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Schweiz liebäugelt nicht mit extremer Rechten

Schwört Blocher seine Anhänger auf seinen Kurs ein wie ein Le Pen oder Haider? Keystone

Die ausländische Presse hat den Vormarsch der rechtsbürgerlichen SVP teilweise mit dem Erfolg der extremen Rechten in Europa verglichen. Ein solcher Vergleich sei untauglich, sagen Politikwissenschafter.

Nach Ansicht der Politologen gibt es aber Analogien.

Nach dem Sieg der Schweizerischen Volkspartei (SVP) bei den Parlamentswahlen vom vergangenen Wochenende haben einige ausländische Kommentatoren Parallelen gezogen zu den Erfolgen der Parteien von Jean-Marie Le Pen in Frankreich, Jörg Haider in Österreich und Pim Fortuyn in den Niederlanden.

Das in den Analysen verwendete Vokabular zur Charakterisierung der Blocher-Partei – «fremdenfeindlich», «populistisch» oder «nationalistisch» – ist dasselbe wie bei der Beschreibung der verschiedenen europäischen Bewegungen der extremen Rechte.

Der Kommentator der italienischen Zeitung L’Unità ging bei seiner Wortwahl sogar noch weiter. «Ein nazistischer Milliardär triumphiert bei den Schweizer Parlamentswahlen», hiess es im linken Traditionsblatt.

Eine Revolution, aber nur was die Zahlen betrifft

Die Erfolge der extremen Rechte haben bei den traditionellen politischen Parteien in den jeweiligen Ländern Europas einen Schock ausgelöst. Dieses Phänomen ist seit dem Wahlwochenende auch in der Schweiz zu beobachten.

Der Erfolg der SVP komme einer veritablen «Revolution» gleich, sagt Pascal Sciarini, der am Lausanner Institut des Hautes Etudes en Administration Publique (IDHEAP) lehrt.

Der Politologe bezieht sich dabei gegenüber swissinfo primär auf die Zahlen: «Es ist insofern eine kleine Revolution, als noch nie eine Partei einen derartigen Sprung in der Wählergunst gemacht hat.»

Blocher ist weder Haider noch Le Pen

Zurückhaltender gibt er sich bei Vergleichen: Zwar gebe es Ähnlichkeiten im nationalistischen, isolationistischen, Anti-Immigrations- und Anti-Asylanten-Diskurs. Ebenso in der Kritik an den traditionellen politischen Parteien, so Sciarini weiter.

«Einer der Unterschiede ist aber, dass Blocher und die Seinen kaum jemals wegen Rassismus oder gar Antisemitismus attackiert werden konnten», so der Westschweizer Politologe weiter. «Es hat keine verbalen Ausfälle wie bei Haider und Le Pen gegeben. Der Ausdruck der SVP ist vielmehr von Subtilität geprägt.»

Oscar Mazzoleni teilt diese Analyse. Der Leiter des Forschungsinstituts für Politik des Kantons Tessin (Ustat) und Verfasser einer kürzlich erschienen Studie über die SVP sieht ebenfalls Parallelen, aber auch Differenzen.

Gemeinsam sei der SVP und der extremen Rechten in Europa die Diffamierung der traditionellen Parteien als «Classe politique», welche nicht mehr fähig sei, die anstehenden Probleme zu lösen und die Sorgen und Nöte der Bürger ernst zu nehmen.

Ebenso wie Sciarini sieht auch Mazzoleni zentrale Unterschiede: «Die SVP ist seit Jahrzehnten an der Schweizer Regierung beteiligt», so der Tessiner Politikwissenschafter. «Und die Radikalisierung in den letzten Jahren hat die SVP nicht gehindert, als Partei im System der Schweizerischen Konkordanz zu funktionieren.» So gesehen sei der Fall der SVP in Europa einmalig.

Ganz rechts!

Es bleibt abzuwarten, ob die Stärkung der SVP die Schweizer Politik nachhaltig verändern wird. Für Pascal Sciarini wird der Wahlsieg vom Sonntag die schon eingeschlagene Kursänderung lediglich weiter verschärfen.

Der Lausanner Politologe nennt als Beispiel die Asylpolitik: Die verschiedenen bürgerlichen Parteien hätten bereits akzeptiert, die Schraube in diesem Bereich weiter anzuziehen, um die Forderungen der SVP vorwegzunehmen oder zu erfüllen.

Falls Christoph Blocher oder einer seiner Mitstreiter in der Regierung (Bundesrat) Platz nimmt, dürfte sich diese Verhärtung in verschiedenen Bereichen weiter fortsetzen: Sei es im Asylrecht, bei der Einwanderungspolitik, der Öffnung gegenüber der EU oder sogar in der Wirtschaft- und Sozialpolitik, so Sciarini.

Die Gegner der SVP hoffen, dass sich die Partei Christoph Blochers durch die Übernahme von mehr Regierungsverantwortung mässigen werde. Pascal Sciarini indes bezeichnet diese Hoffnungen als illusorisch:

«Der SVP werden weiterhin die Möglichkeiten der direkten Demokratie offen stehen, falls sie mit der Regierungspolitik nicht einverstanden ist. Denn auch mit zwei SVP-Vertretern im Bundesrat werden sie immer noch nicht die Mehrheit haben.»

EKR-Präsident Kreis äussert Bedenken

Etwas nuancierter drückt sich Georg Kreis aus, der Präsident der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR). Er rechnet nach dem Wahlerfolg der Blocher-Partei mit einer «weiteren Vergiftung des gesellschaftlichen Friedens», wie Kreis gegenüber der Nachrichtenagentur sda sagte. Die SVP betreibe Grenzgängerei zwischen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit.

Die Partei müsste sich verbindlich zu den Grundwerten von Staat und Gesellschaft bekennen. Gewisse SVP-Inserate und Äusserungen von Parteiexponenten liessen ihn daran zweifeln, dass es die SVP mit Menschenrechten und Antirassismus ernst nehme, so Kreis weiter.

swissinfo, Olivier Pauchard und Andrea Tognina
(Übertragung aus dem Französischen: Hansjörg Bolliger und Renat Künzi)

Seit Jahrzehnten war in der Schweiz keine Partei mehr so stark wie die SVP.
Sie erreichte bei den Wahlen vom 19. Oktober einen Stimmenanteil von 26,6%
Unter Christoph Blocher wurde die SVP immer mehr von einer Zentrums- zu einer klaren Rechtspartei.
SVP-Kampagnen wiesen auch schon rassistische Elemente auf.
Auf einem SVP-Plakat war beispielsweise von «Negern» die Rede.

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