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Tops und Flops in der Umweltpolitik

Tempo 30-Zonen: Ein positives (Verkehrs-)Zeichen für die Umwelt-Organisationen. Keystone

Gemischte Bilanz der Schweizer Umweltverbände zur im Herbst zu Ende gehenden vierjährigen Legislaturperiode des Schweizer Parlamentes.

Zwar sei in der Klima-, Energie- und Verkehrspolitik einiges erreicht worden. Viele geschaffene Instrumente würden aber nur mangelhaft umgesetzt.

Die Organisationen präsentierten ihr Fazit zur Lage der Umwelt nach der vierjährigen Legislatur des Parlamentes am Schluss der fast drei Wochen dauernden Hitzeperiode.

Dominierende Themen in den Tagen, wo die Hitzerekorde in der Schweiz gebrochen wurden und die Landwirtschaft von Ernteausfällen in dreistelliger Millionhöhe klagt, war die globale Erwärmung des Klimas und die Ozonbelastung.

Taten statt Protokolle

Adrian Stiefel, der Leiter «Klima und Energie» beim WWF Schweiz, verwies
bei der Orientierung in Bern denn auch auf die Klimaerwärmung und die
Folgen für den sensiblen Alpenraum (Permafrost taut auf).

Mit der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls und der Einführung des CO2-Gesetzes habe das Parlament wichtige Rahmenbedingungen für eine Reduktion der
CO2-Emissionen geschaffen.

«Jetzt sind Taten gefragt, um die Ziele auch zu erreichen», sagte Stiefel. Allein auf die Freiwilligkeit zu setzten, reiche dabei nicht.

Politische und gesetzliche Regulierungen wie die Einführung der CO2-Lenkungsabgabe würden aber immer wieder torpediert.

Laut dem neuesten Treibhausgas-Inventar hätten die Gesamtemissionen in der Schweiz von 1990 bis 2001 um 1 Prozent zugenommen, sagte Stiefel.

Die Schweiz befinde sich weit weg von den Zielen des CO2-Gesetzes, das bei fossilen Energien eine 10-prozentige Reduktion von CO2-Emissionen gegenüber 1990 verlangt.

Kürzung im Energieprogramm inakzeptabel

In der Energiepolitik sei die vom Finanzdepartement vorgesehene Kürzung der Mittel für «EnergieSchweiz» von 55 auf 20 Mio. Franken völlig unverständlich, sagte Kaspar Schuler, Geschäftsleiter bei Greenpeace Schweiz.

Das Programm zur Förderung des Energiesparens und der erneuerbaren Energien löse pro Jahr Investitionen von insgesamt 660 Mio. Franken aus und führe zu einem Mehrwertsteuer-Ertrag von 60 Mio. Franken.

Wenn das Programm nun gekürzt werde, sei dies nicht nur volkswirtschaftlich eine «Dummheit», auch der sogenannte «Energieartikel» in der Bundesverfassung werde zum toten Buchstaben.

Kein Ausbau am Gotthard

Tops und Flops habe die Legislatur auch in der Verkehrspolitik gebracht, sagte Adrian Schmid, Leiter der Verkehrspolitik beim VCS.

Als positiv sei die Verordnung zu verzeichnen, welche die vereinfachte Einrichtung von Tempo-30 und Begegnungs- sowie Fussgängerzonen ermögliche.

Hingegen sei der Gegenvorschlag zur Avanti-Initiative, der neben dem Ausbau des Agglomerations-Verkehrs eine zweite Gotthardröhre vorsieht, für die Umweltverbände völlig inakzeptabel. Verlagerungspolitik und Alpenschutz würden desavouiert.

Klimaschutz hänge nämlich eng mit der Verkehrspolitik zusammen, betonte Adrian Schmid vom VCS, weil der Verkehr (ohne Flugverkehr) rund einen Drittel des CO2-Ausstosses verursache.

Die aktuellen Grenzwert-Überschreitungen beim Ozon würden sogar zu 77% durch den motorisierten Strassenverkehr verursacht.

Bauboom in den Alpen

Auch in der touristischen Entwicklung sei in den vergangenen Jahren nicht alles zum Besten verlaufen, sagte Pro-Natura-Zentralsekretär Otto Sieber.

Trotz stagnierender Nachfrage sei der Bauboom in den Skigebieten ungebrochen. Die Kosten dafür würden oftmals von Kantonen, Bund und Gemeinden getragen.

Grosse Fortschritte seien hingegen bei den Bestrebungen für neue Nationalparks in der Schweiz zu verzeichnen.

Trotzdem kämpften die Berggebiete mit Umweltproblemen und würden durch einen ungebrochenen Bauboom bedroht. Das geschätzte Investitionsvolumen betrage 3,5 Mrd. Franken, gab Sieber zu bedenken.

15 lehnten alle Umweltanliegen ab

Die Umweltverbände haben für die Legislatur 1999 bis 2003 das Abstimmungs-Verhalten der einzelnen Parlamentarier und Parlamentarierinnen zu Fragen der Umwelt analysiert.

In den 31 wichtigsten umweltpolitischen Fragen haben laut Dieter Bürgi, Geschäftsführer von equiterre, elf wieder kandidierende Nationalrätinnen und Nationalräte der Grünen und der SP auch 31 mal für die Umwelt gestimmt.

Auf der andern Seite entschieden sich gemäss den Umweltverbänden 15 Parlamentarier und eine Parlamentarierin in sämtlichen Fragen gegen die Umwelt.

swissinfo und Agenturen

Die Tops für die Umweltorganisationen in den letzten vier Jahren:

– Die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls.
– Das Programm EnergieSchweiz.
– Die vereinfachte Schaffung von Tempo 30-Zonen in Wohngebieten.
– Projekte zur Schaffung neuer Nationalparks.

Die Flops in den letzten vier Jahren

– Verzögerung der Einführung der CO2-Abgabe.
– Die Absicht EnergieSchweiz wesentliche Mittel zu entziehen.
– Annahme der Avanti-Initative durch das Parlament.
– Ausbau der Skistationen in den Alpen.

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