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Schweizer Forschung stark bei Eis und Computermodellen

Die Gletscherforscherin Margit Schiwkowski mit einem Eisbohrkern, der am 15. September 2003 am Col Gnifetti am Monte Rosa entnommen wurde. Keystone

Die Schweizer Forschung gehört im Bereich Klima-Geschichte und bei computersimulierten Klima-Modellen international zur Spitze, sagt der Forscher Martin Beniston.

Beniston leitet an der Universität Genf ein Forschungs-Team, das sich mit dem Klimawandel und dessen Auswirkungen befasst.

swissinfo: In welchem Bereichen ist die Schweizer Forschung bei den Klimafragen besonders stark?

Martin Beniston: Einerseits im Bereich der Paleoklimatologie, der Geschichte des Klimas. Zwischen 50 und 70 Forscher befassen sich mit der Rekonstitution des Klimas, das in der Vergangenheit herrschte; vor mehreren Millionen Jahren bis und mit dem letzten Jahrhundert.

Die Universität Bern (und derzeit vor allem Thomas Stocker) haben durch ihre Eiskernbohrungen in der Antarktis und in Grönland schon mehrmals international für Aufmerksamkeit gesorgt. In den Bohrkernen bestimmen sie die Treibhaus-Konzentrationen, die vor langer, langer Zeit herrschten.

Das ewige Eis ist ein wertvolles Klimaarchiv, aus dem sich zahlreiche Schlüsse ziehen lassen. Mit Hilfe der Rekonstitution des früheren Klimas erhalten wir eine Idee über die natürlichen Klimaschwankungen in einer Zeit, in der menschliche Aktivitäten das Klima noch nicht beeinflussten. Das ist ein Bereich der Klimaforschung, in dem die Schweiz international an der Spitze steht.

Daneben befassen sich mehrere Teams (zwischen 30 und 50 Forschende) mit der Zukunft. Anhand von Klima-Modellen (Computer-Simulationen) erforschen sie vor allem, was der Anstieg der Treibhausgas-Emissionen für Auswirkungen nach sich ziehen könnte.

In dem Bereich muss unterschieden werden zwischen Simulationen auf globaler Ebene – wo man planetarische Modelle nutzt – und regionalen Modellen für präzisere und detailliertere Forschung, die sich auf Europa oder den Alpenbogen konzentriert.

Hier stechen vor allem das Team um Professor Christoph Schär von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) und unser Team an der Universität Genf hervor.

Die dritte Achse unserer Forschung (einige Dutzend Forschende) befasst sich mit den Auswirkungen des Klimawandels. Hier handelt es sich um sehr unterschiedliche Recherchen, die immer häufiger interdisziplinär erfolgen.

swissinfo: In der Paleoklimatologie und der Computer-Simulation von Klima gehören die Schweizer Forscher und Forscherinnen zu den Besten (Zahl der Publikationen, Teilnahme an internationalen Programmen). Wieso?

M.B.: Bis in die 1990er-Jahre war eines der Charakteristika der Schweizer Forschung das Erheben von klimatologischen und paleoklimatologischen Daten, die sich durch hohe Präzision auszeichneten. Wie die Arbeit eines Uhrmachers.

Die Qualität dieser eindrücklichen Datensammlung ermöglichte uns, unsere Erkenntnisse über das Funktionieren das Klimas und seiner Entwicklung bis heute weiter auszubauen. Damit hatte sich die Schweizer Forschung einen Vorsprung erarbeitet.

swissinfo: Auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Antworten auf den Klimawandel hat die Schweizer Forschung weniger Durchschlagskraft. Hat sie kein Interesse daran, ihre Expertise auf diesem Gebiet auszubauen?

M.B.: Ich bin nicht sicher, ob die Schweiz wirklich einen Rückstand ausweist. Das Problem ist, dass ein Thema wie die Klima-Erwärmung global ist, den ganzen Planeten betrifft.

