Schweizer Wettervorhersage wird viel genauer
Am Schweizer Hochleistungsrechenzentrum ist der Supercomputer "Buin" eingeweiht worden. Als erstes Land in Europa wird die Schweiz ab 2008 dank dieses Rechners über eine hoch auflösende Wettervorhersage verfügen.
Für die Vorhersage meteorologischer Extremereignisse werden Superrechner immer wichtiger – aber auch für den Fall einer Nuklearkatastrophe in der Schweiz.
Extreme Wettersituationen werden in den letzten Jahren immer häufiger beobachtet. Und sie sind für die Alpenregion von besonderer Relevanz.
Denn die gebirgige Landschaft kann zu erstaunlichen Wetterphänomenen führen: Während auf einer Seite eines Bergpasses die Sonne scheint, ist das auf der anderen Seite gelegene Tal möglicherweise ausgiebigem Regen ausgesetzt.
Um solche Phänomene möglichst präzise auch für kleine Räume vorherzusagen, hat das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie (MeteoSchweiz) eine Wettervorhersage von höherer Präzision und Berechnungsfrequenz entwickelt. Der Abstand der Berechnungspunkte auf Gitternetzen wird von 7 auf 2 Kilometer reduziert.
Ausserdem wird die Vorhersage aus den eingespeisten meteorologischen Daten neu achtmal täglich statt wie bisher zweimal berechnet. Ab Januar 2008 wird die Schweiz das erste Land sein, das dank dieser neuen Berechnungen über eine hoch auflösende Wettervorhersage verfügt.
Zehnfache Rechenleistung
Um diese Wettermodelle berechnen zu können, braucht es ein Zehnfaches der bisherigen Rechenleistung. Diese wird vom neuen Supercomputer Cray XT 4 erbracht, der diese Woche im Schweizerischen Hochleistungsrechenzentrum (CSCS) in Lugano-Manno – einer autonomen Einheit der Eidgenössischen Technischen Hochschule ETH Zürich – eingeweiht wurde.
Nach der Installation im Juni wurde eine erste Testphase erfolgreich abgeschlossen. «Jetzt können wir beispielsweise im Fall einer Reaktorkatastrophe detailliert den Weg einer radioaktiven Wolke vorhersagen», meint Bertrand Calpini, Chef für Messtechnik bei MeteoSchweiz.
Die höhere Auflösung und häufigere Berechnung mache vor allem die 24-Stunden-Prognose erheblich genauer. Akute Entwicklungen von Überschwemmungen wie im August liessen sich genau berechnen.
Nicht in den Top 500
Der neue Supercomputer namens «Buin» (nach dem Berg «Piz Buin» im Unterengadin benannt) leistet 5 Billionen Berechnungen pro Sekunde.
«Die ganze Schweizer Bevölkerung von 7,5 Millionen Menschen müsste 50 Jahre rechnen, um eine einzige 24-Stunden-Wettervorhersage zu machen», rechnete Neil Stringfellow vom CSCS am Montag vor. Der Cray XT 4 schafft dies in 20 Minuten.
Trotzdem: Während «Buin» vor sieben Jahren noch der leistungsstärkste Rechner der Welt gewesen wäre, taucht er heute nicht einmal mehr in den Top 500 der Welt auf. Die Entwicklung ist rasant. Der schnellste Rechner der Schweiz steht im übrigen an der ETH Lausanne.
Die regulären Berechnungen von MeteoSchweiz auf dem Cray XT 4 werden nur circa 30 Prozent der Rechenleistung beanspruchen. «Buin» wird in der restlichen Zeit auch den Forschern der Schweizer Hochschulen zur Verfügung stehen, um Simulationen auf mehreren Gebieten wie beispielsweise Chemie, Physik, Nanowissenschaften, Materialwissenschaften, Fluid-Dynamik und Klimaforschung durchzuführen.
Neue Investitionen nötig
Das CSCS hat 2,8 Millionen Franken in den Cray XT 4 investiert. Allerdings sind Investitionen in ganz anderer Grössenordnung vorgesehen. Die Rede ist beim ETH-Rat von 150 Millionen Franken.
70 Millionen wären für ein neues Computersystem vorgesehen, 20 Millionen für ein Koordinationsnetzwerk und 50 Millionen für ein neues Gebäude im Gebiet um Lugano, das offenbar nötig ist, um die ausreichende Kühlung der Supercomputer zu garantieren.
Die Forderung ist unter Schweizer Bildungspolitikerin umstritten. Für CSCS-Direktorin Marie-Christine Sawley geht indes kein Weg an diesen Investitionen vorbei: «Wir dürfen nicht stehen bleiben, wenn wir im internationalen Wettbewerb mithalten möchten.»
swissinfo, Gerhard Lob, Lugano-Manno
Supercomputer Cray: Modell XT 4
Anzahl Prozessoren: 896
Arbeitsspeicherkapazität: 896 Gigabytes
Rechenleistung: 5 Billionen Berechnungen pro Sekunde
Benötigte Anzahl von Operationen für 24-Stunden-Wettervorhersage: 400 Trillionen (Floating point operations)
Berechnung einer Simulation für eine 24-Stunden-Wettervorhersage: 25 Minuten (bisher 60 Minuten)
Anzahl hoch auflösender Berechnungen für Wettervorhersagen pro Tag: 8 (bisher 2)
Als Folge von Naturkatastrophen und extremer Wetterereignisse kommen jedes Jahr unzählige Menschen ums Leben, aber auch die ökonomischen Schäden sind gewaltig.
Wirbelstürme wie Katrina (August 2005) haben neben unendlichem Elend auch volkswirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe verursacht. In der Schweiz kommt es regelmässig zu Überschwemmungen mit grossen Folgeschäden.
An verbesserten Wettervorhersagen existiert somit auch ein direktes ökonomisches Interesse. Namentlich Versicherungsgesellschaften und internationale Rückversicherer drängen darauf.
Die Verbesserung der Leistungsfähigkeit von Supercomputern geht einher mit der Verbesserung von Wettervorhersagen.
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