Start für neues Stammzellengesetz
Am 1. März tritt das neue Stammzellen-Forschungsgesetz in Kraft. Im November 2004 war es vom Volk gut geheissen worden.
Durch das neue Gesetz hat die Schweiz für die Forscher-Gemeinschaft ähnliche Rahmen-Bedingungen geschaffen wie Frankreich, die Niederlande, Dänemark oder Finnland.
Nach einer teilweise sehr hitzigen Debatte zwischen Befürwortern und Gegnern hat sich das Schweizer Stimmvolk am vergangenen 28.November mit 66,4% klar zugunsten des neuen Stammzellenforschungs-Gesetzes entschieden.
Das Gesetz regelt den Umgang mit Stammzellen, die aus menschlichen Embryonen gewonnen werden. Es erlaubt Forschern, Stammzellen aus so genannten überzähligen Embryonen zu gewinnen.
Im Kampf gegen degenerative Krankheiten
Dabei handelt es sich um Embryonen, die zum Zwecke der künstlichen Befruchtung im Reagenzglas entstanden sind, aber nicht in den Uterus der Frau eingepflanzt wurden.
Wissenschafter und Wissenschafterinnen hoffen, dass die Erforschung der Stammzellen erhebliche Fortschritte im Kampf gegen degenerative Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson und Diabetes bringt.
Referendum erfolglos
Das Gesetz war am 19. Dezember 2003 vom Parlament verabschiedet worden. Doch gegen die Vorlage wurde das Referendum ergriffen. Abtreibungsgegner, die den Schutz eines Embryo als höchstes Gut ansehen, und auch links-grüne Ökologen, die prinzipielle Bedenken gegenüber der Stammzellenforschung haben, sammelten die erforderliche Zahl von Unterschriften.
Doch die Mehrheit des Schweizer Volkes folgte den Argumenten der Initianten des Referendums nicht. So konnte die Regierung die entsprechende Verordnung erarbeiten und das Inkrafttreten des Gesetzes auf den 1.März festlegen.
Konkret bedeutet dies: Alle laufenden Forschungsprojekte müssen innerhalb von drei Monaten beim Bundesamt für Gesundheitswesen (BAG) gemeldet werden. Diese Klausel betrifft eigentlich aber nur ein Forschungsprojekt der Biologin Marisa Jaconi.
Sie betreibt in Genf – als bisher einzige Wissenschafterin in der Schweiz- an aus den USA importierten Stammzellen Forschung. Das Projekt war 2001 vom Schweizer Nationalfonds für wissenschaftliche Forschung bewilligt worden. Dieser Entscheid gab letztlich den Anstoss zu einer breiten Debatte über Stammzellenforschung und führte damit zum neuen Gesetz.
Bewilligungsverfahren beim BAG
Neue Forschungsprojekte müssen ein Bewilligungsverfahren beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) durchlaufen und von einer zuständigen Ethikkommission beurteilt werden.
«Wir erwarten nicht, dass sofort am 1. März viele Bewilligungsanträge eingehen», sagt Anita Holler von der Abteilung für Biomedizin am BAG. Während der Debatte, die der Referendumsabstimmung vorausging, hatte einige Forscher unterstrichen, dass sie mit neuen Projekten zuwarten, bis der neue gesetzliche Rahmen festgelegt ist.
«Die ersten Bewilligungen werden vermutlich den Import von Stammzellen betreffen, da die Entwicklung eigener Stammzellenlinien aus überzähligen Embryonen eine langwierige Angelegenheit ist», meint Holler.
Die gesetzlichen Schranken
Das neue Gesetz legt die Grenzen der embryonalen Stammzellenforschung genau fest. So ist es ausdrücklich verboten, einen Embryo zu Forschungszwecken zu erzeugen, einen Klon, eine Chimäre oder ein Hybrid zu bilden.
Die Stammzellen dürfen nur bis zum siebten Tag nach Entstehung eines Embryos gewonnen werden. Der Gebrauch zu kommerziellen Zwecken ist verboten.
Zudem dürfen überzählige Embryonen nur dann verwendet werden, wenn die betroffenen Paare frei und schriftlich einwilligen und über das Forschungsprojekte informiert wurden.
Werden Paare diese Einwilligung geben? «Ich glaube schon», ist Anita Holler überzeugt. «Denn gemäss dem neuen Gesetz stehen Paaren nun zwei Optionen offen: die Vernichtung der überzähligen Embryonen oder ihre Verwendung zu Forschungszwecken.» Zuvor hätten sie gar keine Wahl gehabt.
Bei Verstössen gegen das Gesetz sind Strafen bis zu 500’000 Franken oder Gefängnis bis zu fünf Jahren vorgesehen.
Schweiz geht einen Mittelweg
Mit dem neuen Gesetz hat die Schweiz für Wissenschafter ähnliche Rahmenbedingungen geschaffen wie Frankreich, die Niederlande, Dänemark oder Finnland.
«Unser Land hat einen Mittelweg eingeschlagen zwischen Grossbritannien, wo eine sehr liberale Praxis herrscht, und Deutschland, wo die Stammzellenforschung äusserst rigide gehandhabt wird», sagt Anita Holler.
In der Tat ist es in Grossbritannien sogar erlaubt, Embryonen zu Forschungszwecken herzustellen. Deutschland hingegen erlaubt die Forschung an importierten Stammzellen, verbietet aber die Gewinnung von neuen Stammzellenlinien aus überzähligen Embryonen im eigenen Land.
«In jedem Fall sind die Rahmenbedingungen für die Forschergemeinschaft in der Schweiz im Vergleich mit ihren europäischen Kollegen gut», schliesst Holler.
swissinfo, Andrea Tognina
(Übersetzung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)
In der Schweiz tritt am 1.März 2005 das neue Stammzellenforschungsgesetz zusammen mit der entsprechende Verordnung in Kraft, die die Forschung mit embryonalen Stammzellen reglementieren.
Das Gesetz war in einer Referendumsabstimmung am 28. November 2004 vom Schweizer Stimmvolk mit Zweidrittelmehrheit angenommen worden.
Embryonale Stammzellen sind unentwickelte Zellen mit einem sehr grossen Entwicklungspotenzial – zum Beispiel zur Entwicklung von Körperzellen als Haut-, Herz- oder Nervenzellen.
Die Wissenschafter hoffen, durch die Forschung mit Stammzellen grosse Fortschritte im Kampf gegen degenerative Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson und Diabetes zu erreichen.
Stammzellen sind vor allem zu Beginn einer embryonalen Lebensform vorhanden, wenn sich die Zellen nach der Befruchtung vermehren.
Stammzellen können aus überzähligen Embryonen entnommen werden, die bei Unfruchtbarkeitstherapien übrig bleiben.
Im Knochenmark oder in der Nabelschnur hat man so genannte adulte (erwachsene) Stammzellen gefunden. Doch ist nicht klar, wie potent diese sind.
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