Schweiz soll mit CO2-Abgabe Ernst machen
Die Internationale Energie-Agentur lobt das Programm EnergieSchweiz des Bundesrates zur Reduktion des Kohlendioxid-Ausstosses (CO2).
Um die Kyoto-Vorgaben zu erfüllen, soll die Schweiz laut IEA die umstrittene CO2-Abgabe aber möglichst rasch einführen.
Die Internationale Energie-Agentur (IEA) hat der Schweizer Energiepolitik im Grossen und Ganzen ein gutes Zeugnis ausgestellt. Die Schweiz stehe aber vor energiepolitischen Herausforderungen. So bestehe bei der Senkung des CO2-Ausstosses (Kohlendioxid) Handlungsbedarf. Und die Energiepreis-Gestaltung und -Besteuerung müssten überdacht werden, heisst es im Bericht, den die IEA und das Bundesamt für Energie (BFE) am Dienstag in Bern präsentierten.
Gute Noten erhielt dabei das Programm EnergieSchweiz des Bundes. «Die umfassende Energiepolitik im Rahmen des Programms EnergieSchweiz verdient Anerkennung», lobte William Ramsay, stellvertretender Direktor der IEA. Doch ist dieses Programm von den bundesrätlichen Sparvorschlägen, dem «Entlastungsprogramm 2003», bedroht.
Die Regierung will den heutigen Etat von 55 Mio. Franken bis 2006 auf 20 Mio. zusammenstreichen. Die Parlaments-Kommissionen plädieren für eine Kürzung auf 32 Mio. Franken.
Die Ölvorräte der Schweiz überträfen zudem die von der IEA geforderte Reserve für 90 Tage, was das klare Bekenntnis des Landes zur Versorgungssicherheit belege. «Es ist wichtig, dass unserer Energiepolitik der Spiegel vorgehalten wird – von aussen», erklärte der Direktor des Bundesamts für Energie, Walter Steinmann, an einer Medienkonferenz von Dienstag in Bern.
Tempo bei der CO2-Abgabe
Das Programm EnergieSchweiz allein dürfte laut IEA aber nicht ausreichen, das CO2-Reduktionsziel zu erreichen. Die internationale Behörde rät der Schweiz deshalb, die CO2-Abgabe einzuführen und allgemein die Energiepreise zu überprüfen. Die Vorbereitungen dazu müssten aber bald beginnen.
Die Schweiz hatte als Kyoto-Ziel die Senkung der Treibhausgas-Emissionen um zehn Prozent gegenüber 1990 bis in den Zeitraum 2008 bis 2012 definiert. Das soll durch eine Senkung des Brennstoffverbrauchs um 15 Prozent und eine solche des Treibstoffverbrauches um acht Prozent erreicht werden.
Als Reaktion auf die zahlreichen Versuche, die CO2-Belastung durch Senkung der Dieselpreise zu reduzieren, arbeitet die Umweltkommission des Nationalrats derzeit an einem Antrag an den Bundesrat, Partikelfilter für Dieselfahrzeuge obligatorisch einzuführen.
«Umweltfreundliche» Atomenergie
Im Bericht über die Schweiz begrüsst die IEA weiter den Volksentscheid, die Option Kernenergie offenzuhalten. Die Ablehnung der beiden Atom-Ausstiegsinitiativen im vergangenen Mai durch das Volk bringt laut der IEA wirtschaftliche Vorteile und hilft der Schweiz ebenfalls, ihre Klimaziele zu erreichen und eine Abhängigkeit vom Import fossiler Brennstoffe zu vermeiden. Die Frage der Endlagerung sei aber noch nicht beantwortet, und der Bundesrat müsse weitere Lösungsvorschläge bringen.
Gefallen fand auch der Beschluss des Bundesrates, nach dem Nein zum Elektrizitätsmarktgesetz (EMG) einen neuen Anlauf zur Strommarktliberalisierung zu nehmen. Eine wirksame Entbündelung sei nötig, um Dritten einen transparenten und diskriminierungsfreien Netzzugang zu gewährleisten
Kaum Sparanreize
Die Schweiz komme generell nicht darum herum, die Effizienz ihres Energiesektors zu erhöhen, heisst es in dem Bericht weiter. Insbesondere müssten die Preise und die Besteuerung von fossilen Energieträgern überprüft werden. So gehörten die schweizerischen Heizölpreise zu den niedrigsten aller OECD- Mitgliedländer. Das liege am unüblich tiefen Steuersatz.
Deshalb fehlten Anreize zum Energiesparen und zum Einsatz von CO2-ärmeren Alternativenergien, stellt die IEA fest. Auch die Benzinpreise seien in der Schweiz tiefer als in den Nachbarländern, was zu Benzintourismus führe. Umgekehrt gehörten die Erdgaspreise zu den höchsten unter den IEA-Mitgliedländern. Das Land solle deshalb eine Infrastruktur für die Verwendung von Erdgas im Verkehrsbereich aufbauen und Wettbewerb und Effizienz im Gasmarkt stärken.
Strom: Schweizer Hochpreisinsel
Dagegen würden die Schweizer Strompreise laut der Untersuchung über dem europäischen Durchschnitt liegen. Bedenklich sei hier die Betriebseffizienz der zahlreichen kleinen Versorgungsunternehmen der öffentlichen Hand. So erhielten Gemeindebehörden den Strom kostenlos oder zu einem Niedertarif, was die Energieeffizienz gefährde.
Weitere IEA-Empfehlungen betreffen eine verstärkte Zusammenarbeit mit Konsumentenorganisationen sowie Umwelt- und Wirtschaftsverbänden. Auch seien für energieverbrauchende Geräte Leistungstandards und Labels einzuführen.
swissinfo und Agenturen
Die IEA ist eine autonome Agentur innerhalb der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
Sie wurde von den westlichen Industriestaaten 1974 als Reaktion auf den ersten Erdölschock ins Leben gerufen wurde.
Sie überprüft regelmässig die Energiepolitik ihrer 26 Mitgliedländer.
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