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Sieben Kilometer der Jahrhundert-Baustelle sind blockiert

Mineure im Gotthard-Tunnel: Derzeit sind die Arbeiten bei Erstfeld blockiert. Keystone Archive

Der Beginn der Arbeiten am letzten Teilabschnitt des neuen Eisenbahntunnels am Gotthard ist wegen eines Rekurses seit einem Jahr blockiert.

Die Situation in Erstfeld im Kanton Uri ist brisant und führt zu Verstimmungen. Die Verzögerung bringt Kosten von 100’000 Franken pro Tag mit sich.

Beim Bau der «Neue Eisenbahn-Alpentransversalen» (Neat) am Gotthard gibt es immer wieder Überraschungen. Und meistens sind sie wenig erbaulich für den Schweizer Steuerzahler.

Die letzte heisst «Baulos 151». Hinter diesem Namen verbirgt sich ein Tunnelabschnitt von 7,8 Kilometern Längen zwischen Erstfeld und Amsteg im Kanton Uri.

Die Arbeiten hätten schon Ende 2005 beginnen sollen. Doch wegen eines Rekurses um die Vergabe des Bauloses ist bis heute nichts geschehen. Der Rekurs hat aufschiebende Wirkung.

Die Auseinandersetzung begann im August 2005, als die Alptransit Gotthard AG ( ATG) als Bauherrin dem österreichisch-schweizerischen Konsortium Strabag den Zuschlag für das Baulos erteilte. Die Offerte lag bei 430 Mio. Franken.

Mangelnde Transparenz beklagt

Die Schweizer Baugruppe Marti hatte den Kürzeren gezogen. Ihre Offerte lag um 2,6 Mio. Franken höher. Marti focht den Vergabeentscheid gleichwohl bei der Eidgenössischen Rekurskommission an und erhielt Recht. Doch im Mai 2006 bestätigte die Alptransit AG «nach tief gehender Analyse» ihren ursprünglichen Entscheid.

Die Baugruppe Marti gab sich nicht geschlagen und rekurrierte erneut. Und die Rekurskommission gab der Beschwerde erneut recht. Nach Ansicht von Marti sind die Prinzipien der Gleichbehandlung und Transparenz verletzt worden.

Die Ausschreibung hätte vorgesehen, eine detaillierte Kostenaufstellung einzureichen und kein Pauschalangebot wie die Strabag. Gemäss Rekurskommission ist das Konsortium Strabag im Falle einer Abänderung des Projekts zudem weniger interessant als Marti.

Verluste von 100’000 Franken pro Tag

Die Situation ist festgefahren. Und die Alptransit AG befindet sich in der Sackgasse. Bei jedem Entscheid muss die Bauherrin mit einer Beschwerde des unterlegenen Unternehmens rechnen.

Der Streit verzögert nicht nur die Eröffnung des Basistunnels (bereits ist von acht Monaten die Rede), sondern kostet auch sehr viel Geld: 100’000 Franken am Tag oder 3 Mio. pro Monat.

Das ist zwar viel Geld, aber wenig im Verhältnis zu den Neat-Gesamtkosten, die vom Direktor des Bundesamtes für Verkehr, Max Friedli, inzwischen auf fast 24 Mrd. Franken beziffert werden.

Schlechte Stimmung

Das Hickhack um das Baulos Erstfeld hat für viel Unmut gesorgt – eine weitere Sorge in Sachen Alptransit. Der Glarner Ständerat This Jenny sprach während der jüngsten Parlamentssession von «Machenschaften bei den Alptransit-Kadern», gegen die der Bundesrat vorgehen müsse.

Der SVP-Vertreter Jenny liess am Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung der Alptransit AG kein gutes Haar. Bundesrat Moritz Leuenberger warf er zudem vor, die Kontrolle über das Projekt vollkommen verloren zu haben.

Leuenberger verteidigte sich mit dem Argument der Gewaltenteilung. Er könne als Bundesrat nicht auf Entscheide von Gerichten oder Rekurskommissionen Einfluss nehmen. Er bot sich aber gleichzeitig an, als Mediator zwischen den konkurrierenden Baufirmen aufzutreten.

Unterkommission gebildet

Die Mehrheit der Ständeräte wertete Jennys Aussagen als übertrieben. Trotzdem gibt es beim Thema Alptransit ein gewisses Unwohlsein im Parlament. Eine Subkommission der Neat-Aufsichtsdelegation soll nun untersuchen, ob in Jennys Aussagen ein Kern Wahrheit steckt.

«Wenn die Rekurskommission zweimal einen Entscheid der Alptransit AG widerrufen hat, zeigt dies, dass möglicherweise nicht mit der nötigen Kompetenz gearbeitet wurde», meint Nationalrat Fabio Abate (FDP), Mitglied der parlamentarischen Neat-Aufsichtsdelegation.

Die neue Subkommission soll auch «Informationsprobleme innerhalb von Alptransit» unter die Lupe nehmen. Laut Abate tragen diese dazu bei, Zweifel und Unsicherheiten zu schüren.

swissinfo, Daniele Mariani
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Der erste vom Parlament 1999 bewilligte Kredit für die Neat belief sich auf 12, 6 Mrd. Franken.
2001 wurde der Kostenvoranschlag der Teuerung angepasst und kletterte auf 14,7 Mrd. Franken
Inzwischen werden die Gesamtkosten auf 16,5 Mrd. Franken geschätzt.
Gemäss dem Direktor des Bundesamtes für Verkehr, Max Friedli, könnte sich die Rechnung am Ende auf 24 Mrd. Franken belaufen.

Das Projekt der «Neue Eisenbahn-Alpentransversale» (Neat) wurde 1998 in einer Volksabstimmung angenommen. Es besteht aus drei Hauptelementen:

1) Ausbau der Gotthard-Achse, insbesondere durch den Bau eines neuen, 57 Kilometer langen Basistunnels zwischen Erstfeld (Kanton Uri) und Bodio (Tessin). Mit dem Bau wurde 1999 begonnen, die Inbetriebnahme ist für 2016 vorgesehen. Momentan sind mehr als 100 der insgesamt 153,5 Kilometer an Tunneln, Schächten und Stollen ausgebrochen.

2) Ausbau der Lötschberg-Simplon-Achse. Die Inbetriebnahme des neuen Basistunnels am Lötschberg (34,6 Kilometer) zwischen Frutigen (Kanton Bern) und Raron (Kanton Wallis) ist für 2007 vorgesehen. Der Aushub der 99 Kilometer an Tunnels und Stollen wurde letztes Jahr abgeschlossen.

3) Integration der Ostschweiz ins Neat-System. Ausbau der Achse St. Gallen – Arth Goldau (Kanton Schwyz)

Eine interaktive Präsentation (Engl.)

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