Treibhausgase als Handelsware
In der EU ist der Weg frei für den Handel mit CO2-Emissionsrechten. Diese berechtigen Unternehmen gegen ein Entgelt zur "Umweltverschmutzung".
Die Schweiz hat eigene Pläne, Pläne des Zuwartens.
Der Emissionshandel steht im Zusammenhang mit dem Kyoto-Protokoll und der Klimakonvention der UNO. Das Kyoto-Protokoll verpflichtet die Signaturstaaten, den Ausstoss von umweltschädigenden Treibhausgasen zu reduzieren.
Im EU-Raum können nun ab 2005 mehr als 10’000 Unternehmen mit «Verschmutzungs-Rechten» handeln. Energie-intensive Betriebe aus der Chemie-, Stahl- und Papierbranche bekommen jährlich abnehmende Mengen von Kohlendioxid (CO2) und anderen Treibhausgasen per Zertifikat zugewiesen. Nicht in Anspruch genommene Rechte können weiter verkauft werden.
Letzte Woche schlug die EU-Kommission zudem eine Erweiterung der Richtlinie vor: Bis zu einem Drittel der Reduktion der Treibhausgas-Emissionen kann durch Investitionen in Klimaschutz-Projekte in Russland oder in Entwicklungsländern erfolgen, etwa in Windmühlen-Anlagen. Nicht angerechnet würden Investitionen in Kernkraftwerke oder Aufforstungs-Programme.
Der Handel mit Treibhausgasen soll Unternehmen zu einer umweltfreundlicheren Produktion anhalten und die Emissionen kostenwirksam reduzieren. Auch Schweizer Tochter-Unternehmen in der EU können am Handel teilnehmen.
Schweiz geht eigenen Weg
In der Schweiz ist der Handel von Emissionsrechten vorerst kein Thema. «Wir haben 1999 den Weg des CO2-Gesetzes gewählt», erklärt Renato Marioni vom Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) gegenüber swissinfo.
Dieses setze auf freiwillige Massnahmen. «Erst wenn diese nicht greifen, müssen die betreffenden Unternehmen eine CO2-Abgabe entrichten», so Marioni.
Tatsächlich könnte diese bereits ab 2005 eingeführt werden. Denn laut einer aktuellen Studie der ETH Zürich ist die Schweiz noch weit vom Ziel des CO2-Gesetzes entfernt, ihre Treibhausgase bis 2010 um 10% zu reduzieren.
Ohne zusätzliche Massnahmen würden die Emissionen bis 2010 lediglich um 1,3% gesenkt, so die Studie.
CO2-Abgabe als nächster Schritt?
«Ende Jahr entscheidet der Bundesrat über die CO2-Abgabe. Anschliessend müssen beide Räte sich damit befassen», so Marioni.
Dann müssten sich die Unternehmen entscheiden, ob sie die CO2-Abgabe bezahlen oder sich auf ein Emissionsziel verpflichten wollen.
Jürg Grütter von der Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW) hält die CO2-Abgabe für sinnvoll, denn: «Wir wissen schon seit Jahren, dass freiwillige Vereinbarungen ohne einen gewissen Druck nichts bringen.»
Politisch schwer durchsetzbar
Die EnAW ist Schnittstelle zwischen den Unternehmen und dem Bund. Sie teilt die Betriebe in Gruppen ein und ist beim Verfassen und bei der Ausgestaltung der freiwilligen Vereinbarungen behilflich.
«Die Abgabe ist politisch umstritten, Interessens-Vertreter wie die Erdölvereinigung werden versuchen, die CO2-Abgabe zu torpedieren», so Grütter gegenüber swissinfo.
Es sei schwierig, den Sinn und Vorteil einer CO2-Abgabe politisch zu kommunizieren.
Schweiz interessiert am EU-Modell
Die Schweiz zeigt sich interessiert am Zugang zum europäischen Emissionshandel. Doch wie funktioniert dieser überhaupt?
Dazu Marioni: «Das sähe folgendermassen aus. Ein Unternehmen will vom Bund von der C02-Abgabe befreit werden. Deshalb geht es die Verpflichtung mit dem Bund ein, hauptsächlich durch betriebseigene Massnahmen die Emissionen zu reduzieren. Gleichzeitig hat es die Möglichkeit, sich am Emissionshandel zu beteiligen und Verschmutzungs-Rechte zu erstehen.»
Es bestünden bereits informelle Kontakte mit der EU, so Marioni. «Wir haben Interesse an einer Verknüpfung des Schweizer Systems mit dem EU-System.»
Nationaler Handel frühestens ab 2008
Dies bestätigt auch der nationale Klimasekretär Yvan Keckeis vom Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL): «Die Arbeiten am Aufbau eines eigenen nationalen Emissionshandels-Systems laufen parallel. Derzeit sind Verhandlungen mit rund 600 Unternehmen im Gange, um die CO2-Reduktionsziele für die Jahre 2008 bis 2012 festzusetzen.»
