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Staunen über die Weltklasse

Die Maurer im Wettkampf um die Medaillen an der Berufs-WM in St. Gallen. swissinfo.ch

An der Berufs-WM in St. Gallen kämpfen junge Berufsleute aus 37 Nationen um Gold, Silber und Bronze.

Die besten Berufsleute der Welt zeigen, was Handwerk kann. Die Organisatoren glauben an eine Breitenwirkung, die von der WM ausgeht.

«Bitte nicht stören!» Diese Aufforderung an die Besucherinnen und Besucher ist an vielen Arbeitsplätzen zu finden. Die rund 700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Berufsweltmeisterschaft in St. Gallen müssen vier Tage lang voll konzentriert arbeiten. Die Aufgaben sind anspruchsvoll.

Doch die gewünschte Ruhe ist oft Wunschdenken. Die WM-Teilnehmer müssen ihre Spitzenarbeit unter den Augen von vielen tausend Schaulustigen vollbringen. Insgesamt werden über 150`000 Leute den Wettkämpfen beiwohnen.

Bewundernswert

Und um einen Wettkampf handelt es sich in der Tat. An identisch hergerichteten Arbeitsplätzen arbeiten die Kandidatinnen und Kandidaten an vier Tagen von 9 bis 17 Uhr. Während der Arbeit ist der Kontakt zum Publikum untersagt. Tipps von draussen können nicht eingeholt werden. Doch Small Talk mit den Zuschauern würde auch nicht drin liegen.

Es ist faszinierend, den Topleuten aus aller Welt bei der Arbeit zuzusehen. Volle Konzentration ist angesagt, und über allem wacht die strenge Jury, welche jeden Handgriff begutachtet und ins grosse Buch einträgt.

Die Fliesenleger, zum Beispiel, müssen über hundert Messpunkte treffen. Die Arbeit der Floristinnen und Floristen brachte wahre Kunstwerke zum Erblühen. Die Halle staunte. Etwas schwieriger für die Besucher waren die Leistungen der Webdesigner zu beurteilen.

Die Bewertung allerdings braucht ihre Zeit. Erst drei Tage nach dem Wettkampf sind die Ergebnisse bekannt. Anschliessend werden die Gold- Silber- und Bronzemedaillen vergeben.

Spitzenleistungen spornen an

«Wir haben innert zwei Wochen eine Fabrik mit 700 Arbeitsplätzen aufgebaut», sagt Armin Mühlematter, der Präsident des Organisationskomitees und Kenner der Schweizer und internationalen Berufsausbildung.

Die WM sei ein Sportanlass. Wer hier antrete, sei ein Spitzenberufsmann aus dem jeweiligen Land. Für die Schweiz nehmen die Schweizer Berufsmeister und Berufsmeisterinnen teil. «Unter Stressbedingungen werden hier berufliche Hochleistungen vollbracht», sagt Mühlematter.

Die besten der Welt zeigen in St. Gallen, was im Handwerk möglich ist. Für Mühlematter ist klar: «Spitzenleistungen spornen an und wirken in die Breite. Im Sport, wie in der Berufsarbeit.»

Einmarsch der Nationen

Und genau wie ein Sportanlass wurden die 37. Berufsweltmeisterschaften auch eröffnet. Wie man das von den Olympischen Spielen her kennt, marschierten die Delegation mit der jeweiligen Landesfahne an der Spitze in die prallvolle Kreuzbleichehalle ein. Begleitet von «länderspezifischer» Musik und frenetisch applaudiert von den Landsleuten.

Am meisten Applaus kriegte die Delegation aus Südafrika. Sie besteht aus zwei weiblichen Teilnehmerinnen in einem doch noch stark männlich geprägten Teilnehmerfeld.

Sonst fiel an der Eröffnung noch auf, dass Schwarzafrika – ausser Südafrika – und Südamerika fehlten. Die Vielzahl der Teilnehmenden kommen aus Europa und Fernost. Auch Kanada ist mit einer grossen Delegation dabei.

Erwähnenswert: die Wirtschaftsmacht Nummer eins, die USA, sind nur mit einer Handvoll Teilnehmer da. «Die kennen halt keine Berufslehre», begründet Armin Mühlematter diesen Umstand. Wer aus den USA da ist, wurde angelernt und kann nur dank privaten Sponsoren in St. Gallen teilnehmen.»

Schweizer Modell beispielhaft

Damit spricht der OK-Präsident die umfassende Schweizer Berufsausbildung in den gewerblichen Berufen an. Sie wurde an der Eröffnung vom Schweizer Wirtschaftsminister Joseph Deiss auch ausdrücklich hervorgehoben.

Dass die jungen Leute hier eine fundierte Berufsausbildung erhalten, war für Deiss die zentrale Aussage seiner Rede vor den offiziellen Vertretern aus den teilnehmenden Ländern.

Die Berufs-Ausbildung ist denn auch ein viel diskutiertes Thema rund um die Weltmeisterschaften. Für Armin Mühlematter ist die duale Berufsausbildung, das Schweizer Modell, die beste Berufsausbildung.

Das sagt er nicht, weil er Chauvinist ist, sondern weil er sich seit Jahren intensiv mit Berufsausbildung beschäftigt und ein international anerkannter Fachmann auf diesem Gebiet ist.

Dass die Praxis im Lehrbetrieb und die Theorie in der Gewerbeschule geholt wird, sei ein System das sich bewährt habe. «Nun haben wir es mit der Berufsmatur, die zum Studium an einer technischen Hochschule berechtigt, durchlässiger gemacht», sagt der OK-Präsident.

Gegengewicht zur Uni

Die Berufslehre sei eine Ergänzung der auch in der Schweiz immer noch prestigeträchtigeren Universitäts-Ausbildung. Es brauche aber beides für einen erfolgreichen Werkplatz. Viele der jungen Berufsleute würden später einen Betrieb leiten. Die meistens Unternehmen in der Schweiz sind kleine und mittlere Betriebe.

Das Interesse im Ausland an der dualen Berufsbildung der Schweiz sei gross, sagt Mühlematter. Viele Länder gingen in eine ähnliche Richtung. Denn, dass die jungen Leute früh in den Arbeitsprozess eingebunden würden, hole sie auch «von der Strasse».

«Sie müssen im Lehrbetrieb schnell einmal Verantwortung übernehmen. Für mich enorm wichtig für die Entwicklung von jungen Leuten», sagt Mühlematter.

Kompetente Zuschauer

Aber es gibt auch andere Wege zur beruflichen handwerklichen Spitzenleistung. Vor allem die fernöstlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer – sie holen eine Vielzahl der Medaillen – würden richtiggehend auf die Aufgabe an der WM getrimmt. Ein Medaillengewinner sei dort eine gesuchte Person und müsse sich nicht um die Zukunft sorgen, sagt Mühlematter.

Der Medaillenspiegel lasse deshalb wohl Rückschlüsse auf die Fähigkeiten der teilnehmenden Länder zu, nicht aber auf die breite Berufsbildung.

Diese breite Berufsausbildung in der Schweiz kommt auch den Organisatoren in St. Gallen zugute. Viele tausend Gewerbeschülerinnen und – schüler bevölkern das Gelände. Zahlreiche Berufsleute aller Altersklassen können die Arbeiten fachkundig und aus eigener Erfahrung heraus bewerten. Zahlreiche Fachgespräche sind die Folge.

«Das habe ich noch ganz anders gelernt», sagt ein älterer Herr zu seinem Nachbarn. Der findet, «die Jungen müssen heute viel mehr können als wir früher, dafür haben sie es auf dem Arbeitsmarkt schwieriger.»

swissinfo, Urs Maurer, St. Gallen

Die Wettkämpfe dauern vom 19. bis 22. Juni.
Am 25. Juni finden Siegerehrung und Abschlussparty statt.

In jedem Beruf wird eine Gold-, Silber- und Bronzemedaille abgegeben.

Wer über 500 Punkte erreicht und nicht unter den ersten drei platziert ist, erhält ein Diplom.

Als «Beste/Bester der Nation» wird ausgezeichnet, wer die höchste Punktzahl seines Landes erreicht.

Die Frau mit der höchsten Punktzahl in einem männlich dominierten Beruf erhält einen Spezialpreis.

Wer die höchste Punktzahl aller Berufe erreicht, kriegt den Albert-Vidal-Preis.

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