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Telearbeit: Arbeitswelt von morgen ?

Mobile Arbeitsformen: Mehr Flexibilität und mehr Zeit für die Familie Keystone

Seit vielen Jahren wird über neue Zeit- und Arbeitsmodelle diskutiert. Von der gleitenden Arbeitszeit bis zum Desk Sharing ist viel geschehen. Die grösste Revolution stehe aber noch bevor, sagen Fachleute. Denn die Arbeitswelt verändere sich so schnell wie nie zuvor.

Der Status der Vollzeitangestellten werde in kurzer Zeit erodieren, prognostiziert auch die neueste Studie des Schweizerischen Wissenschafts- und Technologierats. Dann werde nur noch eine Minderheit zu 100 Prozent bei einem einzigen Arbeitgeber tätig sein.

Vom Büroschreibtisch zum mobilen Arbeitsplatz

Globalisierung, Flexibilisierung, Mobilität – angetrieben vom technischen Fortschritt erlebe die Wirtschaft die grösste Umwälzung seit der industriellen Revolution, sind sich Zukunftsforscher einig. In unserer Informations-Gesellschaft werde die Grenze zwischen Berufs- und Privatleben, zwischen Arbeits- und Freizeit immer durchlässiger.

Telearbeit, Portfolio-, Global- und Knowledge-Workers – der Begriffe sind viele, die eine mobile Tätigkeit umschreiben.

Unter «Telearbeit» verstehen die Autoren der Studie allgemein berufliche Erwerbstätigkeit an einem Arbeitsplatz, der mit Bildschirm ausgerüstet, betriebsorganisatorisch dezentral zu Hause oder in der Nähe des Wohnorts eingerichtet ist und Telekommunikations-Verbindung zu einem räumlich entfernten Standort des Arbeit – oder Auftraggebers ermöglicht.

Mobile Arbeit in verschiedensten Branchen

Telearbeit wird in den unterschiedlichsten Betrieben angewandt – vom Ein-Personen-Betrieb zum Grosskonzern. In der Schweiz werde hauptsächlich in Branchen mobil gearbeitet, die schon immer einen engen Kundenkontakt gesucht hätten, erklärte Lucienne Rey, Mitverantwortliche der Studie, gebenüber swissinfo. So hätten beispielsweise viele Versicherungen die mobile Arbeit eingeführt. Aber auch viele kreative und freie Berufe würden sich für die Telearbeit anbieten.

Oft wird Telearbeit als Mittel gesehen, um namentlich Frauen eine Möglichkeit zu geben, von zu Hause aus einem Zusatzerwerb nachzugehen. Die Studie weist allerdings darauf hin, dass Männer unter den Telearbeitenden nicht seltener zu finden sind als Frauen.

Ausserdem handle es sich mehrheitlich um Personen, die qualifizierte Tätigkeiten ausübten und meistens über eine hohe Ausbildung verfügen.

Die Autoren der Studie schätzen, dass in der Schweiz gut 130’000 unselbständige Erwerbende (also 4 Prozent der Schweizer Beschäftigten) Telearbeit im weiten und 25’000 (1 Prozent) Telearbeit im engen Sinn betreiben.

Als «Familienmodell» propagiert

Mobile Arbeit sei eine Lösung, die ökonomisch und ökologisch interessant sei, weil sie Zeit, Energie und Kosten spare. Den grössten Vorteil sieht Rey darin, dass man Arbeitszeit und Freizeit oder Engagement für die Familie besser miteinander in Einklang bringen kann.

Ausbeutung und Isolation ?

Andererseits wird der mobilen Arbeitsform vorgeworfen, dass die Infrastruktur-Kosten auf die ArbeitnehmerInnen abgewälzt werden – und dass durch Telearbeit und Arbeit auf Abruf gerade Frauen vermehrt ausgebeutet werden.

Studien, die im Lauf der 80er Jahren die ersten Telearbeits-Projekte unter die Lupe nahmen, kamen zu einem eher kritischen Fazit: Oftmals sei es nahezu unmöglich, Arbeits- und Freizeit von einander zu trennen.

Als weiterer Nachteil der Telearbeit wird die Gefahr aufgeführt, von den informellen Gesprächen am Firmensitz abgeschnitten zu sein und zunehmend in Isolation zu geraten. Auch sei es für Tele-Arbeitende schwieriger, auf der Karriereleiter empor zu kommen.

Schweiz nicht mehr in Vorreiter-Position

Die Schweiz gehörte bei gewissen Formen der mobilen Arbeit zu den Pionieren in Europa, fügte Rey hinzu. Diese Vorreiter-Position habe die Schweiz allerdings nicht beibehalten können. Sie sei jetzt von anderen europäischen Staaten überholt worden, hauptsächlich von nordischen Ländern.

«Ein Argument, das häufig ins Feld geführt wird, ist, dass wir in der Schweiz keine grossen geographische Distanzen haben, die das unterstützen», begründete Rey die Situation.

Thema «Telearbeit» auch an der Internet-Expo in Zürich

In Zürich findet vom 07. bis 09.Februar die Internet-Expo (iEX) statt. Dort werden u.a. neue Formen und die Infrastruktur der Telearbeit vorgestellt.

Alina Kunz Popper

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