammenarbeit» zwischen Staat und Wirtschaft werden die Folgen verschärfter Vorschriften für Gebäude, Fahrzeuge und Geräte durchgespielt und die Einführung von Förderprogrammen und der CO2-Abgabe auf Brennstoffen.

Dies allein wird aber nicht ausreichen. Zumindest vorübergehend wird es fossile Energieträger brauchen, wobei für das BFE neue Gaskraftwerke oder Wärmekraftwerke im Vordergrund stehen.

Dies sei zwar nicht die optimale, aber die am wenigsten schlechte Lösung, sagte Steinmann. Die freigesetzten CO2-Emissionen müssten aber auf nationaler und internationaler Ebene kompensiert werden.

Atomkraft und Auslandabhängigkeit

Die Option neuer Atomkraftwerke lässt das BFE offen, wenn vorgängig die Entsorgung der radioaktiven Abfälle geregelt wird. Auf Grund der langen Bewilligungsverfahren dürfte ein neues Atomkraftwerk frühestens um das Jahr 2030 den Betrieb aufnehmen können.

Brisant ist laut Steinmann nicht nur die Frage der Energiequellen, sondern auch jene der Auslandabhängigkeit.

Er erinnerte daran, dass die Schweiz 2005 erstmals mehr Strom verbrauchte als sie selber produzierte. Risiken birgt ferner der Ölpreis. Laut dem BFE-Direktor ist die Zeit des billigen Öls vorbei, noch nicht aber das Erdölzeitalter.

Trotzdem entwirft das BFE nun auch noch ein «Schockszenario», in dem der Ölpreis auf über 100 Dollar klettert.

Die Energieperspektiven werden nun bis Ende Jahr abgeschlossen und dann Bundespräsident Moritz Leuenberger für die politische Diskussion übergeben.

swissinfo und Agenturen

Energieverbrauch der Schweiz nach Energieträgern (BFE, 2004):
Treibstoffe: 31,3%
Heizöl: 25,7%
Elektrizität: 23,1%
Gas: 12,1%
Erneuerbare Energie: 0.9%
Rest (Holz, Kohle etc.): 6,9%

Erst im Jahr 1990 wurde die Energiepolitik in der schweizerischen Verfassung verankert.

Der Energieartikel legt fest, dass sich «Bund und Kantone im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für eine ausreichende, breit gefächerte, sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung sowie für einen sparsamen und rationellen Energieverbrauch einsetzen».

Am 1. Mai 2000 folgte das CO2-Gesetz, mit welchem sich die Schweiz verbindliche Ziele zur Reduktion des Treibhausgases CO2 setzte.

2001 hat die Regierung das Programm EnergieSchweiz gestartet.

Die neusten Energie-Perspektiven zeigen, dass der Energieverbrauch vor allem im Strombereich, bei den Treibstoffen sowie den industriellen Prozessen weiter ansteigen wird.

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