Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Spitäler überdenken Sterbehilfe-Richtlinien

Wird im Lausanner Unispital bald begleitete Sterbehilfe praktiziert? Keystone

Führende Schweizer Spitäler überlegen sich, ob sie künftig begleitete Sterbehilfe in ihren Mauern erlauben sollen.

Laut Berichten der Sonntagspresse hat die Lausanner Universitätsklinik beschlossen, solche Praktiken ab Januar 2006 unter strengen Bedingungen zu gestatten.

Das Lausanner Universitäts-Spital hat am letzten Wochenende bestätigt, es werde der freiwilligen Sterbehilfe-Organisation Exit erlauben, todkranken Patienten sterben zu helfen, die zu krank seien, um nach Hause zurückkehren zu können.

Patienten, die auf eigenen Wunsch aus dem Leben scheiden möchten, müssen einen klaren Wunsch äussern, sterben zu wollen, bei vollem Verstand sein, an einer unheilbaren Krankheit leiden und den letzten Akt selbst durchführen können.

Am Montag gaben dann andere Schweizer Spitäler bekannt, sie diskutierten ebenfalls über den begleiteten Freitod in ihren Mauern.

«Wir erörtern das Thema. Unser Ethik-Forum hat darüber in seiner letzten Zusammenkunft am 30. November diskutiert», sagt Markus Hächler, Sprecher des Berner Universitätsspitals.

«Der gesamte Prozess wird aber einige Zeit in Anspruch nehmen, damit wir sicherstellen können, dass alle Involvierten daran teilnehmen können – Pflegepersonal, Ärzte und Sozialarbeiter.»

Intensive Diskussionen

Wie eine Sprecherin des Basler Universitätsspitals sagte, hat sich auch ihr Ethik-Komitee dieser Sache angenommen. Sie fügte jedoch hinzu, es sei momentan zu früh vorauszusagen, was bei den Beratungen herauskommen werde.

In der Vergangenheit seien schon mehrmals Anfragen für begleitete Selbstmorde eingegangen. Jede einzelne Bitte sei bisher jedoch zurückgewiesen worden.

Die Zürcher Universitätsklinik erklärte, die Frage sei momentan kein Thema, könnte es aber in Zukunft werden.

Gemäss der Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) und der Nationalen Ethik-Kommission (NEK) haben Sterbehilfe-Organisationen am Genfer Universitätsspital keinen Zutritt. Die Ethikkommission des Spitals habe jedoch empfohlen, das Verbot aufzuheben. Niemand in diesem Spital war jedoch bereit, dies gegenüber swissinfo zu bestätigen.

Die Bereitschaft der Spitäler, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, folgt auf die Anstrengungen der SAMV und der NEK.

Beide Organisationen wollten von den Kantonen im April dieses Jahres wissen, ob es in den Spitälern Regelungen gebe, ob und unter welchen Bedingungen Sterbehilfe-Organisationen zugelassen seien.

Gemäss der SAMV hat kein Kanton entsprechende Gesetze, und die Mehrheit der Spitäler hat dafür keine Richtlinien. Die meisten Spitäler mit Richtlinien verwehren Sterbehilfe-Organisationen den Zugang.

Begleiteter Selbstmord

Wie Margrit Leuthold, Generalsekretärin der SAMV, gegenüber swissinfo sagte, muss die Akademie nun nach der Entscheidung des Lausanner Universitäts-Spitals eine offizielle Position finden.

Sie bekundete aber auch Zweifel, ob solche Praktiken durch die Spitäler selbst erlaubt werden sollen. Für sie müsste das gesetzlich geregelt werden.

«Es gibt Situationen, in denen es keinen Sinn macht, todkranke Patienten nach Hause zu schicken, weil sie nicht mit der Hilfe von Exit im Spital sterben dürfen. Das kann viele zusätzliche Schmerzen und Umtriebe verursachen», sagte Leuthold.

«Aber ein Akut-Spital sollte ein Platz sein, wo die Menschen behandelt werden, um wieder gesund zu werden, nicht um zu sterben. Dies sendet ein gefährliches Signal aus und könnte auch für andere Patienten schwierig werden.»

Die Nationale Ethik Kommission – der Leuthold angehört – hat bereits festgehalten, dass es keinen ethischen Grund gebe, Sterbehilfe-Organisation von Spitälern fernzuhalten

swissinfo, Adam Beaumont und Agenturen
(Übertragung aus dem Englischen: Etienne Strebel)

Im Juli dieses Jahres hat die Schweizer Gesellschaft für Biomedizinische Ethik festgehalten, dass es Sterbehilfe-Organisationen wie Exit erlaubt werden sollte, unter gewissen Bedingungen legal arbeiten zu können.

Mitglieder der Gesellschaft waren dafür, begleitete Sterbehilfe in Spitälern genauso wie zu Hause zu erlauben.

Die Schweizer Akademie der Medizinischen Wissenschaften gab 2004 Richtlinien für Ärzte heraus, wie sie unheilbar kranken Patienten beim Sterben helfen könnten.

Das Schweizer Gesetz verbietet Sterbehilfe nicht, solange dies nicht aus Eigennutz geschieht.

In der Schweiz begleiten Sterbehilfe-Organisationen wie Exit oder Dignitas unheilbar kranke Patienten, die sich dazu entschlossen haben, freiwillig aus dem Leben zu scheiden.
Die Sterbehilfe darf jedoch nicht aktiv sein. Der Patient muss die tödliche Flüssigkeit selbst zu sich nehmen können. Die Organisationen sind nur dazu da, ihm zu helfen.
Im Bereich der Sterbehilfe ist die Schweiz eines der liberalsten Länder Europas.
2002 haben 137 Personen mit Hilfe von Exit Selbstmord begangen (10% der Selbstmorde in der Schweiz).

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft