Schweizer Wald trotz Stress in Form
Der Schweizer Wald wird immer älter, weil er zu wenig genutzt wird. Von einem Waldsterben kann aber keine Rede sein. Dies das Fazit des Waldberichtes 2005.
Der Wald breitet sich auch immer mehr aus: Jedes Jahr wächst er um die Grösse des Thunersees.
Der Schweizer Wald wird immer älter, dichter, dunkler, und grösser. Aber er lebt, wenn auch vielerorts unter Stress. Die düstere Prognose des «Waldsterbens» hat sich hingegen nicht erfüllt. Dies steht im Waldbericht 2005.
Das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) und die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) haben am Montag in Bern die erste Gesamtschau zum Schweizer Wald vorgestellt. Der Waldbericht 2005 löst den seit 1985 laufende Sanasilva-Bericht über die Auslichtung der Baumkronen ab.
Mess-Instrumentarium ausgebaut
Wie Norbert Kräuchi von der WSL erläuterte, ist die Kronenverlichtung nur ein Indikator von vielen für den Gesundheitszustand der Wälder. Obwohl die Baumkronen heute mehr Lücken zeigten als Mitte der 1980er-Jahre, stürben kaum mehr Bäume ab als damals. Nach wie vor seien es rund 0,4% jährlich.
Die emotionale «Waldsterbe-Debatte» sei einer nüchternen wissenschaftlichen Diskussion über die Risiken gewichen, denen der Wald ausgesetzt sei, sagte Forstdirektor Werner Schärer. Gemäss den von den europäischen Forstministern verabschiedeten Kriterien werde der Wald nunmehr mittels 38 Indikatoren beleuchtet.
Nicht bedroht
Dem Schweizer Wald gehe es insgesamt gut, stellt der Waldbericht fest. Stellenweise stehe er aber unter Stress wegen Trockenheit, Stürmen, Überdüngung mit Stickstoff und Schädlingen. Aber: «Es gibt aktuell keine Anzeichen dafür, dass der Wald unmittelbar bedroht wäre, obwohl Schadstoffeinträge ein Langzeitrisiko darstellen.»
Der Wald wächst. Heute breitet er sich jährlich um die Fläche des Thunersees oder 50 Quadratkilometer aus. Dabei gibt es grosse regionale Unterschiede: Im Mittelland verändert sich die Waldfläche nicht, in den bereits waldreichen Alpen nimmt sie weiter zu, vor allem auf der Alpensüdseite.
Zudem gewinnt der Wald auch an Volumen: Er wird zu wenig genutzt, überaltert und wird dunkler. Würde man den Holzzuwachs vollständig nutzen, würden der Wald als Ökosystem und die Wald- und Holzwirtschaft profitieren, und es liessen sich damit jährlich 60’000 Einfamilienhäuser bauen.
Überlebenswichtig, aber in Krise
Der Wald bietet 32’000 Tier- und Pflanzenarten Lebensraum. Das sind 40% aller in der Schweiz vorkommenden Arten. Nach wie vor gehören Wälder zu den natürlichsten Ökosystemen. Doch es gibt auch ökologische Defizite. Beispielsweise macht die Verdunkelung vielen Licht und Wärme liebenden Pflanzen zu schaffen.
Der Wald ist wegen seiner Schutzfunktion überlebenswichtig: Er schirmt Strassen und Siedlungen gegen Lawinen, Steinschlag, Erdrutsche oder Murgänge ab. Sein Zustand müsse aber verbessert werden, fordert das BUWAL. Der Wald mit seinem ungleichmässigen Altersaufbau brauche eine Verjüngungskur.
Ein grosser Teil der Waldeigentümer schreibt aber seit den 1980er-Jahren rote Zahlen. Tiefe Holzpreise stehen hohen Produktionskosten gegenüber. Die Holzproduktion im Schweizer Wald nahm zwar auf rund 5 Mio. Kubikmeter zu, aber der Holzzuwachs wird trotz steigender Nachfrage nach Energieholz nur zur Hälfte genutzt
Unterschiedliche Reaktionen
Der Waldbericht 2005 hat geteilte Reaktionen ausgelöst: Es sei erfreulich, dass der Waldbericht 2005 endlich auch die ungenügende Holznutzung und die desolate Lage der Schweizer Forstwirtschaft einbeziehe, schrieb Lignum, der Verband der Holzwirtschaft. Lignum fordert deshalb eine Liberalisierung der Forstwirtschaft.
Die Umweltorganisation Pro Natura lehnt eine Liberalisierung vehement ab. Dies brächte nur geringe Mehreinnahmen für die Betriebe und würde sich auf den Wald unheilvoll auswirken. Pro Natura sieht die Biodiversität des Schweizer Waldes in Gefahr. Nur 57% der Wälder seien in einem naturnahen Zustand, 10% sogar weit davon entfernt.
swissinfo und Agenturen
Waldfläche: 1,2 Mio. Hektaren (rund ein Drittel des Landes).
Knapp 10% davon sind Schutzwälder.
73% sind in öffentlichem Besitz, 27% gehören Privaten.
Holz-/Waldwirtschaft: Jährlich wachsen knapp 10 Mio. Kubikmeter Holz.
Pro Jahr werden 5 Mio. Kubikmeter Holz geschlagen.
Der Verbrauch liegt bei 7 Mio. Kubikmetern.
In den Wäldern arbeiten 7300 Personen.
In der Holzwirtschaft sind es 73’400 Personen.
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