Tiefer Wasserstand – höherer Strompreis
Der Pegelstand der Schweizer Stauseen ist auf einem historischen Tiefststand. Das treibt den Preis des Stroms aus Wasserkraftwerken in die Höhe.
Die Schweiz importiert mehr billigen Strom, die Stromwirtschaft setzt die Wasserkraft gezielt für die Produktion von teurem Spitzenstrom ein.
Zu Jahresbeginn weisen die Schweizer Stauseen so wenig Wasser auf wie seit langem nicht mehr. Ihr Füllungsgrad betrug noch 50,2%. Die Stromwirtschaft setzt das wenige Wasser aber zielgerichtet ein: für die Produktion von lukrativem Spitzenstrom.
Der Füllungsgrad lag Ende 2005 deutlich tiefer als Ende 2004. Damals waren die Stauseen zu 67,2% ihrer Kapazität gefüllt. Nach dem Hitzesommer 2003 waren die Stauseen gar zu 83% gefüllt.
Stromhandel lässt Pegel sinken
Stauseen weisen im Winter normalerweise wenig Wasser auf. Ihr Inhalt wird für den saisonal erhöhten Strombedarf gebraucht. Niederschläge fallen als Schnee und bleiben bis im Frühling liegen, bis er schmilzt und abfliesst. Die Stauseen waren aber bereits im Herbst mit tiefen Pegelständen ins neue hydrologische Jahr gestartet.
Der vorwinterliche Füllgrad betrug dann historisch tiefe 77,6%. Mit ein Grund für den tiefen Wasserstand war der Ausfall des Atomkraftwerks Leibstadt von April bis September 2005 aufgrund einer schweren Panne. Leibstadt liefert gewöhnlich 17% des schweizerischen Stroms.
Liberalisierter Stromhandel
Ein anderer Grund ist der liberalisierte Stromhandel. Bei guten Preisen an den Strombörsen können die Schweizer Wasserkraftwerke ihren Spitzenstrom vorteilhaft verkaufen.
Walter Hauenstein, Geschäftsleiter des Schweizerischen Wasserwirtschafts-Verbands, erwartet von der herrschenden Wasserknappheit keinen Einfluss auf dieses Geschäft. Im Export lasse sich mit dem Spitzenstrom viel verdienen. Für die Grundversorgung im Inland werde dann einfach mehr Strom zu billigen Preisen importiert.
Die Elektrizitätsunternehmen würden ihre Wasserkraft-Turbinen bei tieferen Preisen nicht mehr laufen lassen und ihr Wasser für die hochpreisigen «Rosinen» bei Spitzenbedarf sparen.
Tiefe Flusspegel als Problem
Probleme für die Elektrizitätswirtschaft könnten laut Hauenstein weniger durch die Stausee-Pegel entstehen, als viel mehr durch die tiefen Flusspegel. Denkbar sei, dass thermische Kraftwerke wegen mangelnden Kühlwassers heruntergefahren werden müssten, sagte Hauenstein.
In Frankreich sei dies in besonders kalten und wasserarmen Wintern schon geschehen. Auch Flusskraftwerke könnten leiden. Für Wasserkraftwerke in den Bergen wäre das aber wieder ein Vorteil: Sie könnten mit teurem Spitzenstrom die Lücken stopfen.
Hoffen auf mehr Wasser
Giovanni Jochum, Geschäftsleitungsmitglied der Rätia Energie und dort zuständig für das Energiegeschäft, bestätigt den Trend zum Import billigen Grundversorgungsstroms und zum Export des teuren Spitzenprodukts.
Die Stauseen würden nicht mehr wie in der Vergangenheit primär zur Grundversorgung im Winter herangezogen, sondern auch im Sommer für die Spitzenproduktion. Das werde auch so bleiben. Sei das Wasser einmal bis auf die vorgeschriebene Minimalmenge fort, sei das Geschäft gelaufen. Die Branche hoffe aber auf ein wieder ausgiebigeres hydrologisches Jahr.
swissinfo und Agenturen
Der Landesverbrauch an Elektrizität stieg im vergangenen hydrologischen Jahr gegenüber der Vorjahresperiode um 2,1% auf einen neuen Höchstwert.
7,3% des Stroms oder 4500 Mio. Kilowattstunden (KWh) wurden importiert.
In der Vorperiode waren es noch 28 Mio. KWh gewesen.
Die Schweizer gehören zu den grössten Stromverbrauchern Europas. Im Jahr 2003 verbrauchte ein Haushalt 5220 KWh.
Damit liegt die Schweiz auf Platz 6 der bewerteten Länder und deutlich über dem EU-Durchschnitt von 4040 KWh.
Der Wassermangel betrifft nicht lediglich die Stauseen in der Schweiz:
Der Langensee (Lago Maggiore) nähert sich mit 192,15 Metern seinem historischen Tiefststand von 192 Metern.
Auch der Bodensee weist einen ungewöhnlich tiefen Wasserstand auf.
Diverse Gemeinden in verschiedenen Kantonen sind ausserdem vom tiefen Stand des Grundwassers betroffen.
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