Schweizer Roboterschwarm soll auf Weltraummission gehen
Ein Schweizer Forschungsteam schlägt vor, bei künftigen Missionen zum Mond oder Mars nicht einen schweren Rover, sondern einen Schwarm von kleinen Robotern einzusetzen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Fällt einer aus, übernehmen seine "Kollegen" und führen die Mission nach Plan weiter. Wir haben das Labor in Zürich besucht.
Er liegt erstmal am Boden wie ein fauler Hund. Erst als Roboterforscher Philip Arm einen Knopf auf seiner Fernbedienung drückt, steht «Dobby» auf und beginnt sich autonom in Richtung eine Holzpalette zu bewegen.
Der vierbeinige Laufroboter der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH), benannt nach einer Figur aus «Harry Potter», könnte in Zukunft auf anderen Himmelskörpern wichtige Daten für die Forschung sammeln.
Das wachsende Interesse an Mond und Mars hat in den letzten Jahren zu einem regelrechten Wettlauf geführt. Zahlreiche Nationen und superreiche Privatpersonen mischen dabei mit. Neue Technologien, wirtschaftliche und geopolitische Interessen der engagierten Staaten spielen eine wichtige Rolle.
Hinzu kommt das Interesse der Wissenschaft an Daten über Geologie und Klima sowie die Suche nach Wasser und nach möglichem Leben ausserhalb der Erde. Zahlreiche Missionen zum Mond und zum Mars sind derzeit geplant oder werden laufend angekündigt.
«Die interessantesten Bereiche auf dem Mond oder auf dem Mars sind häufig in Kratern oder in sehr schwierigem Gelände, das extrem steinig oder steil sein kann», sagt ETH-Forscher Arm. «Und genau da hat so ein Laufroboter Vorteile.»
Im Vergleich zu einem Rover, der schwer ist und dessen Räder sich im Mond- oder Marsstaub festfahren können, bewegt sich so ein 50-Kilo-Laufroboter viel flinker.
Ein Palett mit rutschiger Rampe erklimmt Dobby spielend, und wenn er einmal abrutschen sollte, versucht er es einfach wieder. «Es ist extrem schwer, es hinzukriegen, dass dieser Roboter überhaupt hinfällt», sagt Arm lachend.
Einer für alle, alle für einen
Kommt hinzu, dass mehrere Roboter im Team die Chancen einer Mission erhöhen. Einige von ihnen sind Generalisten, andere haben verschiedene spezifische Aufgaben zu erfüllen: kartografieren, bestimmte Gesteine finden, Messungen und Analysen durchführen. Mehrere Roboter können so etwas schneller erledigen, sagt Robotik-Doktorand Arm.
Und fällt ein Roboter einer Gruppe aus, können seine Teamkollegen die Arbeit einfach weiterführen. «In einem Roboterschwarm kann man einen Ausfall auf einer Mission viel einfacher kompensieren», und die Mission muss nicht aufgegeben werden.
Die Roboter stammen aus dem gleichen Haus, vom ETH-Spinoff Anybotics. Sie werden bereits in verschiedenen Industrien eingesetzt, beispielsweise für Inspektionen von Eisenbahn-Infrastruktur oder in Sicherheitszonen von Chemiewerken.
Mit einem kleinen Schwarm solcher LaufroboterExterner Link hat die Gruppe um Hendrik Kolvenbach, Senior Scientist am Robotic Systems Lab der ETH, an dem auch Arm forscht, zusammen mit dem Forschungszentrum Informatik aus Deutschland und weiteren Partnern in der Schweiz im April 2023 einen Wettbewerb der Europäischen Weltraumorganisation ESAExterner Link gewonnen.
Warum die Unterseite eines Steins interessant ist
Ziel des Wettbewerbs war, auf einem Testgelände in Luxemburg, das die schattigen Polarregionen des Mondes simuliert, Mineralien zu finden und zu bestimmen. Drei Roboter arbeiteten zusammen und konnten damit die Jury überzeugen. Das schweizerisch-deutsche Forschungsteam gewann Fördergelder, um die Technologie im nächsten Jahr weiterzuentwickeln.
Interessant an diesem Wettbewerb sei gewesen, dass alle erfolgreichen Forschungsgruppen Laufrobotik benutzt hätten, sagt Kolvenbach.
Die Idee scheint also einem Trend zu entsprechen. Besonders an deutschen Forschungsinstituten und auch am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) wird ebenfalls daran gearbeitet, mehrere Roboter zusammen als Team arbeiten zu lassen.
