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Unterhaltsame Chemie und ihre praktische Anwendung

Die faszinierende Welt der Farben: Der Publikumserfolg ist garantiert. Pierre Lehmann

Weisse Kittel und Schutzbrillen für die Schüler, ein Wasserstoffballon, der explodiert wie ein Feuerball, Substanzen, die mit drei Tropfen aus dem Reagenzglas ihre Farbe ändern. Mit "Chimiscope" will die Universität Genf die Begeisterung für die Chemie und ihre Geheimnisse wecken.

Warum ist Feuerwerk blau, grün, gelb und rot? Wieso erwärmt sich ein doppelwandiger Kaffeebecher, wenn man ihn schüttelt? Wie kommt das Silber auf die Innenseite einer Weihnachtskugel? All dies ist Chemie, und genau das  will Chimiscope erklären und vorführen.

Schon vor drei Jahren widmete sich die Universität Genf in gleicher  Weise der Physik, Physiscope hiess damals die Veranstaltung. Am  24. November, ein paar Wochen vor dem Ende des Internationalen Jahres der Chemie, eröffnete die Universität Genf  das Chimiscope, ein Labor, in dem interessierte Besucher in die Geheimnisse der Chemie eingeführt werden.

Die Funken in den Augen

Auch wenn der Pharmariese Novartis droht, in der Schweiz 1100 Stellen zu streichen (darunter 320 in Nyon-Prangins vor den Toren Genfs), fehlt es der Schweizer Chemie in den Labors an hellen Köpfen.

Der Mangel  an Spezialisten wird auf etwa 1000 Personen geschätzt und alle Universitäten des Landes (mit Ausnahme von Genf) verzeichnen einen Rückgang bei den Chemiestudenten.

Die Jungen beurteilen die Materie oft als zu trocken. Wenn man jedoch den Enthusiasmus der Laboranten und Doktoranden im Chimiscope sieht, merkt man sofort, dass Chemie auch Leidenschaft hervorrufen kann.

«Natürlich sprechen wir nicht gleich mit den sieben- bis achtjährigen Kindern wie mit den 18-19-jährigen Jugendlichen, die im Gymnasium eine naturwissenschaftliche Richtung verfolgen, erklärt Didier Perret, Kommunikationsverantwortlicher der Abteilung für Chemie und Biochemie der Universität Genf.

Die Jüngeren lassen sich  noch ins Staunen versetzen, aber nicht so wie beim Budenzauber des Jahrmarktes, nein, ihre Augen leuchten vor Begeisterung. Die Älteren dagegen sind viel ernster, sie wollen begreifen und ihr bereits vorhandenes Wissen vertiefen».

Noch ein Unterschied: Wenn der Animateur vor einer 15-köpfigen Klasse für ein Experiment einen Freiwilligen sucht, dann schnellen 15 oder gar 30 Hände in die Höhe. Die Jugendlichen hingegen sind etwas reservierter, sie stehen nicht gerne im Rampenlicht vor den Kollegen.

Trotzdem sind  sie verblüfft zu sehen, wie ein blauer Laserstrahl einen roten Ballon innerhalb eines blauen zum Platzen bringt, ohne letzteren zu zerstören!

Von  7 bis 107

Doch das Chimiscope ist nicht nur für die Jungen gedacht. Es ist für alle von «7 bis 107» offen und empfängt genauso gerne Erwachsenengruppen, z. B. Teilnehmer eines Betriebsausflugs, die sich bei dieser Gelegenheit wieder mal vergewissern können, dass wir und unsere Umgebung aus lauter Molekülen bestehen.

Damit alle verstehen, was in den Reagenzgläsern abläuft, geben die Animatoren jeweils ein Beispiel einer praktischen Anwendung. So zeigen die rauchenden und farbigen Cocktails, dass die Elemente die Fähigkeit haben, einen Teil des weissen Lichts zu absorbieren und nur gewisse Wellenlängen zurückzusenden: blau für Kupfer, grün für Barium, gelb für Natrium und rot für Strontium, alles Bestandteile eines Feuerwerks.   

Anderswo ist zu erfahren,  dass lediglich eine Kupfer- und eine Zinkplatte in ein Glas Orangensaft getaucht werden muss, um Strom zu erzeugen, der ausreicht, eine Uhr in Gang zu setzen. Dies ist das Grundprinzip der Batterie, die Anfang des 19. Jahrhunderts von  Alessandro Volta erfunden wurde und ursprünglich aus übereinander geschichteten Kupfer- und Zinkplatten bestand (Voltasche Säule).

Zitrone und Orange

Im Moment zeigt Chimiscope zwei Reihen von Experimenten zu den Themen Energie und Farben. Später werden noch weitere dazukommen: Chemie und Umwelt, Chemie im Alltag, Chemie des Lebens und Chemie und Chiralität.

Chiralität heisst, dass sich Moleküle, die in ihren Eigenschaften gleich sind,  sich in der Regel nicht mit ihrem Spiegelbild decken. Ein rechter Handschuh passt nicht an die linke Hand und umgekehrt. Davon lassen sich verschiedene Eigenschaften ableiten. So riecht ein Molekül, wenn es sich nach links «dreht», nach Zitrone, und wenn es sich nach rechts «dreht», nach Orange. Es kann aber auch passieren, dass das eine ein Medikament ist und das andere ein Gift!

Die Universität Genf erwartet im Chimiscope jährlich rund  4000 Besucher.  Mit Unterstützung der  «Association industrielle genevoise des sciences de la vie» sollen damit alle Möglichkeiten einer Disziplin aufgezeigt werden, von der «die Lösung vieler Probleme der heutigen Welt in den Bereichen Gesundheit, Energie, Material und Umwelt abhängt», wie es Didier Perret formuliert.

Chemie, unser Leben, unsere Zukunft. Die Vereinten Nationen haben das Jahr  2011 diesem Thema gewidmet. Es sollten die Errungenschaften und die Wichtigkeit der Chemie in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft  angesprochen werden.

 

Die Chemie ist nicht nur der Schlüssel zum Verständnis der Natur, sie hat auch einen ganz praktischen Nutzen.

Chemische Zusammensetzungen und Reaktionen kommen nicht nur  in der Herstellung unserer  Medikamente vor, sondern praktisch in allen Substanzen und Gegenständen, die wir im Alltag brauchen.

Die Chemie leistet einen wichtigen Beitrag zur Lösung von globalen Herausforderungen, namentlich im Bereich Umwelt und Energie.

 

Marie Curie. Vor genau 100 Jahren erhielt Marie Sklodowska Curie als erste Frau den Nobelpreis für Chemie  (nach jenem für Physik im Jahr 1903) für die Entdeckung von Radium und Polonium.

Sie ist übrigens die einzige Person, Männer und Frauen zusammengenommen, die diese prestigeträchtige Auszeichnung gleich zweimal erhalten hat.

(Übersetzung aus dem Französischen: Christine Fuhrer)

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