Grütter von der EnAW hält es für unrealistisch, dass Schweizer Unternehmen vor 2008 an einem Emissionshandel interessiert sind.
Denn: «Die Unternehmen im EU-Raum müssen bereits jetzt gewisse Zielvereinbarungen einhalten, Schweizer Firmen erst ab 2008.» Deshalb werde es bis dahin gar keine Nachfrage nach Zertifikaten geben.
Wirtschaftsstruktur ungünstig für Handel
Mit dem Emissionshandel lassen sich in der EU 46% aller CO2-Emissionen erfassen.
In der Schweiz kommt man laut Marioni auf knapp 15%. Der Grund liegt in den unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen. «Die Schweizer Elektrizität ist CO2-frei, und je ein Drittel der schweizerischen CO2-Emissionen kommen aus Verkehr und Haushalten», so Marioni.
In diesen Bereichen sei es sehr schwierig, einen Handel aufzuziehen. Marionis Fazit: «Die CO2-Abgabe hingegen würde Abhilfe schaffen und die Schweiz in allen Bereichen erfassen.»
Greenpeace zweifelt
Nicht alle sind von der Idee des Handels mit Treibhausgasen begeistert. Cyrill Studer von Greenpeace: «Der Westen mit 20% der Weltbevölkerung ist für über 60% der Treibhausgase verantwortlich.
Wenn bis 2050 die CO2-Emissionen nicht um 80% reduziert werden, gerät der Klimawandel ausser Kontrolle. Betroffen sind dann in erster Linie nicht die schlimmsten Umweltsünder, sondern die Entwicklungsländer.»
Deshalb sind laut Studer auch vor allem die Industrieländer in der Pflicht, bzw. in der Verantwortung. Und, so Studer: «Dazu braucht es mehr, als ein paar Zertifikate hin und her zu schieben.» Und es brauche vor allem ein griffiges Monitoring.
Rolle der WTO
Welche internationale Organisation soll denn eigentlich zuständig sein für den Handel mit Treibhausgasen und dessen Überwachung, das UNO-Klimaschutz-Sekretariat oder die Welthandelsorganisation (WTO)?
Laut Studer ist es eindeutig die UNO. Allerdings befürchtet er, dass die WTO zunehmend die (nationalen) Klimaschutz-Bemühungen untergräbt. «Saudi-Arabien hat sich beispielsweise an die WTO gewandt mit der Forderung, die staatliche Förderung erneuerbarer Energien und Brennstoffsteuern zu diskutieren. Diese würden Marktverzerrrungen darstellen.»
Und es gebe bereits Fälle im Zusammenhang mit Klimaschutz, in denen die WTO zu Ungusten umweltpolitischer Regulierung entschieden habe.
Emissionsrechte als Big Business?
Laut der Weltbank wurden weltweit zwischen 1996 und 2002 Rechte über 200 Mio. Tonnen Emissionen zu einem Preis von durchschnittlich 2 Dollar gehandelt.
In Europa soll eine Tonne Treibhausgas ab 2005 weniger als 7 Euro kosten. Zur Zeit liegt der Preis pro Tonne laut Jürg Grütter zwischen 4 und 5 Dollar.
Die UNO-Umweltorganisation UNEP schätzt, dass das langfristige Markt-Potential des Handels mit Emissionsrechten bei rund 2000 Mrd. Dollar liegt.
swissinfo, Elvira Wiegers
Gemäss dem Kyoto-Protokoll sollen die Industriestaaten bis 2012 ihren Treibhausgas-Ausstoss gegenüber dem Stand von 1990 um insgesamt 8% verringern.
Der Handel mit Verschmutzungs-Rechten soll helfen, diese Ziel zu erreichen.
Die Schweiz wird frühestens ab 2005 eine CO2-Abgabe einführen. Diese könnte der erste Schritt für ein nationales Handels-System für Emissionsrechte sein.
Das CO2-Gesetz von 1999 sieht bis 2010 eine Reduktion von 10% gegenüber 1990 vor.
Laut einer ETH-Studie wird die Schweiz ohne zusätzliche Massnahmen jedoch lediglich eine Reduktion von 1,3% erreichen.
Das Kyoto-Protokoll von 1997 zur Reduktion der Treibhausgase tritt erst in Kraft, wenn es von 55 Staaten ratifiziert worden ist, die 1990 für mindestens 55% der von den Industriestaaten stammenden CO2-Emissionen verantwortlich waren.
Mit der im Juli erfolgten Ratifikation der Schweiz haben 32 Staaten, die im besagten Jahr 44% der Emissionen der Industrieländer produzierten, dem Protokoll zugestimmt.
Damit 55% der Emissionen erfasst sind, bräuchte es noch die Ratifikation Russlands oder der USA.
Russland hat die Ratifikation zugesagt.
Die USA stiegen 2001 nach dem Amtsantritt von Präsident George W. Bush wieder aus dem Vertrag aus.
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