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Tessiner Flüsse – so schön, so gefährlich

An der Maggia bei Ponte Brolla kommt es immer wieder zu Unfällen. swissinfo.ch

Das Tessin ist ein Paradies für wilde Bergbäche und Flüsse. Doch das klare, häufig grünlich schimmernde Wasser kann schnell zu einer Todesfalle werden.

Viele Badende kennen die Gefahren nicht. Vor einem Jahr kamen allein im August vier Personen ums Leben.

Seit mehreren Jahren betreibt der Kanton Tessin eine intensive Präventionskampagne, um während der sommerlichen Badesaison auf die Gefahren der Flüsse hinzuweisen.

Vor allem Touristen werden angesprochen. Denn das Risiko des Flussbadens ist nicht auf den ersten Blick erkennbar.

An den Eingängen zu den Tälern hängen grosse Plakate mit dem Motto der Kampagne: «So schön, so gefährlich». Auf dem Bild sieht man einen idyllischen Badeplatz. Die Plakate existieren in vier Sprachen, neben Deutsch noch Englisch, Französisch und natürlich Italienisch.

Kampagne mit Grenzen

Die verantwortliche «Kantonale Kommission für sichere Flüsse» legt zudem in Hotels und Camping-Plätzen Flugblätter auf, welche auf die Gefahren der Flüsse hinweisen. An besonders gefährlichen Punkten einiger Flüsse hat man zudem Badeverbote erlassen. Nicht immer werden die entsprechenden Hinweisschilder jedoch respektiert.

«Wir können Prävention betreiben, sensibilisieren und informieren, aber wir können nicht den gesunden Menschenverstand ersetzen», sagt Claudio Franscella, Präsident der Kommission für sichere Flüsse. Jeder müsse auch die eigenen Grenzen kennen.

«Die Sicherheit hängt nicht nur von Gesetzen, Normen und Schutzmassnahmen ab. Es gibt eine Selbstverantwortung, vor allem wenn es um unser eigenes Leben geht», so Franscella.

Leider gab es diese Selbstverantwortung häufig nicht. In den letzten 30 Jahren sind mehr als 160 Menschen in Tessiner Flussläufen oder in den Seen gestorben. Das Tessin führte häufig die traurige Rekordliste der Badetoten in der Schweiz an. Die Boulevard-Presse sprach von «Killer-Flüssen».

Dank der Präventionskampagne ist die Zahl der Toten glücklicherweise rückläufig. Doch jeder Tote ist immer noch einer zuviel.

Extremsport im Vormarsch

Bis vor kurzem konzentrierte sich die Arbeit der Kommission auf Flüsse wie die Verzasca oder Maggia, an denen sich normale Badegäste oder Taucher in einer wunderschönen Naturlandschaft tummeln. Doch die Gewohnheiten ändern sich.

«Vor allem der Sport Canyoning hat unsere kantonale Gefahrenkarte verändert», sagt Franscella. Kleine Nebenflüsse oder Wasserfälle, die früher kaum jemand kannte, sind inzwischen potentielle Risiko-Stellen.

Das Tessin gilt als Eldorado für Canyoning-Freaks. Rund 40 Flussläufe werden für diesen Sport genutzt, der jährlich zwischen 4000 und 5000 Personen anzieht.

Doppelte Strategie

Die schönen und teils spektakulären Flüsse sind ein wichtiger Teil des touristischen Images des Kantons Tessins. Deshalb setzt die Kampagne ganz auf rationale Aufklärung und ein nachhaltiges Sicherheitskonzept. Die Schönheit der Flüsse soll nicht durch Angstmacherei dämonisiert werden.

«Die Wahl des Slogans und die ganze Präventionskampagne sind das Ergebnis eines langen Reflexions-Prozesses. Wir wollten ein Gleichgewicht erreichen, um den emotionalen Wert der Naturschönheiten zu unterstreichen und gleichzeitig eine direkte Botschaft zu vermitteln», sagt Franscella.

Die Kampagne soll dank einer direkten Information die Eigenverantwortung stärken. Bei korrektem Verhalten kann man die Natur geniessen und unbeschwert Ferien machen. Am besten erkundigt man sich auch immer bei den Einheimischen, welche die Gefahren der Flüsse gut kennen.

Und immer gilt es zu unterstreichen, dass die Natur ihre eigenen Regeln und Grenzen hat, die der Mensch anerkennen und respektieren muss.

swissinfo, Françoise Gehring, Locarno
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

In den letzten 30 Jahren wurden im Tessin 300 Badeunfälle registriert.
Die Zahl der Toten beträgt über 160.
Die Präventionskampagne «Sichere Flüsse» wird in vier Sprachen durchgeführt.
Zwischen 2007 und 2009 wird in der Kampagne ein zusätzlicher Schwerpunkt gesetzt: Auch Angler, Camper, Taucher und Canyoning-Sportler werden für die Gefahren der Wildbäche und Flüsse sensibilisiert.

Die Regierung des Kantons Tessin hat im September 2001 eine «Kantonale Kommission für sichere Flüsse» ins Leben gerufen

Diese Kommission hat den Auftrag, eine Informations- und Präventionsstrategie zu erarbeiten, um Touristen und Einheimische vor Unfällen in den Tessiner Flüssen zu schützen.

Durch das Aufkommen neuer Sportarten wie Canyoning sind neue Gefahrengebiete aufgetaucht. In vielen Wildbächen, die früher unbekannt waren, sind heute Extremsportler anzutreffen.

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