Standortqualität: In der Nuance liegt die Chance
Die Standortpolitik in der Schweiz sollte laut Credit Suisse auf der Ebene der Regionen und weniger kantonal gemacht werden.
Die Grossbank ermöglicht mit ihrem Standortqualitäts-Indikator eine Nuancierung von Kantonen und Regionen bezüglich Standort-Gunst.
Dass der Kanton Zug im gesamtschweizerischen Vergleich der Standortgunst die Liste anführt und der Kanton Jura als Schlusslicht figuriert, ist nicht neu, wird aber durch das neue Mess-Instrument für Standortqualität der Credit Suisse nochmals bestätigt.
Das Instrument ermöglicht ein Ranking aller Kantone und Gemeinden nach ihrer Standort-Attraktivität. Dieses Ranking ist mach- und veränderbar, denn in der föderalistischen Schweiz können die Kantone mit ihrer Steuer-, Bevölkerungs- und Verkehrspolitik ihre Qualität als Standort stark beeinflussen.
Nidwalden: Abgelegen und dennoch standortgünstig
So sei es doch erstaunlich, sagt der für die CS-Studie verantwortliche Fredy Hasenmaile, dass ein eher abgelegener Halbkanton wie Nidwalden nach den Spitzenreitern Zug und Zürich bereits an 3. Stelle in der gesamteidgenössischen Standort-Gunst resultiere.
Und auch Appenzell Ausserhoden sei viel besser positioniert als beispielsweise St. Gallen oder das Tessin.
Diese Kantone, so Hasenmaile, machten ihre lagemässig nicht wegzuleugnenden Defizite vor allem mit ihrer Steuerpolitik wett. Verkehrstechnisch seien sie zwar schlechter erreichbar, dafür würden Privatpersonen und Unternehmen weniger stark besteuert.
Diese beiden Fiskal-Indikatoren machen denn auch für die CS die beiden wichtigsten Indikatoren der Standort-Qualität aus.
Es folgen der Ausbildungsstand der Bevölkerung und die Verfügbarkeit von hochqualifizierten Leuten (bevölkerungsmässige Indikatoren) sowie die Erreichbarkeit (verkehrstechnischer Indikator).
Das Thema braucht Versachlichung
«Die CS will mit ihrem Beitrag an die Klassifizierung der Standortgunst zur Versachlichung der Thematik beitragen», sagt CS-Chefökonom Alois Bischofberger.
Nur harte Fakten fliessen in den CS-Index – schwieriger messbare Kriterien wie Lebensqualität, schöne Landschaft oder behördliche Effizienz sind nicht miteinbezogen worden.
Die Standortqualität rückt seit der verstärkten Globalisierung immer mehr ins Lampenlicht – und zwar auch regional innerhalb der Schweiz. Denn wegen der Globalisierung hat sich der Standortwettbewerb überall verschärft.
Andererseits, so Bischofberger, hätten die Kantone aufgrund des Föderalismus bei der Festlegung der Rahmenbedingungen viel Freiraum. «Kantone und Gemeinden können also einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Region leisten.»
Nuancen im Mittelfeld: Stärken und Schwächen
Die meisten Kantone liegen in der CS-Klassifizierung im Mittelfeld. Doch wirklich interessante Standort-Unterschiede zeigen erst die Regionen. So habenZentren laut Hasenmaile «immer höhere Standortqualität». Dies führe dazu, dass Regionen mit Zentrums-Anschluss mehr Standortpotenzial aufwiesen als andere.
Andererseits zeigen sich innerhalb von Regionen wie der Zentralschweiz oder dem Tessin starke Standort-Qualitätsunterschiede auf engem Raum. Die CS illustriert dies am Umstand, dass beispielsweise der Raum Nidwalden/Engelberg besser als die Stadt Luzern abschneidet, dass wiederum das stadtnahe Entlebuch viel schlechter als die Stadt resultiert.
Auch die Ausbildungs-Qualität der Bevölkerung ist laut CS nicht eindeutig. Sie unterscheidet deshalb zwei Indikatoren: ‹Verfügbarkeit von Hochqualifizierten› und ‹Ausbildungsstand der Bevölkerung›. Damit eine Region als standortgünstig gelten könne, brauche es beide.
Der Uni-Kanton Freiburg habe zwar statistisch betrachtet viele Hochqualifizierte. Ein Grossteil von diesen seien jedoch Studierende, die nach dem Studium anderswo ihr Glück suchten, so dass der Ausbildungsstand der Bevölkerung unterdurchschnittlich bleibe, so Hasenmaile.
swissinfo, Alexander Künzle
Als Folge der Globalisierung hat sich der Standort-Wettbewerb überall deutlich verschärft.
Nicht nur international zwischen den Ländern, sondern auch innerhalb der Länder.
Da in der Schweiz der Föderalismus dazu beiträgt, dass die Kantone grosse Gestaltungsmöglichkeit haben, ergeben sich grosse Chancen, die Potenziale anzugehen.
Dies hat Auswirkungen auf die Regionalpolitik. Laut CS wäre es besser, die Standortpolitik auf einzelne Regionen zu konzentrieren – unabhängig von den kantonalen Grenzen, die nicht immer auch Wirtschaftsgrenzen sind.
Da im Vergleich mit Deutschland und Österreich der Finanzausgleich unter den Schweizer Kantonen (Regionen) viel geringer ist, sind auch die Möglichkeiten zum Standortwettbewerb grösser.
Im internationalen Vergleich verfügen die Kantone in der Schweiz über eine relativ grosse Steuerautonomie. Steuerwettbewerb ist deshalb gut möglich.
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