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Spenden geht schnell, helfen dauert lange

SAH-Managerin Karin Voigt mit Begünstigten in Thalaikyadi. swissinfo.ch

Eigentlich hätten zum Jahrestag des Tsunami in Sri Lanka alle Geschädigten wieder ein eigenes Haus haben sollen. Doch ganz so schnell geht es nicht.

Auch Schweizer Hilfswerke sind bei ihrer Aufbauhilfe für Tsunami-Geschädigte auf unerwartete Schwierigkeiten gestossen. Ein Augenschein an der Nord- und Ostküste von Sri Lanka.

Ramesh hat die Katastrophe überlebt. Am 26. Dezember 2004 war er morgens mit seinem Fischerboot unterwegs. Die Tsunami-Welle erfasste ihn, zerstörte das Boot. Schwimmend erreichte er das Ufer, nur leicht verletzt. Seine ältere Schwester starb in den Fluten.

Heute, fast ein Jahr nach dem schrecklichen Seebeben, das auf Sri Lanka rund 35’000 Menschen das Leben kostete und fast eine Million obdachlos machte, steht der 20-Jährige lächelnd vor einem neuen Haus. In Kürze kann er zusammen mit seiner Ehefrau einziehen.

Es ist Teil eines Umsiedelungsprojekts des Schweizer Hilfswerks Helvetas in Panichchankerni, einem tamilischen Dorf zirka 50 Kilometer nördlich von Batticaloa an der Ostküste Sri Lankas. Das von der Welle weggefegte Fischerdorf zählte 3000 Einwohner, 63 von ihnen starben.

Unvorhergesehene Schwierigkeiten

Panichchankerini ist eines von etlichen zerstörten Dörfern auf Sri Lanka, in denen Schweizer Hilfswerke Wiederaufbauhilfe leisten. Nicht überall sind die Projekte so weit fortgeschritten wie an diesem Ort.

«Man stellt sich das so leicht vor: einfach hingehen und Häuser bauen», sagt René Schärer, der als Architekt für das SRK auf der Insel tätig ist. In Nasivanthivu, mitten in einem Lagunengebiet an der Ostküste, zieht er 250 hübsche Häuschen mit geschwungenen Dächern im tropischen Stil hoch.

Ein Modellhaus steht schon. Überall sind die Fundamente gegossen. Doch seine ursprünglichen Pläne musste Schärer den lokalen Gebräuchen und Glaubensvorstellungen anpassen. So verschwand etwa die offene Veranda hinter einer Mauer, die Küche mit Feuerstelle wurde versetzt. «Es ist immer komplizierter, als man denkt», meint Schärer.

Kriegswirren im Norden

Alle Hilfswerke haben mit Problemen zu kämpfen – beispielsweise mit der Knappheit an Baumaterialien. Der Tsunami hat einen Boom ausgelöst; die Preise für Sand und Zement sind in die Höhe geschossen.

Caritas in Trincomalee hilft sich daher selber: Projektleiter Götz Rauschenberger hat eine kleine Manufaktur auf die Beine gestellt, in der täglich 400 Beton-Hohlblocksteine gefertigt werden. Dank dem Programm «Cash for work» können einige Taglöhner hier Arbeit finden.

Im Norden der Insel, einem Gebiet, das von der tamilischen Rebellenorganisation LTTE kontrolliert wird, kämpfen NGO wie Helvetas auch mit der lokalen Bürokratie. «Jeder Projektschritt muss von der Regierung und der LTTE abgesegnet werden», sagt Projektleiterin Karin Voigt.

Warten auf das eigene Haus

In der Gegend um Thallaiyadi leben die Menschen noch in Übergangsheimen, mit dem Bau der neuen Häuser konnte noch nicht begonnen werden. Zuletzt verunmöglichte die aussergewöhnlich intensive Regenzeit den Baubeginn.

«Das ist für viele frustrierend, ich kann das nachvollziehen», sagt Voigt. Der Bevölkerung seien von der Regierung aber auch falsche Versprechungen gemacht worden: «Ein gutes Projekt braucht Zeit.»

Denn Landrechtsfragen müssen geklärt werden, die Gelände von Minen und Bomben befreit, die richtigen Häuser ausgesucht und schliesslich gebaut werden. Ausserdem gibt es intensive Diskussionen mit der Dorfbevölkerung.

Nicht nur Tsunami

Ob Norden, Osten oder Süden: Überall auf Sri Lanka tummeln sich ausländische Hilfswerke. Mehr als 200 NGO sind auf der Insel tätig. Sie verwalten und investieren enorme Summen an Tsunami-Geldern. Allein aus der Schweiz werden über 100 Mio. Franken nach Sri Lanka fliessen.

Für Ivan Blas Vuarambon, der die Hilfe von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) auf Sri Lanka koordiniert, übersteigt das Spendenvolumen den tatsächlichen Bedarf an Aufbaugeldern für Tsunami-Geschädigte. «Aber das Spendengeld hat Sri Lanka gleichwohl nötig», sagt der DEZA-Mitarbeiter bei einem Gespräch in Colombo.

Insbesondere gehe es auch darum, Opfern des Bürgerkriegs und intern Vertriebenen Personen zu helfen. Man müsse da Ausgleich schaffen, auch wenn die Spendengelder eigentlich gebunden sind.

Dieselbe Meinung vertritt Karin Voigt vom SAH : «Wir müssen vermeiden, dass die Spendengelder neue Ungerechtigkeiten in diesem Land erzeugen.»

Gerhard Lob, Sri Lanka

Tsunami: 26.Dezember 2004
Betroffene Gebiete auf Sri Lanka: Zwei Drittel der Küste
Opfer der Flutwelle: Zirka 35’000
Obdachlose: Zirka 1 Million
Spenden- und Aufbaugelder aus der Schweiz: 100 Mio Franken
Kosten für ein Haus: Zwischen 7000 und 10’000 Franken.

Im Rahmen der Wiederaufbauhilfe für die vom Tsunami geschädigten Länder nimmt Sri Lanka aus Schweizer Sicht einen Spitzenplatz ein. Der Inselstaat vor der Südspitze Indiens erhält die meisten Gelder vor Indonesien und Indien.

Auf Sri Lanka sind Dutzende von staatlichen Hilfsorganisationen und NGO tätig. Sie verfügen wahrscheinlich über mehr Geld, als es zum Wiederaufbau der zerstörten Gebiete braucht.

In Folge des 20-jährigen Bürgerkriegs zwischen der Regierung und der tamilischen Rebellenorganisation LTTE hat Sri Lanka enorme Probleme zu lösen. Die Hilfsorganisationen versuchen, einen Teil der Tsunami-Gelder auch für die Opfer des Bürgerkriegs einzusetzen.

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