Schweizer Ruf in Polen basiert auf Hilfsprojekten
Polen soll von der Schweiz 489 Mio. Franken erhalten, als Teil ihrer Bemühungen um ein geringeres soziales Gefälle in der erweiterten Europäischen Union.
Bereits in den 1990er-Jahren war das Land nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems in Ost- und Zentraleuropa Hauptbegünstigter der Schweizer Hilfe.
Das Schweizer Stimmvolk entscheidet am 26. November über die Weiterführung der klassischen Osthilfe sowie über den Kohäsions-Beitrag von 1 Mrd. Franken über zehn Jahre an die zehn neuen Mitgliedsländer der Europäischen Union (EU) seit 2004.
Den grössten Anteil dieses Geldes soll Polen erhalten. Das Land hat seit den 1990er-Jahren 154 Mio. Franken erhalten, mit denen die Schweiz diverse Projekte unterstützt hat.
Damit sollten wirtschaftliche und soziale Reformen unterstützt, die Armut bekämpft und demokratische Strukturen auf dem Weg in die Marktwirtschaft gebildet werden.
Keines der 20 Länder zwischen dem Baltischen Meer und Zentralasien hat einen annähernd so hohen Geldbetrag oder so viel technische Unterstützung in der gleichen Zeitspanne erhalten.
«Polen war ein Schwerpunktland unserer Kooperationsprogramme, wegen seiner Grösse und Wichtigkeit sowie der grossen wirtschaftlichen Ungleichheiten im Land», sagt Axel Heiri von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) gegenüber swissinfo.
Detaillierte Angaben über die Hilfsprojekte der 1990er-Jahre in acht Ländern, inklusive Polen, scheinen nicht mehr so einfach zugänglich zu sein. Doch Heiri erinnert sich, dass ein Archiv mit Kartonkisten geführt wurde – in einer Badewanne.
«Unser Büro für Osteuropa war in einer Wohnung in Bern. Dies reflektiert auf eine gewisse Weise den Pioniergeist dieser Tage», erklärt er.
Grosshandel
Acht Jahre später, als die Landesregierung (Bundesrat) den Fokus des Hilfsprogramms von Osteuropa in Richtung Balkan und ehemalige Sowjetrepubliken verschoben hatte, veröffentlichten die Schweizer Behörden eine Broschüre mit ihren Erfahrungen.
«Wir schauen mit Befriedigung zurück auf die Ergebnisse, auch wenn nicht alle Programme den erwünschten Erfolg gebracht haben», hiess es 1998.
Einer der international angesehensten Schweizer Erfolge in Polen war die Schaffung eines Grosshandels für Gemüse und Blumen in Poznan (Posen), einer Stadt im Westen des Landes.
Es ist eines der wenigen Projekte, die nach 15 Jahren Gewinne einfahren. Laut Heiri wurde es ausgebaut und hat in einem umkämpften Umfeld überlebt.
Das Ziel war damals, die schwach organisierten Strassenstände zu ersetzen und transparente Strukturen für den Handel mit Landwirtschaftsgütern zu schaffen.
«Wir fanden eine perfekte Schweizer Lösung für den Aufbau. Trotz der komplizierten rechtlichen Struktur ist der Betrieb des Marktes einfach und funktionell», betont Heiri.
Brutkästen
Zu anderen erfolgreichen Projekten gehört ein Gesundheits-Konzept, um die Kindersterblichkeit in der Region Kattowitz zu senken. Das Gebiet in Oberschlesien war das Zentrum der polnischen Schwerindustrie und litt unter extremer Umweltverschmutzung.
Die Schweiz beschaffte Brutkästen und andere dringend benötigte Geräte für Neugeborene und Mütter in 144 ambulanten Kliniken und Spitälern der Region. Sie organisierte auch spezifische Trainings für das medizinische und technische Personal.
Heiri, der die Region Kattowitz vor einem Jahr besucht hat, ist erfreut, dass die Schweizer Hilfe einen Einfluss gehabt hat und weiterhin sichtbar ist. Sie diente auch verschiedenen osteuropäischen Ländern als Modell. «Die Leute vor Ort erinnern sich immer noch an die Schweizer Initiative.»
Exzellenter Ruf
Die Schweizer Hilfe beinhaltete ebenfalls Programme im Kampf gegen die Armut in ländlichen Gebieten, indem kleinen Unternehmen Kredite gewährt wurden. Auch Kultur, Forschung und Bildung wurden unterstützt, darunter ein Medientrainings-Projekt, organisiert von Schweizer Radio International (SRI).
Laut Heiri war der Erfolg eines Hilfsprogramms häufig eine Kombination von verschiedenen Faktoren. Dazu gehören eine sorgfältige Auswahl der Projekte, eine enge Kooperation mit dem lokalen Personal und ein starkes persönliches Engagement der Projektleiter.
Er glaubt, eine gewisse Logik liege darin, dass der Grossteil der 1 Mrd. Franken an die neuen EU-Mitglieder nach Polen fliessen soll: «Die Schweiz hat in der Region einen exzellenten Ruf, und der könnte bei einem Nein des Stimmvolks zum Kohäsions-Beitrag Schaden nehmen.»
swissinfo, Urs Geiser
(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)
Seit den 1990er-Jahren hat das Schweizer Parlament Kredite von 3,5 Mrd. Fr. für über 1000 Projekte in 23 Ländern in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion bewilligt.
Hauptziel der Hilfe in Osteuropa war es, den ehemals kommunistischen Staaten bei der Schaffung von demokratischen Strukturen und der Anpassung an die Marktwirtschaft zu helfen.
1998 wurde der Fokus der Hilfe, welche die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) gemeinsam ausführen, von Zentraleuropa in den Balkan und nach Zentralasien verschoben.
Laut der Landesregierung soll der Kohäsions-Beitrag von 1 Mrd. Fr. für die 10 neuen EU-Staaten dabei helfen, Ungleichheiten in der erweiterten EU auszugleichen.
Das Nicht-EU-Mitglied Schweiz hat mit Brüssel 16 bilaterale Abkommen über Handel, Arbeit, Transport, Steuern, Immigration und Zoll unterzeichnet.
Schweizer Osthilfe an Polen (Seit den 1990er-Jahren): 154 Mio. Fr.
Schweizer Kohäsions-Beitrag an Polen: 489 Mio. Fr.
Schweizer Exporte nach Polen 2005: 1,4 Mrd. Fr. (1989: 334 Mio. Fr.)
Schweizer Importe aus Polen 2005: 808 Mio. Fr. (1989: 119 Mio. Fr.)
In Polen leben 38,6 Millionen Menschen, in der Schweiz 7,5 Millionen.
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