Man muss also notwendigerweise in Partnerschaft mit anderen Ländern arbeiten. In erster Linie mit unseren Nachbarn in der Europäischen Union. Die Schweiz allein kann hier nicht enorm viel erreichen, sondern nur den Weg in gewissen technologischen Bereichen (Energiesparen etc.) weisen.

swissinfo: Investiert die Schweiz angesichts der Herausforderungen des Klimawandels eigentlich genug in diesen Forschungsbereich?

M.B.: Der wichtigste nationale Forschungsschwerpunkt Klima (NFS Klima) hat zum Beispiel rund 30% seines Budgets verloren. Einige Forscher konnten ihre Arbeiten nicht mehr weiterführen.

Andere mussten Kürzungen ihrer Mittel hinnehmen. Eher paradox in einem Moment, in dem die mit dem Klima verbundenen Probleme immer wichtiger werden.

Allerdings scheint sich das Blatt nun wieder zu wenden, nachdem die Eidgenossenschaft beschlossen hat, die Forschungskredite zu erhöhen. Für die kommenden Jahre bin ich daher etwas weniger pessimistisch.

swissinfo: Welche Durchbrüche kann man in den kommenden Jahren von der Schweizer Forschung erwarten?

M.B.: Bei der Klimageschichte darf man mit vielen weiteren Informationen rechnen. Schon heute wissen wir, dass sich das Klima auch ohne Einfluss des Menschen im Verlauf einiger Jahre oder Jahrhunderte ziemlich rasch verändern kann. In Zukunft werden wir über diese Vorkommnisse aus der Vergangenheit noch mehr wissen.

Ein weiterer Schwerpunkt ist seit zwei, drei Jahren die Erforschung extremer Klima-Vorkommnisse (Hitzewellen, extreme Niederschläge, Dürren, Stürme).

Solch extreme Klima-Ereignisse, die nicht nur am meisten Menschenleben kosten, sondern auch die Wirtschaft am stärksten belasten, könnten im Alpenbogen noch viel häufiger auftreten, wenn sich das Klima progressiv weiter erwärmt.

swissinfo: Und wie steht es um den Forschungs-Nachwuchs?

M.B.: Den muss man mobilisieren. Durch Ausbildung, aber auch durch eine gewisse Stabilität bei der Anstellung junger Forscherinnen und Forscher, die darauf angewiesen sind, auf ihrem Gebiet wachsen zu können und selber zu Führungskräften zu werden, die sich mit neuen Teams umgeben können.

Heute ist es leider so, dass die Leute, die wirklich Forschung betreiben, sich in einer recht unkomfortablen Lage befinden, was ihre Anstellungs-Perspektiven angeht. Meist haben sie Assistenzstellen, die auf 5 Jahre befristet sind. Und die Anzahl der Professuren ist sehr eng begrenzt.

Swissinfo-Interview: Pierre-François Besson
(Übertragung aus dem Französischen: Rita Emch)

Am Anfang der Schweizer Klimaforschung stand das Eis. Und mit ihm der Neuenburger Louis Agassiz (19. Jahrhundert), der Pionier der Schweizer Gletscher-Forschung in den Alpen. Er war der erste Forscher, der von Klimawandel, von Eiszeiten und Zwischen-Eiszeiten gesprochen hatte.

Im 20. Jahrhundert markierte Hans Oeschger von der Universität Bern die weltweite Paleoklimatologie durch seine Forschungen im Eis Grönlands, der Antarktis und des Alpenbogens, mit der die natürlichen Schwankungen des Klimas nachgewiesen werden konnten.

Und seit den 1990er-Jahren machte sich die Schweizer Forschung zudem durch ihre Computer-Modelle und Simulationen der künftigen Entwicklung des Klimas einen Namen.

Die herausragenden Institutionen der Schweizer Klimaforschung sind die ETH Zürich (Institut für Atmosphäre und Klima) , die Universität Bern (Abteilung für Umwelt- und Klima-Physik) und die Universität Genf (mit dem Team von Martin Beniston).

Aber auch andere Institutionen spielen eine wichtige Rolle. So das Institut Paul Scherrer und die Universität Genf (Forschung im Bereich der sozio-ökonomischen Auswirkungen des Klimawandels) oder die Universität Zürich sowie die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL).

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