Der nächste Schritt an der ETH soll jetzt mehrere Systeme umfassen, auch fahrende oder sogar fliegende Roboter könnten zusammen mit Dobby ein Team bilden und wären so noch breiter aufgestellt für eine mögliche Mission.
In Zürich lässt Philip Arm den Roboterhund jetzt mit dessen Fuss einen Lavastein bewegen, um uns zu zeigen, wie Dobby auf dem Mond agieren könnte.
Weil die Sonnenwinde die Oberflächen von Mond oder Mars sehr stark erodieren, ist die Unterseite eines Steins sehr aufschlussreich für die Forschung. Sie ist nicht der starken kosmischen Strahlung ausgesetzt und lässt so viel genauere Analysen der Mineralien im Stein zu als direkt auf der Mond- oder Marsoberfläche.
Forschende aus vielen Disziplinen
Im Robotic Systems Lab der ETH wird interdisziplinär gearbeitet: Klassischer Maschinenbau, Computerwissenschaft, Elektronik und Robotik kommen hier zusammen. Ein Dutzend Lauf- und Radroboter warten auf mehreren Tischen auf ihre Testeinsätze.
Sein Team interessiere sich vor allem für herausfordernde Umgebungen, sagt Kolvenbach. Getestet wird oft in einem Steinbruch in der Schweiz.
Zum Team gehört auch die planetare Geophysikerin Anna Mittelholz, die mit dem dreibeinigen Roboter «SpaceHopper» ein eigenes Projekt namens «LunarLeaper»Externer Link verfolgt.
Sie möchte mit dem hüpfenden Roboter ein Loch auf dem Mond untersuchen, von dem man vermutet, dass es durch das Einstürzen eines unterirdischen Lavatunnels entstanden ist und somit eine Verbindung zu diesem sein könnte.
Die Erkenntnisse aus solchen Untersuchungen könnten zukünftig bei der Planung einer Basis für längere Einsätze von Menschen auf dem Mond eine Rolle spielen.
Mehr über dieses Projekt erfahren Sie in diesem Video aus unserer Serie «Found in space»:
Auch Mittelholz sieht einen klaren Vorteil in einem Schwarm: «Das wäre natürlich viel einfacher, wenn wir unsere Messungen flächendeckender vornehmen könnten und von verschiedenen Seiten und mit unterschiedlichen Instrumenten an dieses Loch herangehen könnten», sagt sie.
Und auch zur Dokumentation einer Mission wäre ein solches Roboterteam ein Gewinn, denn sie könnten sich gegenseitig filmen und dieses Videomaterial zur Erde senden, während sie Experimente vornehmen.
Auf dem Mond oder dem Mars würden die Roboter natürlich nicht ferngesteuert, sondern müssten autonom und vernetzt arbeiten. Denn die Verzögerung von Funksignalen zur Erde liegt bei einigen Sekunden (Mond) bis Minuten (Mars). Aufladen würden sich die Roboter mittels Solarzellen.
Zudem gibt es einige Faktoren, die den Robotern weit weg von der Erde zusetzen können. Weil eine Atmosphäre fehlt, sei die Wärmeregulierung viel schwieriger, sagt Arm.
Auch die höhere kosmische Strahlung muss zum Beispiel bei der Elektronik berücksichtigt werden. «Und es ist sehr, sehr staubig, sandig und steinig, dort wo sich der Roboter fortbewegen muss.»
Die Idee mit dem Schwarm ist ein langfristiges Projekt
Deshalb setzt das Team um den Roboter Dobby zuallererst auf Computersimulationen, bevor ein neues System zusammengebaut wird. Denn schliesslich muss auch das Budget beachtet werden, kostet doch so ein Roboter schnell mal so viel wie ein Auto der Oberklasse.
Das Geld besorgt das Labor vor allem über internationale und nationale Forschungsgelder, aber auch über Wettbewerbe wie jenen, den das ETH-Team letztes Jahr gewonnen hat.
Für das Schwarmprojekt planen die Forschenden mit einem langfristigen Zeithorizont. «Mit Dobby testen wir eher Technologien, die in zehn bis 20 Jahren relevant sind, weil es ein relativ grosses und komplexes System ist», sagt Arm.
Der einfacher aufgebaute Space Hopper hingegen könnte bereits in fünf bis zehn Jahren auf dem Mond herumhüpfen. Der kleine Dreibeiner hat bereits einen Schwerelosigkeitstest in einem so genannten Parabelflug bestanden.
Vierbeiner Dobby hat unterdessen genug gezeigt, er liegt schon wieder faul da, respektive lässt sich die Batterien laden – für seinen nächsten Testeinsatz.
Editiert von Sabrina Weiss
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