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Vergnügen ist wichtiger als die Arbeit

Des Schweizers liebste Beschäftigungen: Familie, Freunde, Freizeit. Keystone

Zum ersten Mal seit 15 Jahren ist für die Schweizer Bevölkerung die Freizeit wichtiger als die Arbeit, wie eine am Donnerstag veröffentlichte Univox-Studie zeigt.

Familie und Freunde zählen bei den Schweizern am meisten, dann kommt die Gesundheit. Die Politik beschäftigt die Geister weniger: nur 10% der Befragten bezeichnen sie als sehr wichtig.

Wie schon 2002 nannten 88% der Befragten bei der Univox-Studie über den Stellenwert von Lebensbereichen ihre Familie und Freunde als wichtigsten Lebensbereich. Anscheinend habe deren Bedeutung trotz wachsender Individualisierungs-Tendenzen (Single-Haushalte, Internet-Chats, etc.) nicht abgenommen.

Als einziger Lebensbereich überhaupt hat der Sport gegenüber 2002 deutlich an Bedeutung gewonnen. Die Bereiche Arbeit/Beruf, Bildung, Kultur, Religion/Kirche und Politik dagegen haben in diesem Zeitraum teils erheblich an Wichtigkeit eingebüsst.

Freizeit erstmals wichtiger als der Beruf

Die Freizeit wurde erstmals höher eingestuft als die Arbeit. Die Forscher führen dies auf den wirtschaftlichen Aufschwung der letzten 3 Jahre sowie auf die Entspannung auf dem Arbeitsmarkt zurück.

Die Antworten können mit jenen bis zurück ins Jahr 1993 verglichen werden. Zuvor war die Fragestellung zu Freizeit und Beruf eine andere, wie Studien-Autor Rolf Gurtner sagte.

Kaum verändert hat sich der Stellenwert der Gesundheit. 81% bezeichneten diese als «sehr wichtig», 2002 waren es noch 78% gewesen. Die Männer wurden seit der letzten Umfrage gesundheitsbewusster. Mit 83% liegt ihr Wert jetzt sogar leicht über dem der Frauen mit 80%. Alter, Bildung oder Einkommen haben kaum Einfluss, stellt das Institut fest.

Zufrieden mit der Arbeitszeit

Noch nie seien die Befragten mit der Länge der Arbeitszeit so zufrieden gewesen wie dieses Jahr, stellten die Forscher fest. Mehr als die Hälfte der Befragten wünschen sich diesbezüglich keine Veränderung. Ein Viertel wünscht sich mehr Freizeit und immerhin 11% wären sogar bereit, länger zu arbeiten, um mehr zu verdienen.

Insgesamt haben sich die Verhältnisse diesbezüglich seit 1987 nicht grundlegend geändert. Allgemein scheint man aber heute seltener bereit, für mehr Freizeit ein dünneres Portemonnaie in Kauf zu nehmen.

«Wir haben eine geringere Arbeitslosigkeit. Dies ist ein Grund für die Zufriedenheit mit der gesamten Arbeitssituation», sagt Hansruedi Müller, Chef des Forschungs-Instituts für Freizeit und Tourismus an der Universität Bern, welches die Aufsicht über die Studie hatte.

«Weiter können die Leute ihre Jobs freier als vor vier Jahren wählen und sie können ihre Arbeitszeiten in zunehmendem Masse selbst bestimmen», erklärt er gegenüber swissinfo.

Shopping und Sport

Auf die Frage, in welchen Bereichen des täglichen Lebens mehr Zeit gewünscht wird, fiel die Antwort deutlich aus: 64% der Befragten würden gern mehr Reisen oder Ausflüge unternehmen. Signifikant zugenommen hat schliesslich das Bedürfnis nach mehr Zeit für Sport und Shopping.

Die Präferenz für Sport geht anscheinend auf die Kosten der Kultur, die einen Einbruch um 33% erlebte. Nur noch 22% empfinden sie als sehr wichtig.

«Ich denke, das ist einfach eine Frage der Verteilung der Zeit. Wir können in unserem Leben nicht alles tun. Und wenn der Sport wichtiger geworden ist, muss eine andere Position etwas hergeben», so Müller.

Und er fügt hinzu: «Gesundheit ist in unserer Gesellschaft ein sehr wichtiges Thema geworden. Jeder weiss, dass Sport und Gesundheit irgendwie zusammen gehören.»

Die Studie brachte aber auch zum Vorschein, dass der Fokus bei der Sportfrage im allgemeinen Interesse liegt, nicht nur bei der aktiven Teilnahme. Müller: «In Deutschland ist der Fussball dank der Weltmeisterschaften, die dort stattgefunden haben, sehr populär geworden.»

swissinfo und Agenturen

Das gfs-Institut Zürich hat die Befragung mit fünf Partnern im September 2006 durchgeführt.

Befragt wurden schweizweit 705 Menschen. Drei Viertel der Interviews fanden in der Deutschschweiz statt, der Rest in der französischsprachigen Schweiz.

Univox ist eine langfristige Beobachtung der Schweizer Gesellschaft. Sie wurde von 1986 bis 1999 in jährlichen, seit 2000 in zweijährlichen Abständen durchgeführt.

Familie/Freunde: 88% (keine Änderung seit der Umfrage von 2002)

Gesundheit: 81% (+4%)

Freizeit: 60% (+4%)

Arbeit/Karriere: 53% (-12%)

Bildung: 38% (-17%)

Sport: 33% (+22%)

Kultur: 22% (-33%)

Religion/Kirche: 12% (-25%)

Politik: 10% (-50%)

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