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Schweiz will in Systembiologie an Weltspitze

Eine Zelle der Bauchspeicheldrüse.

Das Netzwerk "SystemsX.ch" ist die grösste Initiative in der Geschichte der Schweizer Forschung. Hochschulen und Forschungsinstitute wollen damit in der Systembiologie Weltspitze werden.

Systembiologie gilt als nächster Schritt in der biologischen Forschung. In den kommenden vier Jahren sollen bis zu 400 Millionen Franken eingesetzt werden.

Die öffentliche Hand steuert 200 Mio. bei. Den Rest erwarten die Verantwortlichen von der Pharma-Branche.

«Die Industrie kommt erst dann, wenn Sie ein Weltklasse-Projekt hat. Das Risiko überlässt sie dem Staat», sagte ETH-Präsident Ralph Eichler an einer Pressekonferenz.

Eichler zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass sich die Wirtschaft an den Projekten beteiligen wird. Die Pharma-Branche hofft nämlich, dass sie dank den Erkenntnissen der Systembiologie neue Wege zu neuen Medikamenten finden wird.

Die Entwicklung neuer Medikamente ist für die Branche eine ökonomische Notwendigkeit. Seit 2000 nehmen die Zulassungszahlen neuer Medikamente ab. Gleichzeitig steigen die Ausgaben für die Forschung ebenso kontinuierlich an.

Hohe Erwartungen

«Die Erwartung an die Systembiologie ist die, dass man bei Krankheiten durch neue Therapieansätze besser wird eingreifen können, hält Rudolf Aebersold, Vorsitzender des wissenschaftlichen Führungsausschusses von «SystemsX.ch», im Gespräch mit swissinfo fest.

«Die Systembiologie versucht, die Prozesse in einer Zelle als reguliertes Gesamtsystem zu beschreiben und aufzuzeigen, wie das System reagiert, wenn es äusseren Einflüssen unterworfen ist.»

Damit stehe sie in einem starken Gegensatz zur Molekularbiologie. «Hier befasst sich der Biologe mit einzelnen Molekülen.» Aebersold vergleicht den heutigen Stand der Forschung mit einem Buch. Der Text besteht aus den Buchstaben des Alphabets, ist aber in einer unbekannten Sprache geschrieben.

Interdisziplinär

Ziel der Systembiologie sei es nun, Syntax, Grammatik und die formale Gestaltung auf das Niveau eines Romans zu heben. Die Schweiz sei in der Forschung bereits heute europaweit «am weitesten fortgeschritten».

Die Systembiologie ist interdisziplinär angelegt. Biologie, Physik, Chemie, Mathematik, Informatik und Ingenieur-Wissenschaften spannen zusammen.

Nach der Entzifferung des menschlichen Erbgutes gilt die Systembiologie als der nächste grosse Schritt in der Forschung. «SystemsX.ch» will in diesem Bereich Weltklasse werden.

Breite Allianz

Am Forschungsverbund sind die Technischen Hochschulen von Zürich und Lausanne, sechs Universitäten sowie das Paul Scherrer Institut in Villigen, das Friedrich Miescher Institut in Basel und das Institut für Bioinformatik beteiligt.

«Vor zehn Jahren wäre ein solches Projekt noch nicht möglich gewesen», sagte der Staatssekretär für Bildung und Forschung, Charles Kleiber. «Eine solche Kooperation ist beispiellos und hat in mancher Beziehung Vorbildcharakter für die Neugestaltung der Hochschul-Landschaft Schweiz.»

Bisher liegen 18 Gesuche für Forschungsprojekte vor. Die Gesuche müssen bis Ende Jahr eingereicht werden. Der Entscheid, welche Projekte schliesslich berücksichtigt werden, liegt beim Schweizerischen Nationalfonds (SNF). Dieser hat auch die Oberaufsicht über die wissenschaftliche Qualität von «SystemsX.ch».

Angepeilt: 400 Millionen

Für die Jahre 2008-2011 stehen für die Finanzierung der Projekte 100 Millionen Franken zur Verfügung, welche das Parlament im September bewilligt hat. Weitere 100 Mio. Bundesmittel fliessen in den Aufbau des Departementes für Biosysteme-Forschung der ETH Zürich in Basel.

Die Bundesmittel sind an die Bedingung geknüpft, dass die beteiligten Universitäten und Hochschulen ebenfalls 100 Mio. Franken in die Projekte investieren.

Zusammen mit Mitteln aus der Pharma- und Biotech-Industrie sowie Geldern aus dem Forschungs-Rahmenprogramm der Europäischen Union (EU) sollen laut ETH-Präsident Eichler bis zu rund 400 Millionen in die Systembiologie fliessen.

swissinfo, Andreas Keiser

Die Systembiologie ist eine interaktive wissenschaftliche Vorgehens-Weise in der biologischen Forschung.

Sie befasst sich mit der Analyse ganzer biologischer Systeme, wobei gezielt alle Komponenten des Systems untersucht werden.

Die so gewonnene Information wird in dynamische Computermodelle integriert. Diese Modelle ermöglichen es, die Eigenschaften des Systems zu simulieren und festzustellen, wie es auf Störungen reagiert.

Dazu arbeiten Forscher verschiedener Fachbereiche wie Biologie, Medizin, Chemie, Physik, Informatik und Statistik eng zusammen.

Weil die Forschung auch anwendungsorientiert ist, erwartet die Wissenschaft enge Verbindungen zur klinischen Medizin sowie zur Pharma- und Biotech-Industrie.

Grossbritannien hat seit 2004 rund 214 Mio. Franken in die Systembiologie investiert.

Deutschland investiert von 2008-2011 jährlich 62 Mio. Franken.

Die EU hat im Rahmen ihres 7. Rahmenforschungs-Programms zwischen 134 und 167 Mio. Franken für die Jahre 2007-2013 bewilligt.

Die Schweiz investiert mit mindestens 300 Mio. für die Jahre 2008-2011 im europäischen Vergleich pro Kopf der Bevölkerung am meisten in die neue Disziplin.

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