Schweizer Wirtschafts-Know-How für Vietnam
Die Schweizer Entwicklungs-Zusammenarbeit hat positive politische und ökonomische Auswirkungen auf die am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften Asiens.
Aussenministerin Micheline Calmy-Rey unterstrich an einer Entwicklungs-Konferenz, wie wichtig solche Kooperationen sind.
«Schweizer Investitionen können nur Früchte tragen, wenn unsere Partnerländer bereit sind, die Herausforderungen anzunehmen», sagte Calmy-Rey an der Jahreskonferenz der Entwicklungs-Zusammenarbeit in Lausanne.
Organisiert wurde der Anlass von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) sowie dem Staatssekretariat für Wirtschaft (seco). Das diesjährige Gastland Vietnam sei ein gutes Beispiel für die entwicklungspolitische Kooperation, so Calmy-Rey weiter.
Als höchster Vertreter des DEZA-Schwerpunktlandes Vietnam nahm Vize-Premierminister Vu Khoan – an der Spitze einer grossen Delegation – an der Konferenz in Lausanne teil.
18 Millionen für Vietnam
«Wir schätzen die Unterstützung durch die Schweiz sehr», sagte Vu Khoan gegenüber swissinfo. «Sie nimmt beispielsweise eine sehr wichtige Rolle bei der Förderung unserer Exporte ein.» Das schweizerische Engagement in Vietnam beläuft sich dieses Jahr auf 18 Mio. Franken.
«Vietnam ist eine Erfolgsgeschichte», sagt auch DEZA-Vizedirektor Adrian Schläpfer. In Vietnam arbeitet die DEZA, die zum Aussenministerium Calmy-Reys gehört, eng mit dem seco zusammen. Dieses ist ein Teil des Wirtschaftsministeriums von Bundesrat Joseph Deiss.
«Wir haben dasselbe Ziel: die Armutsbekämpfung», erklärt Oscar Knapp, Chef der Abteilung Entwicklung und Transition im seco. «
Vietnam ist das zweitärmste Land der Region, hat aber nach China das zweithöchste Wachstum der Region. «In den letzten Jahren hat sich die Armut in Vietnam fast halbiert», so Knapp.
Multis und KMU vor Ort
Die privaten Schweizer Investitionen in Vietnam beliefen sich im letzten Jahr auf 800 Mio. Franken. Damit ist die Schweiz hinter Frankreich, Grossbritannien und den Niederlanden der viertgrösste europäische Investor.
«Nestlé kauft einen Viertel unseres Kaffees, und der Zementkonzern Holcim ist ebenfalls sehr erfolgreich», freut sich Vu Khoan über Schweizer Unternehmen in seinem Heimatland.
Aber nicht nur multinationale Unternehmen sind an Geschäften interessiert. «Das Interesse von kleineren und mittleren Unternehmen ist enorm», sagt Knapp über die KMU. An einem Konferenz-Workshop zu Investitions-Möglichkeiten nahmen denn auch über 200 Personen teil. Darunter Manager, Lehrer, Architekten, Verkäufer und eine Pianistin.
«Vietnam ist höchst interessant zum Investieren», sagt ein Geschäftsmann aus der Westschweiz, der mit einem ehemaligen hohen Beamten des vietnamesischen Handelsministeriums Kaffee trinkt. Aus Furcht vor der Konkurrenz möchte er seinen Namen und sein Geschäftsfeld jedoch nicht gedruckt sehen.
Nicht nur wirtschaftliche Ziele
Zwar reden viele an der Entwicklungs-Konferenz von Investitionen, Geschäften, Exporten und der Welthandels-Organisation WTO. Aussenministerin Calmy-Rey betonte aber auch: «Unsere Partnerländer müssen unsere Vorstellungen von weltweiter Stabilität, nachhaltiger Entwicklung Menschenrechten teilen.»
Was Vu Khoan unterstützt: «Nicht nur die ökonomische, auch die soziale Entwicklung ist uns wichtig», sagt er. «Unsere Leuten wollen vor allem Arbeit haben und ein Leben ohne Krieg.» Seine Regierung garantiere das Recht auf freie Meinungsäusserung und die Glaubensfreiheit. Die Todesstrafe, sagt er, werde meist nur gegen Drogenschmuggler verhängt.
Für Gedanken hinter Gitter
Für einige wenige Demonstrierende vor dem Konferenz-Gebäude, Vertreter einer Exil-Vietnamesen-Organisation, sind das nur Lippenbekenntnisse. «In Vietnam sitzen Menschen – Ärzte, Historiker, Journalisten, Priester – im Gefängnis, weil sie ihre Meinung geäussert haben», sagt die Studentin Thi Thuy-Co Hoang. Ihre Organisation verlange, dass die Schweizer Wirtschaftshilfe an eine stärkere Respektierung der Menschenrechte gebunden werde.
Die Vertreter von DEZA und seco stellen sich auf den Standpunkt, dass die ökonomische Öffnung zwangsläufig von einer politischen Öffnung begleitet wird.
Sparrunde bei der DEZA?
Die Wirtschaft wird also auch weiterhin ein wichtiger Partner für die Entwicklungs-Zusammenarbeit sein. Auch Calmy-Rey weiss: «Wirtschaftlich schwierige Zeiten und staatliche Defizite verlangen von uns Entscheidungen, was wir machen müssen, und was wir gerne machen möchten. Für gewisse Menschen fällt die Entwicklungs-Zusammenarbeit in die zweite Kategorie», sagte sie. «Meine Ansicht ist das nicht», so die Aussenministerin.
Wo die DEZA bei einer Budgetkürzung sparen könnte, kann Vizedirektor Adrian Schläpfer nicht sagen. «Unser Engagement ist langfristig, wir können unsere Mittel nicht einfach aus Projekten abziehen. Jede Kürzung wäre ein Schnitt ins Fleisch der Entwicklungs-Zusammenarbeit.»
swissinfo, Philippe Kropf, Lausanne
Die internationale Hilfe für Vietnam beträgt 2003 rund 3,5 Mrd. Fr.
Die Schweiz steuert 2003 dazu gut 18 Mio. Fr. bei.
Die Schweizer Unterstützung konzentriert sich auf den Bausektor, die Landwirtschaft, die Maschinenindustrie und die Heilmittel-Produktion.
DEZA-Direktor Walter Fust sagte, dass immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Hilfswerken ihren Einsatz mit dem Leben bezahlen müssen.
Für sie, aber vor allem für den am Vortag in Genf beerdigten UNO-Sonderbeauftragten für den Irak, Sergio Vieira de Mello, legten Fust und die über 1000 Konferenz-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer in Lausanne eine Schweigeminute ein.
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