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Schweizer Mikrochip übersetzt Gedanken in Text

Eine komplette Gehirn-Maschine-Schnittstelle auf einem Chip
Eine komplette Gehirn-Maschine-Schnittstelle auf einem Chip CC-BY-SA 4.0© 2024 EPFL

Forschende der ETH Lausanne haben einen Mikrochip entwickelt, der Gedanken mit hoher Genauigkeit in Text umwandelt und zudem wenig Strom verbraucht.

Ein winziger Chip, nur ein paar Quadratmillimeter klein: Das ist das miniaturisierte Brain-Computer-Interface (Gehirn-Maschinen-Schnittstelle, MiBCI), das eine Forschungsgruppe an der ETH Lausanne (EPFL) entwickelt hat. Sie hat darüber in der Fachzeitschrift “IEEE Journal of Solid-State Circuits” berichtet.

Innovativ daran ist laut Pressemitteilung der EPFL vor allem die Miniaturisierung. Denn normalerweise seien solche Systeme “sperrig, verbrauchen viel Energie und sind in ihrer praktischen Anwendung begrenzt”. Der MiBCI stelle eine wichtige Weiterentwicklung der Gehirn-Maschinen-Schnittstellen dar. Der Chip übersetze menschliche Hirnaktivität in 31 Zeichen, und das «mit einer Genauigkeit von 91.3 Prozent», was im Vergleich zu früheren Versionen solcher Schnittstellen eine “erhebliche” Verbesserung sei.

“MiBCI ermöglicht es uns, komplexe neuronale Aktivitäten mit hoher Präzision und geringem Stromverbrauch in lesbaren Text umzuwandeln”, sagt Mahsa Shoaran, Leiterin des Integrated Neurotechnologies Laboratory (INL) der EPFL. “Dieser Durchbruch bringt uns näher an praktische, implantierbare Lösungen, die die Kommunikationsfähigkeit von Menschen mit schweren motorischen Defiziten deutlich verbessern könnten.” Dazu gehören Menschen, die an Krankheiten wie der amyotrophen Lateralsklerose (ALS), dem Locked-in-Syndrom oder Rückenmarksverletzungen leiden und schwere motorische Defizite aufweisen.

Mögliche Hilfe für Menschen mit schweren motorischen Defiziten
Mögliche Hilfe für Menschen mit schweren motorischen Defiziten. CC-BY-SA 4.0© 2024 EPFL

Erkennen einer imaginären Handschrift

Damit die Schnittstelle Gedanken entschlüsseln kann, werden Elektroden in das Gehirn einer Person implantiert. Die Person stellt sich vor, Buchstaben oder Wörter zu schreiben. Dann werden neuronale Signale erzeugt: Die Elektroden zeichnen die neuronale Aktivität auf, die mit den motorischen Aktionen des Schreibens verbunden ist, und senden sie an einen separaten Computer, der für die Dekodierung verantwortlich ist. Der MiBMI-Chip verarbeitet diese Signale in Echtzeit und übersetzt die vom Gehirn beabsichtigten Handbewegungen in den entsprechenden digital lesbaren Text (siehe Kasten).

Für die EPFL ist diese Entwicklung «eine Meisterleistung der extremen Miniaturisierung, die Fachwissen in integrierten Schaltkreisen, Neurotechnik und künstlicher Intelligenz vereint».

Das Forschungsteam musste sich einen neuartigen Ansatz bei der Datenanalyse ausdenken, um die grosse Menge an Informationen verarbeiten zu können, die von den Elektroden der miniaturisierten Gehirn-Maschinen-Schnittstelle erfasst wurden. Die Forschenden fanden heraus, dass die Gehirnaktivität für jeden Buchstaben (wenn sich die Person vorstellt, ihn mit der Hand zu schreiben) sehr spezifische Marker enthält, die als distinktive neuronale Codes (DNC) bezeichnet wurden. Der Mikrochip wird nur diese DNCs – die etwa 100 Bytes ausmachen – verarbeiten und nicht die Tausenden von Bytes an Daten, die für jeden Buchstaben generiert werden. Auf diese Weise ist das System schnell, präzise und verbraucht wenig Energie. Laut dem Forschungsteam ermöglicht dieser Fortschritt auch «schnellere Lernzeiten, wodurch die Nutzung des ICM einfacher und zugänglicher wird».

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